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Habilitationsprojekt: Ich sach [...] vor miner ougen anger – Wechselspiel und Dynamisierung sakraler und profaner Register in der Lieddichtung Frauenlobs
In der jüngeren altgermanistischen Forschung sind wechselseitige Übertragungen zwischen religiöser Semantik und der Semantik weltlicher Liebeslyrik im Minnesang mit Blick auf Lexik, Motive, Topoi und Metaphern verstärkt in den Fokus des Interesses gerückt wobei auch gattungsbezogene Interferenzphänomene zwischen Minnesang, Mystik, Mariendichtung und geistlichen Tageliedern die Vielfältigkeit solcher Transferbewegungen illustrieren. Um 1300 dürfen Minnesang, Mystik und Marienlyrik als grundlegende Artikulationssysteme von Liebesdiskursen gelten, die sich zwar nach den Bedingungen der unterschiedlichen Texttypen bzw. Gattungen unterscheiden, aber dennoch Analogien und registrale Überblendungskonstellationen aufweisen. Ein besonders signifikantes Fallbeispiel für die Frage nach dem Zusammenspiel weltlicher und geistlicher Register des Lyrischen in der Schwellenzeit um 1300, die sich durch Innovativität und eine erstaunliche Variationsbreite lyrischer Ausdrucksformen auszeichnet, bietet die Lieddichtung Frauenlobs (Heinrichs von Meißen, gest. 29. November 1318). Aufgrund ambitionierter Sprachartistik und einer verrätselten Bildsprache beansprucht der Autor, der sich in einer ‚Selbstrühmung‘ programmatisch Vrouwenlob (GA V, 115 C 32) nennt, den Rang als bedeutendster Vertreter des geblümten Stils. Das auf den Marienleich, Minneleich und die Minnelieder Frauenlobs zentrierte Projektvorhaben untersucht Überblendungskonstellationen zwischen religiösen und profanen Formen des Lyrischen in Anlehnung an den von Pierre Bec für die mittelalterliche Lyrik Frankreichs geprägten Registerbegriff (Bec 1977), wie ihn die Altgermanistik für den Minnesang, den höfischen Roman und bibelepische Texte diskutiert und fruchtbar gemacht hat. Das Projekt sucht der Frage nachzugehen, wie höfische Tonfälle, Hohelied-Register und geistliche Lyriktraditionen in der Lieddichtung Frauenlobs zusammenfinden und welche Auswirkungen die spezifischen Registerinterferenzen auf die Entfaltung von literarischen Diskursen über Liebe und Transzendenzreflexionen und auf Vorstellungen von Autorschaft als Rezeptionsphänomen in der Überlieferung der Codices haben.
Frauenlob’s Song of Songs – Image, Sound, Sacred Text in collaboration with Cambridge School of Visual and Performing Arts