Hans Sachs, Der Teufel nam ein alts Weib zu der Eh.
Eins tags der teuffel kam auff erden Und wolt ye auch ein ehman werden Und nam zu der eh ein alt weyb, War reych, doch ungschaffen von leyb. Als bald und er kam in die ee, Da erhub sich groß angst und wee. Das alt weib stets im hader lag Mit gron und zancken uber tag, Zu nacht ihn denn peynigen thet Flöh, leuß und wantzen in dem beth. Er dach: Allhie kan ich nicht bleiben. Ich wil fort eh mein zeyt vertreiben In der einöd und wildem wald, Da ich mehr rhu hab . Und fuhr bald In waldt und auff ein baumen saß Und sah daher gehn auff der straß Ein artzt, der ein reytwetschger trug, Nach artzeney im land umbzug. Zu dem thet sich der teuffel gsellen Und sprach zu ihm: Wir beide wöllen Mit artzney die lewt machen heil, Doch als auff ein geleichen theil. Der artzet fraget, wer er wer. Der teuffel sagt ihm wider her, Er wer der teufl, und wie er me So viel erlitn het in der ee Von einem alten bösen weib, Die ihm het peinigt seinen leib Mit herber unleidlicher peyn; Drumb möcht er nicht mehr bey ir sein. Drumb nimb mich auff zu einem knecht! Ich wil dir dienen wol und recht. Zeyget darmit dem artzet an, Wormit er ihm wol hülff könt than. Kurtzumb der sach sie eines warn. Der teuffel sprach: Ich wil gehn fahrn In ein burger in jhener stadt, Der sehr vil gelts erwuchert hat. Den wil ich peynigen so hart. So kumb du hernach auff der fart Und thu zu dem burger einkern! Thu mich mit eim segen beschwern! Als denn ich willigklich außfahr. So zalt man dir denn also par Gern ein zweintzig gulden zu lohn. Denn gib mir den halbn theil darvon. Die sach war schlecht, der teuffel spat Fuhr in den burger in der stadt. Den peynigt er die gantzen nacht. Frü sich der artzt int stadt auch macht Und nam sich dieses burgers an Und als ein künstenreicher mann Den teuffel gwaltigklich beschwur, Der also bald von ihm außfuhr Und wart auff den artzt in dem waldt. Den artzet man zu danck bezalt Und gab im dreissig taler par. Der kam im wald zum teuffel dar, Gab zehen taler ihm darvon. Die zweintzig bhilt er für sein, lohn. Sagt, man het ihm nur zweintzig geben. Der teuffel merckt die schalekheit eben, Das ihn der artzt umb fünff thet effen, Schwig doch; dacht: Ich wil dich wol treffen. |
Und thet eben gar nichts dergleichn Und sprach zum artzt: Ich weiß ein reichn Thumbherrn auff dem stifft dort auß. Der helt mit einer köchin hauß. Dem wil ich fharen in den bauch Und wil ihn weidlich reissen auch. Zu dem so thu morgen einkern! Thu denn mit segen ihn beschwern! So uberkom mir aber gelt. Die kunst ist gwiß und nicht mer felt. Die sach war schlecht, der teuffel fuhr In thumbherrn, den hart quelen wur. Der artzet kam vor dem thumbhof. Die köchin ihm entgegen lof. Fragt, ob er könt den tenffel bschwern. Mit zweintzig güldn wolt man verehrn. Der artzt sagt: Ja. Und hinauff gieng Und sein beschwerung d o anfieng, Wie er vorhet gebraucht dergleichn. Der teuffel aber wolt nicht weichn, Wie vor, und im thumbherren blieb Und sagt: Der artzet ist ein dieb, Hat mir fünff taler abgestoln. Darumb so sag ich unverholn: Kein dieb der kan mich treiben auß. Keim dieb weich ich auß diesem hauß. Der artzt in grossen engsten was, West gar nicht zu verneinen das. Loff vor angst auß dem sal außhin. In dem erdacht er ihm ein sinn Und wider in den sal nauff lof. Sprach: Teuffel, unden in den hof So ist dein altes weib her kommen, Hat ein brieff vom chorgricht genommen, Spricht dich wider an umb die eh. Darumb saum dich nicht lang und geh! Verantwort dich vor dem chorgricht! Der teuffel gutzt herfür und spricht: Wie ist denn mein alter hellrigel Kommen und hat bracht brieff und siegel, Das ich zu ir sol widerumb? Mir nicht, zu ir ich nicht mehr kumb. Ich wil eh hin fahren gen hell. Alda hab ich, mein lieber gsell, Mehr rhu, denn in der alten hauß. Darmit fuhr er zum first hinauß Und ließ hinter im ein gestanck. Beschluß. Hie versthet man bey diesem schwanck: Wo weib und mann in dieser frist Mit der eh zsam verpunden ist, Doch teglich in dem hader leyt, Da keines dem andern nachgeyt, Sonder eines das ander tratzt, Schilt, schmecht, veracht, verspot und fatzt, Einander reissen, rauffen und schlagn, Einander verschwatzen und verklagn, Da nimmer ist fried, frewd, noch son, Die eh mag man wol nenen thon Ein teuffelisch und hellisch leben, Vor der uns Gott woll bhüten eben, Und im ehstand uns dieser zeyt Geben fried, sühn und eynigkeyt, Dadurch zunem, sich mehr und wachs Ehliche trew, das wünscht Hans Sachs. |
Hans Sachs: Werke. Neunter Band, hrsg. v. Adelbert von Keller (Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart 125), Tübingen 1875, S. 284-287.
Was passiert, wenn der Teufel selbst heiratet und seine Ehe nicht erträgt? Der vorliegende Schwank des Meistersingers und Dichters Hans Sachs (*1494 und †1576 in Nürnberg) erzählt die Geschichte des Teufels, der sich verheiratet und vor seiner Ehefrau flieht. Er trifft auf einen fahrenden Arzt und gemeinsam beschließen sie, Menschen zu betrügen, um sich zu bereichern. Der Arzt hintergeht jedoch den Teufel, woraufhin sich dieser wiederum an dem Arzt rächt. Daraufhin droht der Arzt dem Teufel mit seiner Ehefrau und vertreibt ihn damit zurück in die Hölle. Abgeschlossen wird der Schwank mit einem Beschluss, in dem Hans Sachs ein belehrendes und moralisches Fazit über die Ehe zieht.
Hans Sachs gehörte im 16. Jahrhundert zu den populärsten Dichtern der Zeit. Seine Schwanksammlungen, die den vorliegenden Schwank enthalten, veröffentlichte er ab dem Jahr 1558 in mehreren Bänden und Auflagen.
Die kurze Prosaerzählung folgt mit ihrer Geschichte einer typischen Erzählstruktur von Schwänken in der Frühen Neuzeit. Die hauptsächlich der Unterhaltung und Komik dienenden Schwänke behandelten meist einen Konflikt zwischen Parteien, die sich gegenseitig überlisten. Hierbei war oftmals die anfänglich als unterlegen eingeschätzte Partei siegreich. Dieser Sieg wurde mit List und Raffinesse erreicht und bildete in den Schwänken oft ein pointiertes Ende. Allerdings können Schwänke auch moralische und belehrende Inhalte enthalten.
Eigenhändige Niederschrift der Quelle von Hans Sachs
Während der Teufel in der Frühen Neuzeit eine tatsächliche Bedrohung und Gefahr für die Menschen darstellte und eine Schreckensfigur war, nimmt er in dem vorliegenden Schwank eine andere Rolle ein. Er besitzt zwar weiterhin gewisse Fähigkeiten, die ihn als Schreckensfigur konstituierten: Er kann sich frei in der Luft bewegen und in Menschen einfahren. Allerdings wird er in dem Schwank in die von der Gattung vorgefertigte Rolle des Überlisteten eingeordnet. Er ist zum einen seiner alten Ehefrau, zum anderen auch dem Arzt auf gewisse Weise unterlegen und wird in der Erzählung mehrmals vertrieben und überlistet. Hans Sachs folgt damit auch einer Tradition des spätmittelalterlichen Theaterspiels. In diesem wurde der Teufel erstmals als anthropomorphisierte Figur dargestellt. Der Teufel entwickelte sich dort zu einer komischen Figur und zu der eines scheiternden Intriganten. In dem Schwank ist der Teufel derjenige, der die Handlung antreibt, sei es durch seinen Wunsch verheiratet zu sein oder seinen Vorschlag, als Knecht des Arztes mit diesem gemeinsam zu betrügen. Schlussendlich ist er jedoch die unterlegene Figur und wird durch List besiegt.
Der Teufel tritt in dem Schwank eben nicht als eine absolute Bedrohung und okkulte Gefahr auf, sondern wird vermenschlicht und depotenziert und fungiert auch als Katalysator der Komik.