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Einführungen in die Wirtschafts- und
Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
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Inhalt /
Der Sozialstaat / Historische Paradigmen von Sozialstaatlichkeit / Obligatorische Sozialversicherung in Deutschland ab den 1880er Jahren |
Der Sozialstaat
3. Historische Paradigmen von Sozialstaatlichkeit
3.1. OBLIGATORISCHE SOZIALVERSICHERUNG IN DEUTSCHLAND AB DEN 1880ER JAHREN
- Krankenversicherung
1883. Obligatorisch für gewerbliche Arbeiter unterhalb einer festgelegten
Einkommensgrenze, wobei existierende freie Kassen legal bleiben; Erfassung
von ca. 22% der Erwerbsbevölkerung und ca. 40% der Lohnarbeiter, gegenüber 1881
Verdoppelung des Erfassungsgrads. Angesichts des Scheiterns von Plänen zur
Erschließung neuer Steuern 1881 Finanzierung zu 2/3 durch Versicherte.
Ortskrankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften, Versicherte
kontrollieren gemäß ihres Finanzierungsanteils. Leistung pro Versicherten 1885
11, 1914 28,5 RM.
- Unfallversicherung
1884. 1871 liberales Haftpflichtgesetz, das Ansprüche auf Nachweis von
Unternehmerverschulden gründet (Verschulden eines Arbeiters begründet keine
Haftpflicht); dieser ist wegen geringer Dokumentation des Fabrikzustands vor
Unfall (da geringe Entwicklung der Gewerbeaufsicht) schwierig zu führen. Das
Gesetz von 1884 transformiert das Problem von Gefahr und Verschulden in Risiko.
Erfassung 1890 ca. 2/3 der Lohnarbeiter; Leistung 2/3 des Lohns; Finanzierung
durch Unternehmer und Selbstverwaltung in Berufsgenossenschaften mit
unterschiedlicher Risikohöhe. Konflikte um Arbeitssicherheit,
Pflichtabgaben
und Autonomie von Unternehmern (Beispiel: Franz
Kafkas Tätigkeit als Versicherungsjurist in Prag um 1910).
- Alters- und
Invalidenversicherung 1889. Reichszuschuss 50 RM je Rente, Staffelung der
Leistung nach Beiträgen. Verwaltung durch Landesversicherungsanstalten. 1895
Erfassung von 54% der Erwerbsbevölkerung, aber lange Mindestbeitragszeiten
von 5 (Invalidität) bzw. 30 Jahren (Alter), bei Alter Leistung erst ab 70, ein
Alter, das noch um 1900 erst von etwa einem Viertel der Männer erreicht wurde. 1913 werden
deshalb 51% der Invalidenrenten an Männer zwischen 55 und 69 gezahlt.
Durchschnittsleistung 1891 123 (Alter) bzw. 113 (Invalide) RM/Jahr, 1914 168
bzw. 201 RM/Jahr; dies entspricht etwa einem Sechstel des durchschnittlichen Jahresverdiensts
von Industriearbeitern. Dennoch 1895–1907 Rückgang des Anteils erwerbstätiger
Männer ab 60.