„Pfeiffers vorsichtige Interpretation ist richtig“
Studie zur Gewalt junger Muslime deckt sich mit Münsteraner Forschungen
Nach der Veröffentlichung einer Studie über die Gewaltbereitschaft junger Muslime erhält Kriminologe Prof. Dr. Christian Pfeiffer Unterstützung von Religionssoziologinnen der Universität Münster. „Seine vorsichtige Interpretation deckt sich mit den Zwischenergebnissen unserer Forschungen am Exzellenzcluster ‚Religion und Politik‘“, sagten Dr. Christel Gärtner und Zehra Ergi am Dienstag in Münster. Der neuen Studie zufolge sind zehn Prozent der sich als „sehr religiös“ einschätzenden muslimischen Jugendlichen gewaltbereiter als andere. Daraus lasse sich, so Gärtner, jedoch nicht schließen, dass islamische Religiosität direkt zu mehr Gewaltbereitschaft führe, der Zusammenhang sei viel komplexer. „Die noch sehr jungen Jugendlichen reproduzieren vielmehr Weltanschauungen und Geschlechtervorstellungen aus ihren Herkunftsmilieus.“ Inwieweit dabei Gewaltbereitschaft auf konservative, kulturelle oder religiöse Muster, die Eltern und Moscheegemeinden den Jugendlichen vermitteln, zurückzuführen sei, müsse noch genauer untersucht werden.
Jugendliche Reaktion auf wachsendes Misstrauen
Gärtner und Ergi führen im Rahmen des Exzellenzclusters Einzelgespräche und Gruppeninterviews mit muslimisch geprägten Jugendlichen in verschiedenen Gebieten Deutschlands. Die bisherigen Erhebungen der Soziologinnen bestätigen auch Pfeiffers Vermutung, dass die Jugendlichen auf das wachsende Misstrauen von Deutschen gegenüber dem Islam reagieren. Aggression stelle somit eine mögliche Antwort auf die Erfahrung dar, als religiöser Mensch diskriminiert zu werden. „Junge Muslime, die weniger sichtbar religiös sind, werden wohl eher akzeptiert.“ Wenn Diskriminierungserfahrungen zum Beispiel mit der Minderung von Zukunftschancen und -perspektiven auf dem Arbeitsmarkt verbunden seien, könne dies Frustration und Gewaltbereitschaft hervorrufen.
Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) hatte unter Leitung von Christian Pfeiffer rund 45.000 Schüler im Alter von 14 bis 16 Jahren befragt, darunter gut 10.000 Migranten. Ein Ergebnis lautete, dass die Gewalttätigkeit junger, männlicher Muslime mit zunehmender Bindung an den Islam wächst. Pfeiffer erklärte, dafür sei nicht der Islam selbst verantwortlich. Problem sei vielmehr dessen Vermittlung. Der Wissenschaftler forderte eine „viel radikalere Integration“. Er verwies auch auf die Rolle der Imame in den Moscheen, die meist kein Deutsch sprechen könnten und keine positive Beziehung zur deutschen Kultur aufbauten. Islamverbände forderten nach Veröffentlichung der Studie eine bessere Untersuchung der Ursachen des Phänomens.
Christel Gärtner ist Nachwuchsgruppenleiterin an der Graduiertenschule des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ und leitet das Projekt „Die Formation der gegenwärtigen Jugendgeneration in Deutschland – ostdeutsche, westdeutsche und Jugendliche muslimischer Herkunft im Vergleich“. Zehra Ergi erforscht als Mitglied der Graduiertenschule „Die soziale, kulturelle und politische Identitätsbildung von türkischstämmigen Jugendlichen der gegenwärtigen Generation in Deutschland“. (vvm)