„Irans neuer Präsident Ruhani ist glaubwürdig“

Islamwissenschaftler Jörn Thielmann im dpa-Interview

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Islamwissenschaftler Dr. Jörn Thielmann, Sektionsleiter beim 32. Deutschen Orientalistentag (DOT)

Von Carsten Linnhoff, dpa

Hassan Ruhani überrascht die Welt. Aber ist der Auftritt des neuen iranischen Präsidenten vor den Vereinten Nationen auch glaubwürdig? Ja, sagt ein Islamwissenschaftler in Münster und fordert die Staaten auf, die Gesprächsangebote anzunehmen.

Die Ankündigungen des neuen iranischen Präsidenten  Hassan Ruhani sind nach Meinung des Islamwissenschaftlers Jörn Thielmann durchaus glaubwürdig. Die Eliten in Iran sehnten sich nach Anerkennung durch die Weltgemeinschaft, sagte der Forscher des «Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa» im Interview der Nachrichtenagentur dpa. Ruhani habe nach seinem Eindruck die volle Rückendeckung des Revolutionsführers Ajatollah Chamenei, so Thielmann am Rande des 32. Deutschen Orientalistentages (DOT) in Münster.

Wie glaubwürdig ist der Auftritt des neuen Präsidenten vor den Vereinten Nationen?

Sehr glaubwürdig. Hassan Ruhani kommt aus dem System und hat engste Verbindungen zum Revolutionsführer Ajatollah Chamenei. Er würde das alles nicht sagen, wenn er keine Rückendeckung hätte.  
Sein Auftritt erscheint im Vergleich zu seinem Vorgänger wie eine 180-Grad-Wende.

Was ist das Motiv dafür? Was spielt sich an der Führungsspitze gerade ab?

Sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad war ein Messianer, ein Apokalyptiker, der daran glaubte, dass der Mahdi, ein Nachkomme des Propheten Mohammed, bald zum Weltuntergang erscheint. Wer an so etwas glaubt, dem ist auch vor einem Atomschlag nicht bange. Irans neuer Präsident Hassan Ruhani ist ein ganz anderer Typ. Er weiß, dass der Iran die nächsten Schritte auf den Westen zu machen muss, um die schlimme wirtschaftliche Lage des Landes zu verbessern.

Der Iran steht wirtschaftlich unter Druck.  Bleibt der Führung nichts anderes übrig, also sich in Richtung Westen zu drehen? Oder steckt wirkliche Überzeugung dahinter?

Die Sanktionen wirken längst. Aber die jetzigen Reaktionen sind nicht nur dem Druck von außen geschuldet. Die Eliten im Land wollen sich mit Respekt in der Weltgemeinschaft bewegen. Dieser Aspekt spielt bei der Außenpolitik jetzt eine große Rolle. Und die Amerikaner haben bereits positive Erfahrungen mit dem Iran gemacht, zwar keine rhetorischen, aber faktische. Das Land spielt bei den Konflikten in der Nachbarschaft wie Afghanistan eine große Rolle. Es hat viele Flüchtlinge aufgenommen, ohne das an die große Glocke zu hängen. Aber die USA haben das durchaus positiv aufgenommen.

Von der Leugnung des Holocaust durch Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad zur vorsichtigen Annäherung an Israel  - was treibt Ruhani zu dieser Wende?

Mit dieser Wende mutet er seinem Land viel zu. Für mich ist das ein Beleg dafür, dass er es ernst meint. Er ist kein Holocaust-Leugner. Er hat ihn etwas verklausuliert als Verbrechen bezeichnet. Er hat es nicht ganz offen gesagt, aber dafür sehe ich eher die Gründe im Iran.

Mit freundlicher Genehmigung der dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH, Hamburg, www.dpa.de