Aus Angst vor dem Fegefeuer
Ausstellung „Goldene Pracht“: Viele Stifter der wertvollen Goldschmiedekunst verewigten sich auf ihren Werken
Eine goldene Äbtissin zu Füßen der Jungfrau Maria, eine Hofdame auf dem Hügel Golgota, ein demütiger Kaiser mit Geschenk für die Engel: Die Stifter vieler wertvoller Exponate der Mittelalter-Ausstellung „Goldene Pracht“ in Münster haben sich auf ihren Werken selbst verewigt. „Hinter dem Glanz dieser Stiftungen verbarg sich die existentielle Sorge der Menschen vor dem Fegefeuer“, erläutert Prof. Dr. Gerd Althoff vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. „Als Gegengabe für die wertvollen Goldschmiedewerke erwarteten die Stifter von den Priestern, Mönchen und Nonnen in den beschenkten Klöstern, dass sie für ihr Seelenheil beteten.“ Die Bilder und Namen auf den gestifteten Kelchen und Kreuzen, Buchdeckeln und Schreinen sollten bis in alle Ewigkeit daran erinnern.
Die Ausstellung „Goldene Pracht. Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen“ in Münster präsentiert noch bis zum 28. Mai „Zeugnisse dieser heute fremd gewordenen Frömmigkeit“, wie der Historiker sagt. Sie zeigt im LWL-Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte und in der Domkammer der Kathedralkirche St. Paulus in elf Kapiteln auf 1.500 Quadratmetern rund 300 herausragende nationale und internationale Werke kirchlicher und weltlicher Schatzkunst aus dem 10. bis 16. Jahrhundert. Es handelt sich um ein Kooperationsprojekt des Exzellenzclusters „Religion und Politik“, des Bistums Münster und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).
Sühne für vergossenes Blut
Für die Darstellung demütiger Stifter lassen sich in der Ausstellung viele Bespiele finden: „Die Essener Äbtissin Theophanu etwa, eine Nachfahrin der ottonischen Kaiser aus dem 11. Jahrhundert, zeigt sich als Stifterin eines kostbaren Evangeliars ganz klein und im Kniefall zu Füßen der Jungfrau Maria“, so Althoff. „Sie überreicht ihr die Gabe mit der Bitte um Fürsprache für ihre Seele.“ Die Hofdame Haseke von dem Wolde (um 1310–1394) ist auf einem Messkelch zu sehen, den sie stiftete. Sie kniet darauf vor dem gekreuzigten Jesus und bittet „Gott, sei mir gnädig“.
Ein außergewöhnliches Zeichen wollte nach Worten des Experten wohl Kaiser Heinrich III. (1017-1056), der Stifter des Borghorster Reliquienkreuzes, setzen: Nach einem blutigen Konflikt stiftete der salische Kaiser das Kreuz, auf dem er in flehender Haltung abgebildet ist. Zwei Engel schweben ihm entgegen, wohl um die Gabe in Empfang zu nehmen. So ist die Stiftung des Kreuzes vielleicht als Sühne für vergossenes Blut zu verstehen.
Die Darstellungen auf den liturgischen Geräten zeugen laut Prof. Althoff vom Einfallsreichtum der Stifter, mit dem sie im Gedächtnis bleiben wollten. „Kreuze, Kelche oder Messbücher mit Namen oder Bild des Stifters boten eine besondere Gewähr, dass Priester, Mönche und Nonnen noch lange des verstorbenen Schenkers gedachten – schließlich wurden die Bücher und Gerätschaften bei der Messfeier regelmäßig benutzt und erinnerten so ständig an die bestehende Verpflichtung.“ (ska/vvm)