Deutsch

Sachtexte verstehen im Deutschunterricht – Ein Praxisprojekt zur Professionalisierung von Lehramtsstudierenden im Bereich heterogenitätssensibler Leseförderung im Deutschunterricht

Lesekompetenz und ihre Förderung ist eine kulturell wichtige und übergeordnete Bildungsmaßgabe. Dementsprechend formulierte die ständige Konferenz der Kultusminister der Länder bereits im Jahr 2001 sieben Handlungsfelder zur Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Schule, die unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung der Lesekompetenz vorsahen (vgl. KMK, 2002). Leseförderung stellt insbesondere im Kontext inklusiver Programmatiken bis heute sowohl in der Erforschung als auch in der unterrichtspraktischen Umsetzung ein Desiderat dar (vgl. Artelt, 2007).
In dem skizzierten bildungspolitischen und bildungswissenschaftlichen Kontext situiert sich die im Einzelprojekt ‚Deutsch‘ verfolgte Zielperspektive Professionalisierung von Lehramtsstudierenden im Bereich heterogenitätssensibler Leseförderung im Deutschunterricht innerhalb der Deutschlehrkräftebildung. Als Lesestrategieprogramm wird das Lesetraining "Lesen(d) lernen" (Bönnighausen & Winter, 2012) als Teil des etablierten Förderkonzepts ‚Leseschule NRW‘ in das Projekt eingebracht und durch heterogenitätssensible Maßnahmen und Förderkonzepte zur Verbesserung des Textverstehens ergänzt.
Das universitär angebotene Projektseminar zum fachlichen Gegenstand ‚Textverstehen in heterogenen Schülergruppen‘ umfasst eine Theoriephase und eine Praxisphase. Die angehenden Deutschlehrkräfte werden in der Theoriephase in die strategiebasierte Erschließung von Sachtexten gemäß dem Lesestrategie-Programm "Lesen(d) Lernen" als Maßnahme zur Förderung des Textverstehens eingeführt.
Die Fokussierung auf Sachtexte (im Unterschied zu literarischen Texten und Fachtexten) (vgl. Baurmann, 2009) ermöglicht einen Anschluss an die operative Lerntheorie (Grzesik, 2005) und das kognitivistische Modell nach Kintsch (1988), das die Anwendung von Lesestrategien als grundlegende operative Fähigkeit der Lesenden sowie als systematisch vermittelbar und erlernbar ausweist. Das Strategietraining vermittelt allgemeine Lesestrategiefähigkeiten und ist der sogenannten Intermediate Literacy als Teil der Content Area Literacy (vgl. Shanahan & Shanahan, 2012) zuordnen.
Eine weitere Seminarkomponente bildet die theoriebasierte Auseinandersetzung mit Schülerheterogenität im Bereich Textverstehen und Instrumenten der Erfassung von Lesekompetenz sowie das Kennenlernen von differenzierenden Maßnahmen in Bezug auf Methodik und Materialien. In Zusammenarbeit mit Lehrpersonen bringen die Studierenden die von ihnen weiterentwickelten und adaptierten Lernumgebungen in der Praxisphase in Kooperationsschulen zur Durchführung. In der nachgelagerten Reflexion der Praxiserfahrungen erfolgt die Rückbindung an die im Seminar erworbenen und theoretischen und methodischen Kenntnisse gemäß eines im Teilprojekt entwickelten Modells (vgl. Krüger & Winter, 2019). Parallel zur Praxisphase wird das Kooperationsformat beständig reflektiert und ggf. modifiziert.
Das Praxisprojekt wird in verschiedenen Ebenen laufend formativ und summativ evaluiert (vgl. die Darstellungen der Begleitforschung unter Evaluationen und Bönnighausen & Winter, 2019). Die Erschließung weiterer Gegenstandsfelder zum Textverstehen im Deutschunterricht – wie die Erarbeitung von systematischen Lesestrategien für literarische Texte – befindet sich in Planung.

Poster zum Projektstand (Mai 2019)

Literatur

Artelt, C. et al. (2007). Förderung der Lesekompetenz. Expertise. Hrsg. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Bonn, Berlin. (Online unter: https://www.bmbf.de/pub/Bildungsforschung_Band_17.pdf; abgerufen: 27.06.2018)

Baurmann, J. (2009). Sachtexte lesen und verstehen: Grundlagen – Ergebnisse – Vorschläge für einen kompetenzfördernden Unterricht. Seelze: Friedrich Verlag.

Bönnighausen, M. & Winter, K. (2019). Sachtexte verstehen in heterogenen Schulklassen. Theoretische Grundlagen, Konzeption und Evaluation des Praxisprojekts Deutsch. In M. Bönnighausen (Hrsg.), Praxisprojekte in Kooperationsschulen. Fachdidaktische Modellierung von Lehrkonzepten zur Förderung strategiebasierten Textverstehens in den Fächern Deutsch, Geographie, Geschichte und Mathematik (S. 59-105). Münster: WTM-Verlag.

Bönnighausen, M. & Winter, K. (2012). Lesen(d) lernen. Texte besser verstehen. Ein Trainingsprogramm. Bottrop: Henselowsky Boschmann.
Grzesik, J. (2005). Texte verstehen lernen. Neurobiologie und Psychologie der Entwicklung von Lesekompetenzen durch den Erwerb von textverstehenden Operationen. Münster/New York: Waxmann

Kintsch, W. (1988). The role of knowledge in discourse comprehension. A construction-integration-model. Psychological Review, 95, 163-182.
KMK (2002). PISA 2000 – Zentrale Handlungsfelder. Zusammenfassende Darstellung der laufenden und geplanten Maßnahmen in den Ländern. (Online unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2002/2002_10_07-Pisa-2000-Zentrale-Handlungsfelder.pdf; abgerufen: 27.06.2018)

Krüger, S. & Winter, K. (2019). Theorie-Praxis-Reflexion. In M. Bönnighausen (Hrsg.), Praxisprojekte in Kooperationsschulen. Fachdidaktische Modellierung von Lehrkonzepten zur Förderung strategiebasierten Textverstehens in den Fächern Deutsch, Geographie, Geschichte und Mathematik (S. 49-56). Münster: WTM-Verlag.

Shanahan, T. & Shanahan, C. (2012). What is Disciplinary Literacy and Why Does It Matter? Top Lang Disorders, 32(1), 7-18.