Die Frage nach dem „Dazwischen“
Workshop über das Verhältnis von Literatur und Geschichtsschreibung in der Vormoderne
Mit „Fakten und Fiktionen“ in der Literatur und Geschichtsschreibung der Vormoderne hat sich ein interdisziplinärer Workshop am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ befasst. Germanisten und Historiker untersuchten das Verhältnis von Literatur und Geschichtsschreibung in der Vormoderne.
Der Workshop „Zwischen Fakten und Fiktionen“ zeigte die unterschiedlichen Perspektiven, von denen aus Literatur- und Geschichtswissenschaftler auf das Verhältnis der Textsorten blicken. Während sich die Germanistik vor allem dafür interessiert, zu welchem Zeitpunkt sich die Literatur aus ihren „heilsgeschichtlichen Vorgaben“ löste und man von „autonomer Fiktionalität“ sprechen kann, blicken Historiker eher auf die Teile der Geschichtsschreibung, die nach heutiger Maßgabe fiktional erscheinen. Dass sich die beiden Disziplinen durch ihre Erkenntnisse gegenseitig befruchten können, war bislang häufig übersehen worden.
Neben Münsteraner Forschern aus dem Exzellenzcluster, dem Germanistischen Institut und dem Historischen Seminar waren hochkarätige Gäste von außerhalb eingeladen: Prof. Dr. Fritz Peter Knapp (Heidelberg) resümierte wichtige Ergebnisse aus seiner 30-jährigen Forschung zur Fiktionalitätsthematik. Am Abend sprach der renommierte germanistische Mediävist Prof. Dr. Jan-Dirk Müller (München) in einem öffentlichen Vortrag über die „Freiheit des Fingierens“. Er stellte einflussreiche Thesen aus seiner ebenfalls langjährigen Forschungstätigkeit zu dieser Frage vor.
PD Dr. Martin Clauss (Regensburg) unterbreitete auf der Tagung einen Vorschlag, wie sich durch Einsatz eines literaturwissenschaftlichen Modells historische Erkenntnis gewinnen lässt. Angereist war auch Prof. Dr. Mathias Herweg (Karlsruhe), der sich mit einem Beitrag zum enzyklopädischen Erzählen in einen Grenzbereich zwischen beiden Disziplinen verortete. Prof. Dr. Steffen Patzold (Tübingen) und Prof. Dr. Christiane Witthöft (Kiel) waren für Moderationen und Diskussionsbeiträge nach Münster gekommen.
Der Workshop „Zwischen Fakten und Fiktionen“ ist aus einer Arbeitsgruppe am Exzellenzcluster hervorgegangen. Die Nachwuchswissenschaftler Daniel Lizius, Kristina Rzehak und Merle Schütte, Doktoranden der Graduiertenschule aus den Fächern Mittelalterliche Geschichte und Germanistische Mediävistik, organisierten die Veranstaltung. Sie wollen die interdisziplinäre Arbeit zur Frage von Fakten und Fiktionen fortführen und dabei nach Möglichkeit über die beiden bislang beteiligten Fächer hinausgehen. (Daniel Lizius, Kristina Rzehak und Merle Schütte)