

Dissertationsprojekt
Die Polis und ihre Umwelt. Ein alternatives Modell der Genese von Stadtstaatlichkeit im antiken Griechenland (Arbeitstitel)
Im Angesicht aktueller Umweltkrisen des Anthropozän vermag es kaum zu überraschen, dass zur Erklärung historischen Wandels in zunehmendem Maße auch umweltgeschichtliche Fragestellungen herangezogen werden. Ein aus dieser Perspektive bisher wenig beleuchtetes, in der althistorischen Forschung allerdings zentrales Thema stellt die Entstehung der Polis im spätgeometrisch-archaischen Griechenland dar. In Anbetracht dieses Desiderats fragt das vorliegende Dissertationsprojekt nach den Möglichkeiten und Potentialen eines umweltgeschichtlichen Erklärungsansatzes für das Phänomen der Genese stadtstaatlicher Strukturen im antiken Griechenland. Im Zuge dessen werden die bisherigen Meistererzählungen, die sich auf Institutionalisierungsprozesse als Resultat sozialer Konflikteinhegung sowie die spatiale Ausdifferenzierung und Monumentalisierung des städtischen Raumes konzentrieren, um eine ökologische Perspektive erweitert, indem auf den Aspekt der aktiven Gestaltung der natürlichen Umwelt durch (proto-)politische Gemeinschaften in statu nascendi rekurriert wird. Jenseits eines simplen Ökodeterminismus wird hierbei das komplexe Geflecht von Interdependenzen zwischen Umweltfaktoren und menschlicher agency in den Fokus der Analyse gerückt.
Für die Anlage einer städtischen Siedlung mit ihren Versammlungsplätzen und Heiligtümern mussten u.a. Wälder gerodet, Steinbrüche und Wasserleitungen erschlossen, Sümpfe trockengelegt und Haine gepflanzt werden. Dabei stellt sich sowohl die Frage nach den relevanten Akteuren sowie den Interessen und kulturellen Vorstellungen, die diese mit der Gestaltung des jeweiligen Naturraumes verbanden, als auch diejenige nach dem Beitrag von Konkurrenzverhalten und Prestigestreben frühgriechischer Eliten zur Forcierung umweltgestalterischer Tätigkeiten; überdies ergeben sich Fragen nach dem erforderlichen Know-how und der konkreten Entschädigung der Arbeitskräfte in einer nicht-monetarisierten Gesellschaft. Die genannten Problemfelder führen zu der übergreifenden Leitfrage, inwiefern derartige Prozesse der gemeinsamen Umweltgestaltung einerseits zur Herausbildung eines bürgerschaftlichen Zugehörigkeitsgefühls beigetragen haben könnten; angesichts der zu prüfenden Notwendigkeit einer zentralisierten Koordination der genannten Projekte zur Umweltgestaltung sowie der Einhegung von hieraus resultierenden Machtpositionen wäre andererseits zu untersuchen, inwiefern durch besagte Prozesse zudem die Bildung stadtstaatlicher Führungs- und Kontrollinstanzen befördert worden sein könnte.
Bei der Bearbeitung der hier aufgeworfenen Fragen verwendet das Dissertationsprojekt einen archäohistorischen Ansatz, der sich durch eine umfassende Integration des jeweiligen schriftlichen, archäologischen und naturwissenschaftlichen Quellenbefundes auszeichnet. Die Analyse erfolgt dabei auf der Basis breit gestreuter Fallstudien zu einzelnen Stadtstaaten, wodurch der Diversität des griechischen Naturraums und der aus ihm heraus entstehenden politischen Topographien Rechnung getragen wird.
Betreuer: Prof. Dr. Hans Beck
Vita
Akademische Ausbildung
Seit 10/2024Promotionsstudium der Alten Geschichte, Universität Münster 10/2022- 09/2024Masterstudium des European Master in Classical Cultures, Universität Münster und Université Toulouse II – Jean Jaurès 10/2019-09/2022Bachelorstudium (Zwei-Fach-Bachelor) der Geschichte und Griechischen Philologie, Universität Münster und Nationale und Kapodistrias-Universität Athen (Erasmus-Aufenthalt) 10/2018 - 09/2019Studium der Rechtswissenschaft, Universität Münster 2018Abitur, Gymnasium Leoninum Handrup Beruflicher Werdegang
07/2019 - 12/2024 (mit Unterbrechungen für Auslandssemester)Studentische Hilfskraft am Seminar für Alte Geschichte, Universität Münster
Dabei seit 01/2024 Studierendenkoordinator des European Master in Classical Cultures.