Vor-Geschichte
Nachdem die erste Universität in Münster 1780 etabliert, aber bereits 1818 wieder aufgehoben und in eine Akademische Lehranstalt umgewandelt worden war, gründete der preußische König 1824 ein philologisch-pädagogisches Seminar, das der praktischen Vorbildung von Studierenden für den Gymnasiallehrerberuf diente. Mit deutlicher philologischer Ausrichtung wurde diese Einrichtung 1843 ein Teil der Philosophischen Fakultät der Königlichen Theologischen und Philosophischen Akademie, die jedoch noch keinen Universitätsstatus hatte. Mit der (Neu-)Gründung der Westfälischen Wilhelms-Universität durch Kaiser Wilhelm II im Jahre 1902 wurde diese Einrichtung schließlich zum Philologischen Seminar in der Philosophischen Fakultät. Im Laufe dieser Entwicklung waren die pädagogisch-praktischen Belange bereits früh aufgegeben worden.
Weimar und Nationalsozialismus
Die erste Professur für Philosophie und Pädagogik an der Universität Münster hatte der Dilthey-Schüler und Leibniz-Kenner Willy Kabitz von 1915 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1941 inne, und zwar in der „Abteilung Pädagogik“ des Philosophischen Seminars. Allmählich kamen einige weitere Lehrende und außerordentliche Professoren hinzu. 1942 ging der Lehrstuhl von Kabitz an den Gestaltpsychologen Wolfgang Metzger über, der zunächst die Pädagogik mit vertrat. Seit 1940 lehrt auch Heinrich Döpp-Vorwald als Dozent Pädagogik und Philosophie. 1943 wird von Metzger und anderen die „Abteilung“ bzw. dann das „Institut für Psychologie und Pädagogik“ gegründet, das zunächst auch nach dem Krieg weiter geführt wird.
Neubeginn nach 1945
Nach der Wiedereröffnung der Universität wurden ab 1947 pädagogische Lehrveranstaltungen durchgeführt, und zwar von Heinrich-Döpp-Vorwald (ab 1949 außerplanmäßiger Professor), weiteren Lehrbeauftragten und wenigen Honorarprofessoren. Aufgrund der Situation in der Gymnasiallehrerbildung konnte nach langen Bemühungen 1950 das „Pädagogische Seminar“ erneut eingerichtet und zugleich die neu geschaffene ordentliche Professur mit Alfred Petzelt besetzt werden. Im Jahre 1955 wurde Ernst Lichtenstein Nachfolger von Petzelt bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1969. Heinrich Döpp-Vorwald wurde 1964 zum ordentlichen Professor ernannt und 1969 emeritiert.
Expansionsphase 1970ff und PH-Integration
In den 1960er Jahren stiegen aufgrund der hohen Zahlen in der Gymnasial- und (dazukommend) Realschullehrerbildung die Anforderungen an das vergleichsweise eher kleine Pädagogische Seminar der Universität Münster. Die Etablierung des Diplomstudiengangs in Erziehungswissenschaft führte zu einer weiteren massiven Verschärfung der Lehrsituation zu Beginn der 1970er Jahre. Gleichzeitig mit der Wiederbesetzung der beiden Lehrstühle – auf Lichtenstein folgte 1969 Herwig Blankertz, auf Döpp-Vorwald folgte 1973 Dietrich Benner - kam es schrittweise zu einer Erhöhung sowohl der Zahl der Professoren (1977: 6 Lehrstühle und weitere Professorenstellen) als auch der wiss. Mitarbeiter. Im gleichen Kontext wurde das Pädagogische Seminar zu Beginn der 1970er Jahre zum Institut für Erziehungswissenschaft umgewandelt. Die schrittweise Integration der Pädagogischen Hochschule Münster in die Universität Münster ab 1980 bzw. 1985 brachte eine zusätzliche Expansion der Zahl der Professoren und Mitarbeiter mit sich (1985: insgesamt 32 Professoren im Fach Erziehungswissenschaft). Da in den 1980er Jahre jedoch eine sehr hohe Lehrerarbeitslosigkeit herrschte, wurde in diesem Jahrzehnt jede frei werdende Personalstelle gestrichen. Zwischen 1978 und 1992 erfolgte keine einzige Neuberufung; der Personalbestand schrumpfte.
Neuere Entwicklungen
In den 1990er Jahren konnte dieser Schrumpfungsprozess verlangsamt bzw. gestoppt werden. In den Jahren 1998 bis ca. 2006/7 hat ein sehr weitgehender Generationswechsel bei den HochschullehrerInnen stattgefunden. Durch Wegberufungen und Neuberufungen war und ist ein kontinuierlicher Wandel sowohl innerhalb der Gruppe der HochschullehrerInnen als auch innerhalb der Gruppe der MitarbeiterInnen zu verzeichnen. Nachdem es seit der PH-Integration in den 1980er Jahren in unterschiedlichen Konstellationen mehrere erziehungswissenschaftliche Institute gegeben hatte, wurden diese 2006 wieder zu einem „Institut für Erziehungswissenschaft“ zusammengeführt. Heute (Nov. 2017) ist das Institut mit 21 ProfessorInnen, 108 wiss. MitarbeiterInnen, ca. 30 Lehrbeauftragten und 25 MitarbeiterInnen in Technik und Verwaltung eine der größten wissenschaftlichen Einrichtungen dieser Art in Deutschland.
Zur Geschichte der Erziehungswissenschaft an der Universität Münster:
- Benner, D. & Regenbrecht, A. (1990). Der Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms- Universität Münster. Erziehungswissenschaft, 1 (1), 67-75.
- Mannzmann, A. (1980). Zur Geschichte des Fachbereichs Erziehungswissenschaft, Soziologie, Publizistik (FB 9) in selbstvergewissernder Absicht. In H. Dollinger (Hrsg.), Die Universität Münster 1780-1980 (S. 331-336) . Münster: Aschendorff.
- Rothland, M. (2006). Dualismus der Tradition – Einheit in der Praxis? Universitäre Erziehungswissenschaft und die Folgen der PH-Integration in Forschung und Lehre. Erziehungswissenschaft, 17 (33), 49-68.
- Rothland, M. (2008). Disziplingeschichte im Kontext. Erziehungswissenschaft an der Universität Münster nach 1945 (Beiträge zur Theorie und Geschichte der Erziehungswissenschaft Band 29). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
- Rothland, M. (2008). Wider die „Gleichschaltung von Fachdidaktikern und Fachwissenschaftlern“. Der universi-täre Widerstand gegen die Integration der Pädagogischen Hochschulen und die Realisierung der Zusammenführung am Beispiel der Universität Münster. Jahrbuch für Universitätsgeschichte, Bd. 11, 135-154.