Hillesum
Het verstoorde leven (dt. Das denkende Herz der Baracke), das Tagebuch Etty Hillesums, hinterließ in den achtziger Jahren einen ungeheuren Eindruck. In den Niederlanden und in vielen anderen Ländern war man von der integren und mutigen Art und Weise berührt, in der Etty der Welt um sich herum und den Gräueln der Judenverfolgung gegenübertrat. Aber Etty war nicht das einzige Mitglied der Familie Hillesum, das begabt und etwas Besonderes war. Mischa Hillesum (1920-1943) war ein beliebtes Wunderkind mit einem Engelsgesicht. Er galt als das größte Klaviertalent, das die Niederlande seit langem hervorgebracht hatten. Aber auf dem schmalen Grat zwischen Genialität und Wahnsinn balancierend, lebte er in einem gewaltigen Spannungsfeld und landete schon in jungen Jahren in einer psychiatrischen Einrichtung. Dort bezauberte er seine Mitpatienten und das medizinische Personal mit seinem Spiel. Während der Besatzungszeit glänzte er – als jüdischer Musiker aus dem öffentlichen Leben verbannt – auf illegalen „Schwarzen Abenden“. Willem Andriessen, Direktor des Amsterdamer Konservatoriums, der hoffte, Mischa Hillesum für die niederländische Kultur retten zu können, schickte den Besatzern einen Empfehlungsbrief. Gleiches tat auch der große Dirigent Willem Mengelberg, Chefdirigent des Concertgebouw-Orchesters. Aber Mischa verweigerte eine Ausnahmestellung und entschied sich dafür, bei seinen Eltern zu bleiben. Im September 1943 wurde die gesamte Familie Hillesum abtransportiert; kein Familienmitglied überlebte die Lager im Osten. Auf dem Kolloquium wird die Geschichte der Familie Hillesum beleuchtet: die Genialität Ettys in ihren Tagebüchern und die Virtuosität und Getriebenheit Mischas in seinen Klavierkompositionen. Es werden dabei auch einige von Ettys Texten vorgelesen und Kompositionen von Mischa zu Gehör gebracht.