Text-Bild-Kombinationen lesen im Biologieunterricht –
Lehren und Lernen mit Unterrichtsmaterialien (konzipiert auf der Basis von Schulbuchtexten)

Text-Bild-Kombinationen (TBK) sind für das Lernen im Unterrichtsfach Biologie zentral, aber mit hohen Anforderungen verknüpft (vgl. Ziepprecht, 2016; Beck, 2017). Denn das Erschließen erfordert Fähigkeiten und Fertigkeiten sowohl im Umgang mit dem schriftlichen Material (verbale Lesefähigkeit) als auch im Umgang mit den Bildern (piktoriale Lesefähigkeit) (Schnotz, 2002). Bilder kommen zudem in Biologieschulbüchern besonders variantenreich und mit verschiedenen Abstraktionsgraden vor (vgl. Brandstetter-Korinth 2017), insbesondere weil sie häufig verschiedene Organisationsebenen berühren. Hinzu kommt, dass auch noch der Zusammenhang zwischen Text und Bild hergestellt, die jeweiligen Informationen abgeglichen und zusammengeführt werden müssen (Ainsworth, 2006; Schnotz & Bannert, 2003).
Dennoch können TBK das Lernen erheblich erleichtern, wenn es den Lernenden gelingt, ihren Leseprozess so zu gestalten, dass sie die in Text und Bild enthaltenen Informationen adäquat aufeinander beziehen.
„Tatsächlich haben viele Studien gezeigt, dass die Präsentation von Lerninhalten durch Texte und ergänzende Abbildungen meist zu besseren Lernleistungen führt als die alleinige Darstellung durch Texte“ (Baadte und Schnotz, 2012, S. 35).
Dieser positive Einfluss wird als Multimedia Effekt bezeichnet (vgl. dazu Mayer, 2014; Schnotz, 2014). Lernende müssen beim Lesen von TBK in der Regel selbstständig entscheiden, ob mit dem Bild oder dem Text begonnen werden soll, wann welcher Textabschnitt bzw. welcher Bildteil gelesen werden muss und wie die Informationen aus Text und Bild zueinander in Beziehung zu setzen sind. Für viele stellt dies eine Überforderung dar, weil Ihnen gezielte, fachspezifische Strategien fehlen. Zudem können bestimmte Gestaltungsmerkmale von TBK das Lesen erschweren, wie z. B. im Text fehlende Verweise auf das Bild, die Verwendung unterschiedlicher Termini in Text und Bild und die u. U. weite räumliche Entfernung zwischen Bild und Text (vgl. Drumm, 2017). Nach der Cognitive Load Theorie führt all das zu einer Überlastung der begrenzten Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses (Bay et al., 2016), die es zu vermeiden gilt.


Am Zentrum für Didaktik der Biologie werden daher in Zusammenarbeit mit Lehrkräften an Kooperationsschulen theoriegeleitet Unterrichtsmaterialien entwickelt und erprobt (z. B. Lumer & Wlotzka, 2019). Bei deren Konzeption spielen neben Ergebnissen naturwissenschaftsdidaktischer Forschung und den Erkenntissen psychologischer Lehr-Lern-Forschung zu Mediendesignprinzipien (Seufert & Brünken, 2018) vor allem lesedidaktische Überlegungen eine Rolle, die durch gezielte, an den Fachinhalt angepasste Leseaufträge auf das Ansteuern kognitiver wie metakognitiver Lesestrategien (Philipp, 2016) abzielen und so den fachlichen Erkenntnisprozess befördern. Denn Textverstehen und ein strategischer Umgang mit Texten (hier: TBK) müssen
„als ein Teil fachlichen Kompetenzerwerbs gesehen werden, bei dem immer auch die fachlichen Kommunikations- und Denkweisen zu berücksichtigen sind“ (Bönnighausen et al., 2019, S. 22).
Diese Materialien werden auch in der Lehrveranstaltung „Sprachsensibles Unterrichten fördern in der Biologie“ an der Hochschule eingesetzt. Angehende Biologielehrkräfte werden damit für die Notwendigkeit der Vermittlung fachspezifischer, strategischer Zugriffsweisen auf TBK sensibilisiert und ihre Kompetenzen zur eigenständigen Entwicklung entsprechender Materialien werden geschult (ausführlich in Lumer & Winter, 2019). Sie sollen vor allem lernen, in ihrem künftigen Unterricht derart didaktisierte Materialien so gezielt einzusetzen, dass die Lernenden zu einer selbstständigen Auswahl und Anwendung fachspezifischer Strategien befähigt werden, also eine TBK gewinnbringend lesen können, ohne dass sie aufbereitet und mit Aufgaben versehen präsentiert wird.
Mit dieser Perspektive entwickeln die Studierenden erste, eigene Materialien auf der Basis ausgewählter Schulbuchtexte für die Sekundarstufe II, die mit den Seminarbeteiligten erprobt und diskutiert werden. Einige dieser Materialentwürfe werden als Theorie-Praxis-Übergang im Praxissemster als Studienprojekt im Sinne des forschenden Lernens weiterentwickelt, sodass mit den betreffenden Studierenden ihr Kompetenzzuwachs im Hinblick auf die Förderung fachlichen Textverstehens auf der Basis vielfältiger Erfahrung im Rahmen der Lehrveranstaltung „Praxisbezogene Studien“ reflektiert werden kann.

Literatur

Ainsworth, S. (2006). DeFT: A conceptual framework for considering learning with multiple representations. Learning and instruction, 16, S. 183-198.

Baadte, Ch. & Schnotz, W. (2012). Das Verstehen von Texten mit Bildern. Weiterbildung, 6, S. 35-37.

Bay, W. A., Thiede, B., Wirtz, M. A. (2016): Die Theorie der kognitiven Belastung (Cognitive Load Theory). In: Gretsch, P., Holzäpfel, L. (Hg.): Lernen mit Visualisierungen. Erkenntnisse aus der Forschung und deren Implikationen für die Fachdidaktik (S. 123134) Münster, New York: Waxmann Verlag GmbH.

Beck, C. (2017). Biologiespezifisches Bildverständnis beim Umgang mit multiplen externen Repräsentationen – Entwicklung und Validierung eines Kompetenzmodells zur Integration von Diagrammen und Schemata. München: Universitätsbibliothek der Technischen Universität München, media TUM.

Bönnighausen, M., Handro, S., Krüger, S., Winter, K. (2019): Textverstehen. In: Bönnighausen, M. (Hg.), Praxisprojekte in Kooperationsschulen (S. 15 -28). Münster: WTM Verlag

Brandstetter-Korinth, M. (2017). Abbildungen im Biologieunterricht. Berlin: Logos Verlag.

Drumm, S. (2017). Sprachbildung im Biologieunterricht. Berlin: De Gruyter.

Lumer, J. & Winter, K. (2019). Herausforderungen und Chancen einer sprachsensiblen Textarbeit im Biologieunterricht - ein Lehr-Lern-Konzept. In: Danilovich, Y., Putjata, G. (Hg.), Sprachliche Vielfalt im Unterricht. Fachdidaktische Perspektiven auf Lehre und Forschung im DaZ-Modul (S. 47-77). Wiesbaden: Springer VS.

Lumer, J. & Wlotzka, P. (2019): Text- und Bildsprache verstehen. Den Fachsprachenerwerb mit Text-Bild-Kombinationen unterstützen. Unterricht Chemie 173, S. 28–35.

Mayer, R. E. (2014). Cognitive Theory of Multimedia Learning. In: Mayer, R. E. (Hg.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (S. 43-71). Cambridge: University Press.

Philipp, M. (2016): Lese- und Schreibstrategien. Zur Wichtigkeit und Wirksamkeit kognitiver Werkzeuge im Umgang mit schriftlichen Texten. In: SAL-Bulletin, Nr. 160, S. 5–16.

Seufert, T. & Brünken, R. (2018): Multi-Media. In: Rost, D. H., Sparfeldt, J. R., Buch, S. R. (Hg.), Handwörterbuch Pädagogische Psychologie (S. 575-582). Weinheim Basel: Beltz Verlag.

Schnotz, W. (2002). Wissenserwerb mit Texten, Bildern und Diagrammen. In: Information und Lernen mit Multimedia und Internet. Weinheim: Beltz, S. 64-81.

Schnotz, W. & Bannert, M. (2003). Construction and interference in learning from multiple representation. Learning and Instruction, 13(2), S. 141-156.

Schnotz, R. E. (2014). Integrated Model of Text and Picture Comprehension. In: Mayer, R. E. (Hg.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (S. 72-103). Cambridge: University Press.

Ziepprecht, K. (2016). Strategien und Kompetenzen von Lernenden beim Erschließen von biologischen Informationen aus unterschiedlichen Repräsentationen. Berlin: Logos.

Kontakt: Dr. Jutta Lumer (Zentrum für Didaktik der Biologie, Schlossplatz 34, Raum 237, 48143 Münster, 0251 83-39148, lumer@uni-muenster.de)