Plakat Ruthner Foto

Vortrag mit  Prof. Dr. Clemens Ruthner (Trinity College Dublin)

Do, 14.01.2015, 18:15 - 19:45, Senatssaal (Schlossplatz 2)

"Thresholds & Transitions. Liminalität als heuristisches Konzept in den Literatur- und Kulturwissenschaften"

Liminalität - jener Zwischenzustand auf einer Schwelle, als Übergang zwischen zwei sonst klar von einander abgegrenzten Zuständen - ist ein Konzept des schottischen Anthropologen Victor Turner von 1964/69 in der Nachfolge von Arnold van Genneps Rites de passage (1909), das in den letzten Jahren verstärkt in den Humanities rezipiert worden ist. Als Denkfigur steht es Homi Bhabhas 'Drittem Raum' nahe, wie es auch als konstruktive Alternative zur Dekonstruktion nach Derrida und Paul de Man gedacht werden kann.

Clemens Ruthner bereitet zur Zeit ein englischsprachiges Buch zum Thema vor, in dem er testen möchte, wie das Konzept auf verschiedene Anwendungsfälle / Case Studies in den Literatur- und Kulturwissenschaften appliziert werden kann: z.B. auf das Konzept der Adoleszenz nach Freud in Sexualitätstexten der Wiener Jahrhundertwende; auf die Begegnung mit dem Gast und dem Fremden in der Antikenrezeption des 19. Jahrhunderts und im post/kolonialen Kontext (Xenologie); bei liminalen Regionen wie Zentraleuropa, der Balkan oder Istrien; etc.

In seinem Abendvortrag wird sich Clemens Ruthner einem Gebiet näher widmen, das er bis jetzt mehrfach versucht hat zu konzeptualisieren: der fantastischen Literatur. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit das Prinzip der Liminalität gleich mehrfach einen wichtigen Faktor in der Konstituierung des Genres darstellt, bzw. inwieweit Fantastik (etwa mit ihrer 'untoten' Schlüsselfigur, dem Vampir) ein Medium zur lese'rituellen' Simulation und Bewältigung von Liminalität ist - so wie möglicherweise Fiktion generell.


Dr. Clemens Ruthner arbeitete und forschte schon an Universitäten in Österreich, Belgien, Bosnien-Herzogovina, Kanada, Ungarn und den USA. Er hat seit 2008 eine Assistenzprofessur in German and European Studies am Trinity College in Dublin inne. Österreichische Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, Europastudien, postkoloniale Studien, „Otherness“ in Ethnizität, Geschlecht, Fremdheit und Monstrosität, sowie komparatistische, literatur- und kulturwissenschaftliche Ansätze zählen zu seinen Forschungsschwerpunkten. Zurzeit schreibt er an seinem Buch „Habsburg's Dark Continent: Postcolonial Approaches to Austrian Literature and Culture in the Long 19th Century” (Tübingen: A. Francke, 2016).


Am nächsten Tag wird sich eine Masterclass der GS PoL "Poetik der Liminalität" näher mit diesem Thema befassen.