Goldschmiedekunst von internationalem Rang
Große Mittelalter-Ausstellung „Goldene Pracht“ eröffnet am Wochenende in Münster
Kostbare Goldschmiedekunst von internationalem Rang ist ab dem Wochenende in Münster in der Ausstellung „Goldene Pracht. Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen“ (26. Februar bis 28. Mai 2012) zu sehen. Die Schau im LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte und in der Domkammer der Kathedralkirche St. Paulus präsentiert auf 1.500 Quadratmetern in zwölf Räumen mehr als 300 herausragende Exponate des 10. bis 16. Jahrhunderts, darunter 240 nationale und internationale Leihgaben, wie die Veranstalter am Donnerstag (23. Februar) ankündigten. Zu sehen sind prachtvolle Schreine und Kelche, edelsteinbesetzte Kreuze und filigrane Schmuckstücke des Mittelalters.
Die Ausstellung „Goldene Pracht“ führt in eine faszinierende Epoche der europäischen Geschichte, wie Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster sagte. „Sie erzählt, warum Kaiser und Bischöfe, Adlige und Bürger über Jahrhunderte wertvollste Werke aus Gold, Silber und Edelsteinen stifteten, deren Ästhetik bis heute in Bann schlägt.“ Die Schau wird am Samstagabend in der Überwasserkirche eröffnet. Es handelt sich um eine Kooperation des Bistums Münster, des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und des Exzellenzclusters.
„Westfalen glänzt“
„Die Ausstellung würdigt erstmals die Pracht westfälischer Goldschmiedekunst, die lange im Verborgenen schlummerte. Diese Schätze zu heben und einem breiten Publikum nahe zu bringen, ist Ziel der drei Kooperationspartner“, unterstrich der Generalvikar des Bistums Münster, Norbert Kleyboldt. „Im Vergleich mit den internationalen Spitzenwerken wird sich dem Publikum das hohe Niveau der westfälischen Werke erschließen.“
LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch betonte: „Unsere Kuratoren konnten wertvolle Stücke wie den Marienschrein aus Tournai in Belgien, die Thronende Muttergottes aus Walcourt, den Sifridus-Kelch aus dem finnischen Borga und vergoldete Emailplatten aus dem British Museum als Leihgaben gewinnen. Das macht uns stolz und wir hoffen, viele Besucher in unsere Museen zu locken.“ Vom Kunstverstand der Westfalen zeugten Schätze wie der Cappenberger Barbarossa-Kopf, das wohl erste Porträt des Mittelalters, das Borghorster Stiftskreuz und einzigartige Reliquienstatuetten aus dem Domschatz wie die der Heiligen Agnes. Kirsch: „Mit diesen Werken glänzt Westfalen.“
Kulturstaatssekretär Prof. Klaus Schäfer sagte: „Die Ausstellung ,Goldene Pracht‘ geht den Spuren einer hochrangigen Kunstgattung nach und macht ein bedeutendes Kapitel der europäischen Kulturgeschichte für ein breites Publikum anschaulich. Sie trägt damit dazu bei, das Geschichtsbewusstsein in Nordrhein-Westfalen und die kulturelle Identität in Westfalen zu stärken. Das unterstützen wir gern. Außerdem freut uns, dass das Thema der Ausstellung für Kinder und Jugendliche faszinierend ist und sich gut für die kulturelle Bildung eignet. Dieser Aspekt wird mit Landesmitteln besonders gefördert.“
„Die Kunstschätze berichten uns von einer fremd gewordenen christlichen Frömmigkeit“, erläuterte Historiker Althoff. „Als Gegenleistung für wertvolle irdische Gaben erhofften sich die Menschen des Mittelalters das Seelenheil und dass Gott ihre Zeit im Fegefeuer verkürze.“ Das kostbarste Material, das Gold, sei gerade gut genug gewesen, um Gott und die Heiligen zu ehren. „Die Ausstellung wird komplexe Themen wie das mittelalterliche Stiftungswesen einer breiten Öffentlichkeit vermitteln. Das ist ein wichtiges Ziel des Exzellenzclusters und der beiden Museen.“ Weitere Leitthemen der Schau lauten Schreine und Kathedralen, die Symbolik der Farbe Gold, Prachtentfaltung und Reliquienkult, Goldschmiede und Werkstätten, Schatz und Schicksal.
Interdisziplinäres Projekt
Kennzeichen des Projektes ist die interdisziplinäre Herangehensweise: „Durch die Zusammenarbeit der Museen mit dem Exzellenzcluster ist es gelungen, kunsthistorische Blickwinkel mit historischen und theologischen Perspektiven zu vereinen“, sagte der Direktor der Domkammer, Dr. Udo Grote. „So verdeutlicht die Schau den künstlerischen Rang der Werke genauso wie das historische und soziale Umfeld, in dem sie entstanden. Mit den beiden Ausstellungsorten LWL-Landesmuseum und Domkammer können wir mehr Exponate zeigen, als es an einem Standort der Fall gewesen wäre.“
„Die Ausstellung bietet einen spannenden Rundgang durch zwölf Räume“, sagte der Direktor des LWL-Landesmuseums Dr. Hermann Arnhold. „Er beginnt mit der Bedeutung der Farbe Gold, die Sinnbild für das Ewige und Göttliche war, und endet mit der vielschichtigen Bedeutung des Kirchenschatzes, der auch immer von Zerstörung bedroht war.“ Weitere Räume befassen sich mit den frühen Stiftungen im 10. bis 12. Jahrhundert, dem Goldschmiedezentrum Osnabrück und dem künstlerischem Austausch zwischen Malern, Bildhauern und Goldschmieden in Münster, dem Wettstreit um den Kirchen- und Stadtpatron Patroklus in Soest und einzigartigen silbernen Heiligenstatuetten der Gotik. „Die Schau verdeutlicht auch den liturgischen Gebrauch der Werke und lädt in die Welt der Goldschmiede ein.“ Deren seit Jahrhunderten unveränderte Arbeit ist auch in Workshops im Goldenen Pavillon auf dem Domplatz zu sehen.
Wichtige Produktionsstätten der Goldschmiedekunst in Westfalen waren zunächst unter anderem die Bischofssitze Münster, Paderborn und Osnabrück, wie Dr. Petra Marx, Kuratorin im LWL-Landesmuseum, beim Rundgang erläuterte. Ab dem 13. Jahrhundert entstanden die Werke auch zunehmend in den erblühenden Hansestädten Soest und Dortmund. „Der Beckumer Prudentia-Schrein, in westfälischer Produktion entstanden, wird neben dem berühmten Marienschrein aus Tournai erstrahlen, der aus der Werkstatt des Goldschmieds Nikolaus von Verdun stammt, der auch wesentlich am Dreikönigsschrein im Kölner Dom mitwirkte.“
Die weltweit älteste Monstranz
„Die Ausstellung zeigt einerseits sakrale Stücke wie die weltweit älteste Monstranz aus der Abtei Herkenrode in Belgien, andererseits weltliche Stücke wie das einzigartige Ratssilber aus Osnabrück oder filigranen Schmuck für die städtische Kundschaft“, so Marx. Bistums-Kurator Holger Kempkens fügte hinzu: „Viele Stücke holen wir erstmals aus dem Verborgenen. So werden die Apostelfiguren vom Hochaltar des münsterischen Doms nach Jahrzehnten zum ersten Mal aus der Nähe zu sehen sein. Andere Werke wie der Sifridus-Kelch aus dem finnischen Borga, der im 30-jährigen Krieg (1618-1648) aus dem Osnabrücker Schatz verschwand, sind nur sehr selten in Deutschland zu bewundern.“ Neben der Goldschmiedekunst präsentiert die Schau auch Skulpturen, Tafelbilder, Buchmalerei, liturgische Gewänder und Schriftstücke. Sie veranschaulichen den künstlerischen Rang, die Symbolik und die vielschichtige Bedeutung der Goldschmiedewerke.
Mittelalter als kulturelle Blütezeit Westfalens
Die Kuratoren konnten für die Ausstellung 240 Exponate aus Museen, Bibliotheken und Kirchen in der Schweiz, in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Finnland zusammentragen. 220 Leihgaben stammen aus Deutschland, etwa aus den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz in Berlin (Kunstgewerbemuseum, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst) und dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. 180 Ausstellungsstücke kommen aus westfälischen Kirchen, Klöstern, Archiven und Museen. Die Ausstellung schreibt ein Stück westfälischer Geschichte neu, wie Althoff erläuterte. „Das Spätmittelalter stellt sich hier nicht als Zeitalter des Niedergangs dar, sondern als kulturelle Blütezeit: Ein selbstbewusstes Bürgertum stiftete aus tiefer Frömmigkeit hochwertige Kreuze, Kelche oder Schreine. Einige Klischees über die Provinzialität der Westfalen lassen sich im Licht der ‚Goldenen Pracht‘ über Bord werfen.“
Umfassendes Rahmenprogramm
Die Ausstellung wird während der gesamten Laufzeit durch ein umfassendes Rahmenprogramm aus Vorträgen, Filmen, Mitmach-Workshops für Kinder und Erwachsene und dem Musikfestival „Musica Sacra“ begleitet, so der Leiter des Ausstellungsprojektes, Dr. Olaf Siart. Finanziert wurde das Projekt aus Mitteln des Exzellenzclusters „Religion und Politik“, des Bistums Münster und des LWL. Unterstützung erhielt es außerdem von der LWL-Kulturstiftung, der Kunststiftung NRW, dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, der Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial Versicherung, der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung.
Die Verbindung von Forschung und Kunstvermittlung spielte für die Kunststiftung NRW eine wichtige Rolle, so Dr. Barbara Könches, Fachbereichsleiterin der Kunststiftung NRW: „Mit dieser Ausstellung kann die Institution Museum ihre doppelte Funktion als Stätte der Forschung einerseits und als Stätte der Kunstvermittlung andererseits exzellent unter Beweis stellen. Dies gelingt in Kooperationen wie dieser vorbildlich - ein Gewinn für Universität und Museen und damit für den Ausstellungsbesucher in jeglicher Hinsicht.“ (vvm/ska)