Religion und politischer Protest

Nachwuchswissenschaftler des Exzellenzclusters bei Weltkongress in Montréal

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Denise Motzigkeit, Anna-Maria Meuth, Dr. Julia Enxing, Dr. Massimiliano Livi und Dr. Daniel Gerster (v.l.)

Mit dem Verhältnis von Religion und politischem Protest haben sich Nachwuchswissenschaftler des Exzellenzclusters auf dem 23. Weltkongress der „International Political Science Association“ (Internationale Gesellschaft der Politikwissenschaft, IPSA) im kanadischen Montréal beschäftigt. Die fünf Forscherinnen und Forscher präsentierten Ergebnisse aus ihren wissenschaftlichen Einzelprojekten sowie Erkenntnisse, die sie in der Koordinierten Projektgruppe „Sozialformen des Religiösen in der Zweiten Moderne“ am Exzellenzcluster gewonnen haben. In Panels luden sie zur internationalen Diskussion darüber ein.

Ziel der Gruppe in Montréal war es, das Konzept der „Sozialform“, das bislang vor allem die Geschichts- und Sozialwissenschaften nutzten, auf seine Verwendbarkeit in anderen Fachdisziplinen zu überprüfen. Um das Verhältnis von Religion, Zivilgesellschaft und Politik näher zu ergründen, setzten sich die Münsteraner Wissenschaftler mit aktuellen politikwissenschaftlichen Debatten auseinander, wie sie im angelsächsischen und französischen Raum geführt werden.

Historiker Dr. Massimiliano Livi organisierte und leitete ein Panel über religiös motivierte Kritik und demokratische Protestbewegungen. Darin untersuchten Wissenschaftler, in welchem Maße Protestbewegungen im 20. Jahrhundert ihre Strategien änderten, wenn sie religiös konnotierte Themen übernahmen. Die Beiträge behandelten etwa die antikapitalistischen Proteste im Istanbuler Gezi-Park in der Türkei von 2013, die Bewegung „Christians for Socialism“ (Christen für den Sozialismus) im Italien der 1970er Jahre und die nationalistische Bewegung in Marokko von 1930 bis 1956.

Damit eng verknüpft war das Panel der katholischen Theologin Dr. Julia Enxing vom Exzellenzcluster. Darin erörterten die Teilnehmer, wie sich das Verhältnis von religiösem und säkularem Protest bestimmen lässt. Die katholische Theologin Denise Motzigkeit sprach über neue Formen spiritueller Gemeinschaften im 20. Jahrhundert. Politologin Anna-Maria Meuth hielt einen Vortrag über die Kritik religiöser Gruppierungen in der Öffentlichkeit moderner Demokratien am Beispiel der Einwanderungsdebatte in Deutschland. Historiker Dr. Daniel Gerster vom Centrum für Religion und Moderne (CRM), das aus dem Exzellenzcluster hervorgegangen ist, legte den Wandel von Religion und Gesellschaft anhand westdeutscher und amerikanischer Katholiken in der Friedensbewegung während des Kalten Krieges dar.

Die Organisation IPSA, die 1949 unter der Schirmherrschaft der UNESCO in Paris entstand, will die Politikwissenschaft international fördern und vernetzen. Der Kongress findet alle zwei Jahre an wechselnden Orten statt. Dieses Jahr stand der Kongress unter dem Thema „Challenges of Contemporary Governance“ (Herausforderungen zeitgenössischen Regierens). In der Sektion „Religion and Politics“ mit insgesamt 16 Panels beschäftigten sich die Teilnehmer auch mit dem Verhältnis von Religion und Politik auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Zentral war hierbei die Frage nach den Wechselbeziehungen von Religionen und modernen Gesellschaften mit besonderem Blick auf die Aspekte Frieden, Menschenrechte und Demokratie. (han/vvm)