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"Sprachnachrichten werden oft als Spektakel gestaltet"

Germanistin Dr. Katharina König untersucht WhatsApp-Kommunikation
Portrait Dr. Katharina König
Dr. Katharina König
© Uni MS - privat

Eine neue Form der Kommunikation findet vor allem unter Schülern und Studierenden immer mehr Anklang: die Sprachnachricht. Nutzer von Messenger-Diensten wie WhatsApp nehmen ihren gesprochenen Text per Smartphone auf und versenden die Audiodatei an den oder die gewünschten Adressaten. Dr Katharina König, Koordinatorin des Centrums Sprache und Interaktion an der WWU, hat mehr als 240 Sprachnachrichten untersucht und möchte ihre Forschung ausbauen. Theo Körner sprach mit der Wissenschaftlerin über erste Ergebnisse, über Ziele und die Zukunft des Projekts.

Was hat Sie auf die Idee gebracht, sich mit Sprachnachrichten zu befassen?

Mein Forschungsschwerpunkt am Centrum Sprache und Interaktion, das von Prof. Dr. Susanne Günthner geleitet wird, liegt in der Erforschung von Strukturen der gesprochenen Sprache. Wir haben bereits früh begonnen, uns mit der Sprache der SMS- und WhatsApp-Kommunikation zu befassen. Diese ähnelt stilistisch oft der gesprochenen Sprache, zum Beispiel bei sogenannten Vorfeld-Ellipsen wie „kann heute nicht kommen“, bei denen das Personalpronomen zu Beginn des Satzes ausgelassen wird. Als dann das Aufnehmen und Verschicken von Sprachnachrichten, die von den Nutzern auch als Sprachmemo oder Audio-Nachricht bezeichnet werden, über WhatsApp einfacher wurde und sich unter Studierenden immer mehr verbreitet hat, wurde ich auf diesen speziellen Nachrichten-Typus aufmerksam.

Wer hat Ihnen die Sprachnachrichten, bei denen es sich um sehr persönliche Daten handelt, zur Verfügung gestellt?

Die Daten haben mir vor allem Schülerinnen und Schüler sowie Studierende zur Verfügung gestellt. Bei diesen Gruppen scheint es sich nach dem jetzigen Erkenntnisstand auch um die Hauptnutzer zu handeln. Die Sammlung umfasst aber auch Sprachnachrichten, die deren Eltern geschickt haben. Es sind also nicht nur Jugendliche, die Sprachnachrichten verschicken. Alle Personen, die bei den Nachrichten zu hören sind, haben uns natürlich zuvor ihr Einverständnis gegeben, dass wir die Dateien für die Forschung verwenden können.

Was haben Sie im Einzelnen untersucht?

Die Forschung steckt auf diesem Feld noch in den Kinderschuhen, und auch ich fange im Rahmen eines Forschungsprojekts gerade erst an, die Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten zu erschließen. Zunächst könnte man erwarten, dass Sprachnachrichten Anrufbeantworter-Nachrichten ähneln. Die spricht man auch ein, ohne eine unmittelbare Reaktion der angerufenen Person zu bekommen. Bei den Sprachnachrichten zeigt sich aber, wie wir es bei unseren Untersuchungen festgestellt haben, ein ganz anderes Muster: Auf eine Sprachnachricht folgt oft eine andere, auf die wieder mit einer weiteren Sprachnachricht reagiert wird. So entstehen regelrechte Sprachnachrichten-Dialoge.

Zu welchen weiteren Ergebnissen kommen Sie bislang?

Sprachnachrichten werden oft als kleine Spektakel gestaltet: Wichtig ist nicht nur, was gesagt wird, sondern auch, wie etwas vorgetragen wird. Die Nutzer singen, sprechen leise oder laut, um Langeweile oder Aufregung auszudrücken. Gern lassen sie auch andere Sprecher zu Wort kommen. Und manchmal sind gar keine Stimmen zu hören, sondern nur Geräusche, beispielsweise von einer gut besuchten und lauten Party.

Worauf richtet sich Ihr Interesse in der weiteren Forschung?

Noch wissen wir wenig darüber, wie die Sprecher in ihren Nachrichten auf vorherige Nachrichten reagieren. Bei längeren Nachrichten zeigt sich, dass die Nutzer die Gesprächsthemen nacheinander, fast wie bei einer Checkliste, abarbeiten. Wie genau das geschieht, muss aber weiter erforscht werden. Außerdem interessiert mich, ob sich bestimmte Gattungen von Sprachnachrichten ausbilden. Wie wird dort etwa erzählt? Wie werden Terminabsagen per Sprachnachricht übermittelt?

Gibt es bereits wissenschaftliche Untersuchungen zu Sprachnachrichten?

In linguistischen Untersuchungen werden Sprachnachrichten immer wieder als neuer Nachrichten-Typus erwähnt. Auch wird das Phänomen in zahlreichen Zeitungsartikeln und Forenbeiträgen diskutiert, zum Teil durchaus kontrovers. Einige WhatsApp-Nutzer lehnen beispielsweise Sprachnachrichten so sehr ab, dass sie sich – nach eigenen Angaben – weigern, diese abzuhören. Andere berichten davon, dass sie sich ein eigenes Archiv von Nachrichten anlegen, die sie immer wieder hören. Bislang liegt aber noch keine Studie vor, die auf Basis einer größeren Datensammlung untersucht, wie WhatsApp-Nutzer von dieser neuen kommunikativen Möglichkeit tatsächlich Gebrauch machen, wie sie Sprachnachrichten zusätzlich zu Text- oder Bildnachrichten verwenden.

Dr. Katharina König

Der Original-Artikel aus der „wissen│leben“

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