Die Küsten sichern, die Welt beherrschen. Zur Geschichte eines transimperialen Projekts ca. 1870-1930
Mein Projekt fragt an der dreifachen Schnittstelle zwischen Sicherheitsgeschichte, transimperialer Geschichte und Maritime History, wie europäische Kolonialimperien zwischen 1870 und 1930 Küstenräume sicherten und somit erstens koloniale Herrschaftsverhältnisse in diesen strukturierten, zweitens wie diese Herrschaftsverhältnisse Küstenräume als solche formten und ausrichteten sowie drittens, wie die hierbei ausgebildeten Praktiken, Routinen und Wissensformen der Sicherung litoraler Räume längerfristig Eingang in internationales Recht und internationale Sicherheitsregime fanden.
Das Projekt betrachtet Küstenräume, die weder rein geografisch determiniert noch rein diskursiv konstruiert sind, als eigenlogische Übergangszonen zwischen aquatischen und terrestrischen Räumen, die im Untersuchungszeitraum die zentralen Interfaces globaler Flows an Waren, Personen, Krankheitserregern und Wissen darstellten. In diesen Räumen flossen zudem unterschiedliche Rechtsordnungen, Lebensweisen, imperiale Interessen und Konkurrenzen sowie Vorstellungen und Möglichkeiten von Territorialität und Souveränität ineinander und stellten europäische Kolonialimperien somit vor besondere Herausforderungen des „Sicherns“ und „Ordnens“.
Konkret untersucht das Projekt in einem ersten Schritt drei Versuche europäischer Kolonialimperien, Küstenräume zu „sichern“. Zum einen untersucht es die europäischen Versuche der Cholerabekämpfung und des Umgangs mit verarmten Pilgern sowie Kriminalität im Roten Meer, der Suezkanalzone und an der Küste des Hedschas zwischen 1866 und 1914. Zum anderen untersucht es das Vorgehen des Internationalen Maritimen Büros auf Sansibar und der daran beteiligten Kolonialimperien gegen Alkohol- und Waffenschmuggel sowie Sklavenhandel an der ostafrikanischen Küste zwischen 1890 und 1911. Schließlich analysiert es das Vorgehen europäischer Mächte gegen die Entführung von Dampfpassagierschiffen in den Küstenräumen und Flussdeltas um Hong Kong zwischen 1905 und 1935.
In einem zweiten Schritt betrachtet es dann die Übersetzung der in den Case Studies erprobten oder rekonfigurierten Praktiken und Wissensbestände der Küstensicherung in Recht und abrufbares geteiltes Wissen durch internationale und transimperiale Institutionen wie internationale Konferenzen, das Institut Colonial International und den Völkerbund.