Call for Papers

1. Tagungsthema
2. Themenfelder
3. Einreichungen
4. Zeitplan

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1. Tagungsthema

Politisch korrekte Kampagnen oder maximale Aufmerksamkeitsgenerierung durch gezielte Tabubrüche? Konsistente Kommunikation aus einem Guss oder Polyphonie? Kommunikation im Sinne des Auftraggebers oder der Öffentlichkeit? Haben die Ziele der Organisation Vorrang vor denen der Kommunikationsabteilung? Und wie sieht es bei einem Konflikt zwischen den Interessen von Mitarbeiter*innen und externen Stakeholder aus? Welche Perspektive ist wichtiger? Die Beispiele verdeutlichen: Strategische Kommunikation ist regelmäßig mit Konflikten zwischen unterschiedlichen Grund¬sätzen, Leitlinien oder Zielvorstellungen konfrontiert.

Im Spannungsfeld von Organisation, Gesellschaft und Öffentlichkeiten liegt die zentrale Herausforderung der strategischen Kommunikation darin, immer wieder neu zwischen verschiedenen Interessen zu vermitteln. In diesen Prozessen gilt es zu (er)klären, an welchen Werten und Zielen sich die Handlungen der Organisation und ihre Umgangsformen mit internen und externen Anspruchsgruppen orientieren sollen. Dabei liegt es auch in der Hand der strategischen Kommunikation zu entscheiden, wie und in welchem Umfang welche Partikularinteressen in die Vermittlung einfließen und inwiefern gemeinwohlorientierte Werte und Ziele Berücksichtigung finden.

In den wissenschaftlichen Diskursen der beiden letzten Jahrzehnte wurden Werte und Ziele der strategischen Kommunikation häufig aus funktionaler Perspektive und damit vornehmlich aus Sicht der kommunizierenden Organisation und ihrer Partikularinteressen betrachtet. Modelle des Stakeholder-Managements spiegeln diese Organisationszentrierung ebenfalls wieder (Freeman et al., 2010; Hallahan, 2000). Dialogische Ansätze (Burkart, 2008; Heath, 2001; Taylor & Kent, 2014) betonen zwar die moralische Verantwortung von Organisationen gegenüber Anspruchsgruppen und Gesellschaft, gehen jedoch über konkrete Herausforderungen der Interessensaushandlung weitgehend hinweg. Postmoderne und kritische Ansätze bemängeln sowohl diese vereinfachende Übertragung dialogischer Prinzipien auf strategische Kommunikation (Pieczka, 2011), als auch die einseitige Ausrichtung auf die Analyse der Effizienz und Effektivität strategischer Kommunikation (Holtzhausen, 2002). In der Kritik steht dabei letztlich die Vernachlässigung der gesellschaftlichen Einbettung und der Macht der strategischen Kommunikation (Edwards, 2006; Wehmeier, 2006). In der Praxis zeigt sich hingegen, dass insbesondere Unternehmen und deren Kommunikationsmanagement, aber auch andere Organisationen immer häufiger mit der politischen Forderung nach Übernahme von Verantwortung für das Gemeinwohl konfrontiert werden und dabei in Konflikte geraten. Sehr deutlich wird dies im Kontext des CSR- und Nachhaltigkeitsdiskurses (Öberseder et al., 2013; Schultz et al., 2013), jedoch nicht nur dort. So sind auch eher politikferne Organisationen zunehmend in aktuelle politische Debatten involviert, etwa zu Migration oder gesellschaftlicher Ungleichheit, wie z.B. Nike mit der Verpflichtung des Football-Spielers Colin Kaepernick, verschiedene Kulturbetriebe im Kontext der #Metoo-Debatte oder Unternehmen hinsichtlich ihres Engagements in Saudi-Arabien.
Diese Entwicklungen werfen zwei grundsätzliche Fragen auf, zu denen die Tagung Räume für eine vertiefende Auseinandersetzung eröffnen möchte:

  1. Wie kann strategische Kommunikation modelliert und praktiziert werden, die systematisch neben Partikularinteressen auch oder sogar vornehmlich Gemeinwohlinteressen bedient?
  2. Welche typischen Wertkonflikte existieren im Kontext der strategischen Kommunikation und welche theoretisch begründeten und/oder empirisch erprobten Ansätze gibt es zum Umgang mit solchen Konflikten?

2. Themenfelder

Themenblock 1: Gemeinwohl im Kontext der strategischen Kommunikation
Thematisierungen von Gerechtigkeit und Gemeinwohl spielen in der PR-Forschung bislang nur eine marginale Rolle. Dies verwundert nicht nur aufgrund der Vermittlerrolle der strategischen Kommunikation. Zugleich haben Fragen der Verteilungs- und Beteiligungsgerechtigkeit und des Gemeinwohls bei der Teilhabe an öffentlichen Diskursen und insbesondere in Konfliktkonstellationen hohe Relevanz für die strategische Kommunikation.

Gemeinwohl bezieht sich auf Werte und Normen, die eine Gesellschaft als Ganzes konstituieren. Es kann entweder prozedural in einem diskursiven und ergebnisoffenen öffentlichen Meinungsbildungsprozess bestimmt, oder substanziell über konsentierte Werte festgelegt werden (Blum, 2015). Insbesondere das prozedurale Verständnis von Gemeinwohl verweist auf den engen Zusammenhang von Gemeinwohl und Öffentlichkeit, wobei, ganz im Sinne bestehender dialogischer Ansätze, ein Beitrag der strategischen Kommunikation zum Gemeinwohl in der Ermöglichung eines solchen Aushandlungsprozesses liegen könnte. Angesichts der vielfach kritisierten Schwächen dialogischer Ansätze (Pieczka, 2011), stellt sich jedoch die Frage nach möglichen alternativen theoretischen Konzepten, die eine Klärung des Verhältnisses von strategischer Kommunikation und Gemeinwohl erlauben. Gibt es Aspekte des Gemeinwohls, zu denen strategische Kommunikation darüber hinaus beitragen kann? Ist der CSR-Begriff bzw. das Konzept der gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen hierbei ein hilfreicher Ausgangspunkt oder eher zu verwerfen?

Für eine gemeinwohlorientierte Gestaltung strategischer Kommunikation steht zudem in Frage, welche Akteure und Inhalte adressiert werden. Werden etablierte Stakeholdermodelle dem Anspruch einer Gemeinwohlorientierung gerecht? Wann werden Maßnahmen der strategischen Kommunikation als Beitrag zum Gemeinwohl und wann als Ausdruck eines Partikularinteresses wahrgenommen? Und wo liegen die Grenzen der Verpflichtung strategischer Kommunikation zum Gemeinwohl? Sind grundsätzlich alle Organisationstypen gefordert, Akteure und Themen aus allen gesellschaftlichen Bereichen einzubeziehen, national und international? Oder ist Gemeinwohl Aufgabe spezifischer Akteure, etwa des Staats, und damit Gegenstand sektor-spezifischer Formen der strategischen Kommunikation, etwa der Gesundheitskommunikation oder der NGO-Kommunikation? Im Kontext der voranschreitenden Ausdifferenzierung von Interessenlagen in pluralen Gesellschaften steht allerdings auch in Frage, ob es das eine Gemeinwohl und damit einen Konsens über Ziele und Werte geben kann. Falls eine Einigung nicht möglich ist, bleibt dann nur der permanente Konflikt?

Themenblock 2: Wert- und Interessenkonflikte
Zwischen Gemeinwohl und spezifischen Partikularinteressen können sich vielfältige Wertkonflikte entfalten. Im Rahmen der Tagung sollen typische Wertkonflikte der strategischen Kommunikation nicht nur identifiziert, sondern hinsichtlich ihrer Ursachen, Formen und Konsequenzen vertiefend untersucht werden. Dabei geht es sowohl um Konflikte zwischen Organisation und Umwelt, als auch innerhalb der Organisation. Inbegriffen sind damit Konflikte zwischen Personen als auch zwischen persönlichen Werthaltungen und organisationalen Handlungsvorgaben.

Schließlich widmet sich die Tagung möglichen Umgangsformen mit Wertkonflikten. Inwiefern können Ethik-Kodizes eine Unterstützung zur Lösung von Wertkonflikten bieten? Welche Rolle spielen die Professionalisierung der Kommunikationsbranche sowie Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung? Eine problematische, aber wiederkehrende Form des Umgangs mit Wertkonflikten zeigt sich, wenn Diskrepanzen zwischen interessengeleiteter Gemeinwohlsemantik und „Gemeinwohlpraktik“, das heißt der konkreten Bezugnahme auf Gemeinwohl im Handeln, auftreten. Manipulative bzw. täuschende Kommunikation führt zu Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsproblemen, wie sich etwa im Kontext der CSR-Kommunikation bzw. dem hier vielfach vorgetragenen Vorwurf des Greenwashings zeigt. Warum benutzen Unternehmen dennoch eine Gemeinwohl-Rhetorik um Kund*innen, Politiker*inn und Öffentlichkeiten zu täuschen und letztlich ihre Interessen, die nicht mit dem Wohl der Allgemeinheit identisch sind, durchzusetzen? Welche alternativen Möglichkeiten des Umgangs mit Konflikten zwischen Gemeinwohl und Partikularinteresse gibt es?

Während bestehende Ansätze der CSR-Forschung und PR-Ethik nur sehr abstrakte, übergeordnete Hinweise zum Umgang mit Konflikten geben, die oft auf Harmonie und Verständigung abstellen, schlagen postmoderne Autor*innen vor, Vielstimmigkeit, Dissens und Agonismus als Normalzustand der strategischen Kommunikation zu akzeptieren (Christensen et al., 2015; Davidson, 2016; Holtzhausen, 2002). Aber wie genau kann Vielstimmigkeit ohne permanente Konflikte realisiert und wie kann trotz Dissens Zusammenhalt gewahrt werden? Wie können zum Beispiel organisationsintern mehrere Logiken, etwa Hierarchie und Heterarchie, parallel verfolgt werden, ohne Akzeptanz und Glaubwürdigkeit bei Mitarbeiter*innen zu verlieren? Wie können Organisationskultur, Führungskräftekommunikation und interne Kommunikation so gestaltet werden, dass die produktiven Seiten des Dissenses zu Tage treten?

3. Einreichungen

Zu beiden Themenblöcken können theoretische und empirische Beiträge eingereicht werden, die sich auf strategische Kommunikation allgemein, auf spezifische Typen der strategischen Kommunikation oder auf die Rolle nicht-strategischer Kommunikation im Rahmen der vorgestellten Fragestellungen beziehen. Es wird dazu ermutigt aktuelle Entwicklungen im Feld der Digitalisierung, wie algorithmische Steuerung und Big Data, in die Bearbeitung der Themenblöcke miteinzubeziehen. Einreichungen zu unterschiedlichen Organisationstypen (politische, wirtschaftliche, zivilgesellschaftliche, staatliche Organisationen) sind ausdrücklich willkommen. Für aktuelle Forschungsbeiträge, die nicht zum Tagungsthema passen, besteht die Möglichkeit der Einreichung in einem offenen Panel. Vortragsvorschläge mit konkretem Bezug zum Tagungsthema sollten einem der oben genannten Themenfelder zugeordnet sein. Beiträge sind als vollständig anonymisiertes Abstract (ein Dokument im PDF-Format; maximal 5 000 Zeichen inkl. Leerzeichen, exkl. Literaturverzeichnis; bitte im PDF auch die automatischen Dateiinformationen anonymisieren!) bis Freitag, 26. April 2019 per Mail an folgende Adresse zu senden: jens.seiffert@univie.ac.at.

Bei den Tagungsbeiträgen muss es sich um Originalbeiträge handeln, die bisher in der Form nicht veröffentlicht oder auf einer Tagung präsentiert wurden. Dies ist auf dem Deckblatt ausdrücklich zu erklären. Allerdings ist es möglich, aus bereits publizierten und präsentierten Arbeiten einzelne Aspekte herauszugreifen, um sie in einem neuen Zusammenhang vertiefend zu bearbeiten. Diese Vorgehensweise muss aus dem Abstract hervorgehen. Das Abstract soll explizit auf die folgenden Aspekte eingehen: (a) Ziel des Beitrages, (b) detaillierte Informationen zum Methodendesign (insbesondere Angaben zur Stichprobe sowie dazu, in welchem Stadium sich die Studie zum Zeitpunkt der Abstract-Einreichung befindet und welche Ergebnisse bei der Tagung realistisch betrachtet vorgestellt werden sollen) sowie (c) eine Begründung, warum der Beitrag einen relevanten Erkenntnisfortschritt im jeweiligen Diskurs darstellt.
Mit der Einreichung erklären sich alle Autor*innen bereit, im Falle einer Akzeptanz des Vorschlags an der Tagung teilzunehmen. Die Auswahl der Tagungsbeiträge erfolgt in einem anonymen Peer-Review-Verfahren durch jeweils zwei Gutachter*innen. Es gelten die in der DGPuK üblichen Auswahlkriterien (Bezug zum Tagungsthema, theoretische Fundierung, Relevanz der Fragestellung, Originalität, Angemessenheit der Methode bzw. Vorgehensweise, Klarheit und Prägnanz der Darstellung). Es ist vorgesehen, die Beiträge in einem Tagungsband zu publizieren. Um dessen zeitnahe Erscheinung sicherzustellen, ist die Deadline für Beiträge der 1. März 2020.

4. Zeitplan

Die Ergebnisse des Reviewverfahrens werden allen Einreichenden bis zum 30. Juni 2019 bekannt gemacht. Das Programm wird voraussichtlich bis zum 15. Juli 2019 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt folgen dann alle weiteren Informationen zum Tagungsort, Tagungsbeitrag und zu Hotelvorschlägen. Die Tagung wird am Donnerstag, den 31. Oktober 2019 um 19:00 Uhr mit einem Get-Together beginnen und am Samstag, den 02. November 2019, gegen 13:30 Uhr enden. Tagungsort ist das Franz Hitze Haus, Kardinal-von-Galen-Ring 50, 48149 Münster.

Für das ausrichtende Institut
Anna Dudenhausen, Ulrike Röttger
und Kerstin Thummes, Münster

Für die Fachgruppe
Kerstin Thummes, Münster
Jens Seiffert-Brockmann, Wien

5. Literatur

  • Blum, Christian (2015): Die Bestimmung des Gemeinwohls. Berlin/München/Boston: de Gruyter.
  • Burkart, R. (2008). Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit. In G. Bentele, R. Fröhlich, & P. Szyszka (Eds.), Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln (pp. 223-241). Wiesbaden: VS.
  • Christensen, L. T., Morsing, M., & Thyssen, O. (2015). The polyphony of values and the value of polyphony. Journal for Communication Studies, 8(1), 9-25.
  • Davidson, S. (2016). Public relations theory. An agonistic critique of the turns to dialogue and symmetry. Public Relations Inquiry, 5(2), 145-167.
  • Edwards, L. (2006). Rethinking power in public relations. Public Relations Review, 32, 229-231.
  • Freeman, E. R., Harrison, J. S., Wicks, A. C., Parmar, B. L., & de Colle, S. (2010). Stakeholder Theory. The state of the art. Cambridge: Cambridge University Press.
  • Hallahan, K. (2000). Inactive Publics: The Forgotten Publics in Public Relations. Public Relations Review, 26(4), 499-515.
  • Heath, R. L. (2001). A Rhetorical Enactment Rationale for Public Relations. In R. L. Heath (Ed.), Handbook of Public Relations (pp. 31-50). Thousand Oaks: Sage.
  • Holtzhausen, D. (2002). Towards a postmodern research agenda in public relations. Public Relations Review, 28(3), 251-264.
  • Öberseder, M., Schlegelmilch, B., & Murphy, P. (2013). CSR practices and consumer perceptions. Journal of Business Research, 66(10), 1839-1851.
  • Pieczka, M. (2011). Public relations as dialogic expertise? Journal of Communication Management, 15(2), 108-124.
  • Schultz, F., Castello, I., & Morsing, M. (2013). The Construction of Corporate Social Responsibility in Network Societies: A Communication View. Journal of Business Ethics, 115, 681-692.
  • Taylor, M., & Kent, M. L. (2014). Dialogic Engagement: Clarifying Foundational Concepts. Journal of Public Relations Research, 26(5), 384-398.
  • Wehmeier, S. (2006). Dancers in the dark. The myth of rationality in public relations. Public Relations Review, 32(3), 213-220.