Forschungsaufenthalt Yann Dahhaouis in Münster

Dahhaoui

Ab Oktober ist der Schweizer Historiker am Lehrstuhl „Hoch- und Spätmittelalter / Westeuropäische Geschichte“ von Prof. Kintzinger mit seinem Projekt über das Narrenfest im historiographischen Diskurs zu Gast.

Yann Dahhaoui hat sich an der Universität Paris 1 „Panthéon-Sorbonne“ in Geschichte und an der Universität Genf in französischer und lateinischer Sprache und Literatur des Mittelalters promoviert. Er hat sich in der Geschichte der mittelalterlichen Kirche, der liturgischen Gebräuche sowie Hagiographie spezialisiert. Er ist ehemaliges Mitglied des Schweizerischen Instituts in Rom, Old member des Emmanuel College (Cambridge) und assoziiertes Mittglied des Laboratoire de médiévistique occidentale de Paris (LAMOP) und des Centre d’études médiévales der Universität Genf.

Im Rahmen der Vortragsreihe „La jeune génération des médiévistes français invitée à Münster“ war er im Sommersemester 2010 bereits an der Uni Münster mit dem Vortrag: „In episcopalis dignitatis derisionem? L’évêque des Innocentes et la dérision dans le discours clérical (XIIIe-XVe siècle)” zu Gast.

Das Projekt, zu dem er hier in Münster arbeiten wird, wird durch den Schweizerischen Nationalfonds unterstützt. Es soll die Grundlagen schaffen für ein detailliertes Studium der Erstellung, Vermittlung und Anpassung des Wissens über das mittelalterliche Narrenfest vom 17. bis ins 20. Jahrhundert. Im Laufe der Zeit war das Narrenfest dabei unterschiedlichsten Deutungen ausgesetzt. Mal wurde es als Relikt der Saturnalien, mal als Volksfest der Einfältigen und Demütigen, mal als Parodie der kirchlichen Hierarchie und sogar der christlichen Liturgie, mal als ordentliche und würdevolle liturgische Feier betrachtet.

Nachdem das Narrenfest in der Frühneuzeit als Beispiel für den durch die Kirche bekämpften Aberglauben oder als Beweis für die Verwertung heidnischer Kulte durch die mittelalterliche Kirche verwendet worden war, wurde es ab dem 19. Jahrhundert durch verschiedene Fächer untersucht: Geschichte der liturgischen Gebräuche, der Narrheit, der mittellateinischer Dichtung oder der Religionen, sowie Volkskunde, Ethnologie und Numismatik. Jedes Fach stellte neue Deutungsmodelle her und integrierte das Fest in seine eigenen „großen Erzählungen“. Diese Modelle, die Bedingungen ihrer Erstellung und ihrer Verbreitung in der europäischen Gelehrtenrepublik durch verschiedene Medien, sowie die historiographischen Debatten, die ihre Autorität verstärkt oder sogar begründet haben, liegen im Zentrum der Analyse.