Religiöse Mission mit politischer Agenda
Internationaler Cluster-Workshop untersucht Einfluss von Missionszeitschriften im 19. Jahrhundert
Mit dem Verhältnis von Religion und Politik in christlichen Missionsvorhaben des 19. Jahrhunderts hat sich der internationale Workshop „Politics within nineteenth-century missionary periodicals“ am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ in Münster beschäftigt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sieben Ländern diskutierten über Missionsorganisationen als soziale Netzwerke. Diese Netzwerke waren im 19. Jahrhundert lokal angelegt, übten aber weltweit Einfluss aus. Missionszeitschriften spielten hierbei eine große Rolle, wie der von den Historikerinnen Dr. Felicity Jensz und Hanna Acke aus der Graduiertenschule des Exzellenzclusters veranstaltete Workshop zeigte.
Im Fokus der Tagung standen die Gemeinden und Gemeinschaften, die Missionare aussandten und unterstützten, sowie die Missionsstationen in den Zielländern. Durch den Austausch zwischen beiden und mit weiteren Missionsorganisationen in vielen Teilen der Welt wurde die Mission laut Historikerin Jensz zu einem globalen Projekt. Die Zeitschriften, die die Gesellschaften herausgaben, waren nach Einschätzung der Forscher eine Art Arena, in der alle Fäden zusammenliefen und in der die Identität der Gemeinschaft geschaffen wurde. Die TeilnehmerInnen des Workshops nutzten dieses Genre nicht nur als historische Quelle, sondern untersuchten zugleich, welche Auswirkungen die Zeitschriften auf die Missionsbewegung hatten.
An der zweieinhalbtägigen Veranstaltung im Dezember nahmen Experten aus Australien, Deutschland, England, Polen, Südafrika, Taiwan und den Vereinigten Staaten teil. Sie erörterten insbesondere, wie die Form und Funktion der regelmäßig erscheinenden Zeitschriften das Spannungsverhältnis zwischen der transnationalen Ausrichtung der Mission und ihren nationalen bis nationalistischen Tendenzen spiegelte und prägte. Die Mission, so das Ergebnis der Wissenschaftler, kann sowohl als ein religiöses Projekt mit politischer Agenda als auch als ein politisches Projekt mit religiöser Agenda gesehen werden. In vielerlei Hinsicht profitierten die Organisationen demnach von kolonialen Machtverhältnissen und legitimierten diese auch teilweise, indem ihre Bemühungen, die Menschen in den Kolonien zu evangelisieren, als „Zivilisieren“ bezeichnet wurden.
Die Mission nur als eine Form des Kolonialismus zu sehen, greift jedoch zu kurz – darüber waren sich Jensz und Acke mit den übrigen TeilnehmerInnen einig. Die religiösen Motivationen der Beteiligten dürfen laut den Experten nicht außer Acht gelassen werden. In den Missionszeitschriften konstruierten und verbreiteten Herausgeber und Autoren gemeinsam die religiöse, politische und nationale Identität der Gemeinschaft. (Felicity Jensz und Hanna Acke)