Glaubenskämpfe auch auf dem Feld der Sprache?
Tagung zur Frühen Neuzeit untersucht Einfluss der Konfessionen auf die Sprachpraxis
Die Religion hat laut Germanist Prof. Dr. Jürgen Macha weit mehr Einfluss auf die deutsche Sprache ausgeübt, als gemeinhin angenommen wird. „Protestanten und Katholiken der Frühen Neuzeit teilten zwar die gemeinsame deutsche Sprachgrundlage, grenzten sich aber in ihrer konkreten Text- und Kommunikationspraxis durchaus voneinander ab“, sagte der Wissenschaftler am Montag in Münster. Mit dem Einfluss der Konfessionen auf die Sprache beschäftigt sich die interdisziplinäre Tagung „Konfession und Sprache in der Frühen Neuzeit“ am Exzellenzcluster „Religion und Politik“, zu der Prof. Macha internationale Wissenschaftler von Mittwoch bis Freitag nach Münster eingeladen hat.
„Die Unterschiede reichen von Textstrategien über die Wortwahl bis hin zu bestimmten Schreibweisen“, sagte der Experte. So deute einiges darauf hin, dass sich vom 16. bis zum 18. Jahrhundert erkennbar konfessionstypische Argumentations- und Formulierungsstandards etabliert hätten. Auch der „kultnahe Wortschatz“ zeige zwischen den antagonistischen Glaubensrichtungen zum Teil erhebliche Differenzen. Selbst scheinbar belanglose Details wie der Unterschied, ob das Wort „Predigt“ mit einem „t“ endete wie bei den Protestanten oder ob „Predig“ reichte wie bei den Katholiken, waren bisweilen Auslöser für erhebliche Irritationen.
Die Zeitgenossen diskutierten laut Prof. Macha, wo „das beste Teutsch zu finden“ sei und wie man überhaupt richtig schreibe. „Für die Schulen war die Sache klar: Je nach weltanschaulicher Ausrichtung diente entweder Martin Luther mit seiner Bibel sowie seinem Katechismus oder Petrus Canisius mit seinem Katechismus als wichtige Richtschnur.“ Aber was machten zum Beispiel die Poeten, etwa Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, zwischen den konfessionellen Fronten? Mit solchen Fragen beschäftigen sich Historiker und Germanisten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien in Münster. Neben geistlich geprägten Quellen wie Predigten und Inschriften nehmen sie auch weltliche Textsorten in den Blick. Aus der Perspektive von Germanistik, Geschichtswissenschaft und Epigraphik soll der Stellenwert von Sprache präzisiert und die wissenschaftliche Aufmerksamkeit mehr als bisher auf das Thema Sprache und Konfession in der Frühen Neuzeit gelenkt werden.
Prof. Dr. Jürgen Macha leitet am Exzellenzcluster das Forschungsprojekt C19 „Zwischen Religion und Politik: Konfessionalisierung der Sprache in der Frühen Neuzeit?“ Die von seiner Forschergruppe organisierte Tagung „Konfession und Sprache in der Frühen Neuzeit“ findet im Stadthotel Münster, Aegidiistraße 21, und im Germanistischen Institut am Hindenburgplatz 34 statt. (bhe/vvm)