Auseinandersetzungen um Bibel, Koran und Tora

Hochkarätig besetztes Podium am Exzellenzcluster diskutiert unterschiedliche Lesarten der Heiligen Schriften – Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth, Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann und Judaist Ottfried Fraisse kommende Woche in Münster erwartet –Kooperation der WWU mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung

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© Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung

Pressemitteilung des Exzellenzclusters vom 16. Juni 2017

Der unterschiedliche Umgang von Christen, Muslimen und Juden mit Bibel, Koran und Tora sorgt Forschern zufolge immer wieder für Konflikte. „Religiöse Traditionen, die ihre Heiligen Schriften als wörtlich von Gott offenbart ansehen, wehren sich zumeist gegen ihre historisch-kritische Interpretation“, sagt der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack, Sprecher des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Uni Münster. „Das unterschiedliche Verständnis der Heiligkeit der Texte bestimmt inner- und interreligiöse Konflikte bis in die Gegenwart hinein.“ So löse die mutwillige Zerstörung des Korans durch christliche Fanatiker bei gläubigen Muslimen eine Empörung aus, die Angehörige anderer religiöser Gemeinschaften oder auch areligiöse Menschen zuweilen gar nicht nachvollziehen könnten. Der Wissenschaftler kündigte ein hochkarätig besetztes Podium zu diesem Thema am Exzellenzcluster an. Dazu werden am Donnerstag, 22. Juni, der Göttinger Kirchenhistoriker Prof. Dr. Thomas Kaufmann, die Berliner Arabistin Prof. Dr. Angelika Neuwirth und der Judaist PD Dr. Ottfried Fraisse von der Uni Halle-Wittenberg erwartet.

Das öffentliche Podium „Arbeit am Text – Tora, Bibel und Koran“ beginnt um 20.00 Uhr in der Petrikirche am Jesuitengang in Münster. Veranstalter sind die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung und der Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Der Abend ist Teil der bundesweiten Veranstaltungsreihe „Wo das Wort ist, da tappe nach“ (Luther), die die Akademie im Rahmen des Jubiläumsprogramms „Luther 2017“ veranstaltet. Gefördert wird die Reihe durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur. Die Moderation des Abends in Münster übernimmt Historikerin Dr. Iris Fleßenkämper vom Exzellenzcluster.

„Heilige Schriften dienen der Abgrenzung“

„Das unterschiedliche Verständnis von der ‚Heiligkeit‘ der Bibel, des Korans und der Tora wirkt sich stark auf den Umgang der Gläubigen mit den Schriften aus, sei es im Alltag oder im Gottesdienst“, führt Prof. Pollack aus. Manche religiösen Strömungen ließen keinerlei Interpretation und historische Auslegung zu und hielten die Schriften letztlich nicht einmal für übersetzbar. „Die Schriften hatten dabei oft die Funktion, die Identität der eigenen religiösen Gruppen zu stärken und sie von anderen abzugrenzen.“

Auf dem Podium wollen die Wissenschaftler in kurzen Vorträgen und in der Diskussion erörtern, welche Praktiken der Textauslegung sich in den jüdischen, christlichen und islamischen Religionskulturen entwickelten, wie sich das auf Gruppenidentitäten auswirkte und wie Textauslegung und Alltagsleben einander beeinflussten.

So nimmt die Schriftauslegung einerseits Einfluss auf die Lebensführung der Gläubigen, andererseits wirken zeitgenössische Lebenspraktiken auf die Interpretation der Texte. Die Forscher nehmen auch in den Blick, wie Judentum, Christentum und Islam zu verbindlichen Versionen ihrer sakralen Texte kamen, obwohl innerhalb jeder Religion konkurrierende Gelehrtenschulen über unterschiedliche Auffassungen stritten. Sie fragen zudem, wie Gelehrte mit den sakralen Texten der anderen Religionen umgingen.

Die Veranstaltungsreihe „Wo das Wort ist, da tappe nach“ (Luther) im Rahmen des Programms „Luther 2017“ beschäftigt sich in insgesamt vier Veranstaltungen mit dem Spannungsfeld von Text und Religion. Die ersten beiden Veranstaltungen in Darmstadt und München befassten sich mit religiöser Toleranz in der Literatur und mit vergleichenden Überlegungen zur religiösen und zur poetischen Inspirationskraft. In Münster stehen die sakralen Schriften im Mittelpunkt.

Zum Abschluss der Reihe geht es am 19. Oktober in Köln um die ästhetische Kraft religiöser Texte, um „Die Schönheit des Gotteswortes“. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung mit Sitz in Darmstadt widmet sich der Pflege und Förderung der deutschen Sprache. Sie vergibt jährlich mit dem Georg-Büchner-Preis einen der renommiertesten Literaturpreise im deutschen Sprachraum. (vvm/ill)