Verbundvorhaben Fokus Jugendamt – Partizipativer Wissenstransfer zu Kooperation, Hilfeplanung und Schutzkonzepten in der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe

FokusJA

Das Projekt FokusJA untersucht die Rolle des Jugendamts im Umgang mit sexualisierter Gewalt als spezifischer Herausforderung im Kinderschutz und trägt zu einer Weiterentwicklung der organisationalen und professionellen Kompetenz bei.

Projektergebnisse sind auf dem Portal https://www.fokus-jugendamt.de/ zu finden.

Sexualisierte Gewalt ist eine spezifische Herausforderung im Kinderschutz, deren Bearbeitung entsprechende Kompetenzen, Qualifikationen und Strukturen erfordert. Die Vorgehensweisen einzelner Jugendämter sowie die Rolle des Jugendamtes insgesamt werden diesbezüglich kritisiert und hinterfragt. Das Verbundvorhaben FokusJA greift dies mit einem Forschungs- und Transferansatz auf. FokusJA verfolgt das Ziel, partizipativ und kooperativ mit Praxispartner*innen die Rolle des Jugendamtes als „Lösungsort“ der Bearbeitung von sexualisierter Gewalt zu stärken und adressiert die Schlüsselthemen Qualifizierung/Fortbildung, Hilfeplanung und Schutzkonzepte. Konkrete Ziele sind Sensibilisierung aller Zuständigkeitsbereiche des Jugendamtes für Hinweise auf sexualisierte Gewalt, Generierung und Aufbereitung praxisnaher und bedarfsgerechter Wissensbestände, Stärkung der Handlungskompetenz von Fachkräften im Jugend-amt, Weiterentwicklung organisationaler Strukturen sowie die Etablierung eigenständiger Qualitätsstandards. Die Umsetzung der Transferstrategie erfolgt durch einander ergänzende Formate: Entwicklung von Fortbildungsmodulen, Erarbeitung eines Qualifizierungsschemas zur Gestaltung der Hilfeplanung, Formulierung von Qualitätsstandards für die Entwicklung und Implementierung von Schutzkonzepten. Die Dissemination der Projektergebnisse in Wissenschaft und Praxis wird gewährleistet; u. a. werden eine Transfertagung gemeinsam mit der AGJ anvisiert und eine Wissensplattform aufgebaut.

Teilprojekt A an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster generiert, bündelt und bereitet Wissensbestände zu problematischen Fallverläufen auf und wirkt auf deren Dissemination und Nutzbarmachung in Form von Fortbildungsmodulen, Publikationen sowie einer Wissensplattform hin.

Teilprojekt B an der Hochschule Hannover generiert Wissen zu kollektiven Orientierungen von Fachkräften im Jugendamt, lässt diese in die Entwicklung eines Qualifizierungsschemas als elementarem Bestandteil der Dissemination und des Praxistransfers einfließen.

Teilprojekt C an der Universität Hildesheim wird insbesondere durch eine bundesweite Onlinebefragung von Jugendamtsmitarbeitenden sowie Arbeitstreffen mit dem kooperierenden Jugendamt Qualitätsstandards für die Entwicklung und Implementierung von Schutzkonzepten in Jugendämtern erarbeiten.

Ziele des Forschungsprojekts

Durch den Verbund werden die Kernthemen Qualifizierung, Beratung, Hilfeplanung und Schutzkonzepte und die Frage nach deren Weiterentwicklung im Kontext sexualisierte Gewalt adressiert. Durch eine empirisch fundierte, partizipativ und kooperativ angelegte Transferstrategie werden in der Jugendamtspraxis feststellbare Bedarfe adäquat aufgegriffen und in ein nachhaltiges und niedrigschwelliges Fortbildungs-, Qualifizierungs- und Wissensangebot über-setzt. Auf diese Weise wird die Gestaltungskompetenz und Steuerungsverantwortung des Jugendamtes gegenüber den unterschiedlichen Herausforderungsbereichen, die mit der Bearbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt einhergehen, weiterentwickelt. Gemeinsame Ziele des Verbunds sind:

  • Sensibilisierung für Hinweise auf sexualisierte Gewalt in allen Zuständigkeitsbereichen des Jugendamtes, insbesondere hinsichtlich der hoheitlichen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe
  • Niedrigschwelliger und umfassender Zugang zu einschlägigem Fachwissen
  • Dezidierte Stärkung der Handlungskompetenz von Fachkräften im Jugendamt für die Gestaltung relevanter Prozesse und Herausforderungen (Steuerung von Hilfekonferenzen, Begleitung von Disclosureprozessen etc.)
  • Weiterentwicklung organisationaler Strukturen und Abläufe auf den unterschiedlichen Ebenen (insbesondere Leitung, Planung, Praxis des ASD) inkl. Qualitätsentwicklung

Die hier skizzierten Ziele münden

  • in der Entwicklung, Erprobung und nachhaltigen Verfügbarkeit praxisnaher und bedarfsgerechter Fortbildungsmodule.
  • in der digitalen Bereitstellung von schriftlich und audiovisuell aufbereiteten Wissensbeständen für Fachkräfte im Jugendamt in einer Wissensplattform.
  • der Entwicklung von Qualitätsstandards zu Schutzkonzepten im Sinne von § 79a SGB VIII.
  • in einer Transfertagung und Publikationen.

Es werden drei Forschungszugänge umgesetzt, um Erkenntnisse zu unterschiedlichen Teilaspekten der Jugendamtspraxis zu generieren:

  1. Eine Analyse von Jugendamtsakten (n=12) mit Bezug zu sexualisierter Gewalt. Ziel ist es hierbei, Befunde zu identifizieren, die innerhalb der Aktenlage und der darin fixierten Dokumentationspraxis professionelle Herausforderungen der Bearbeitung von Fällen mit Bezug zu sexualisierter Gewalt erkennen lassen. Die daraus ableitbaren Erkenntnisse bilden einen Bezugspunkt für die Ermittlung von Qualifikationsdesideraten und Reflexionsanlässen. Das Erkenntnisinteresse orientiert sich explizit nicht an der Untersuchung problematischer Fallverläufe und möglicher fachlicher Fehler ausgerichtet, sondern nimmt allgemein Interpretations- und Entscheidungsprozesse sowie Verfahrensschritte in den Blick.
  2. Gruppendiskussionen (n=6) mit Fachkräften unterschiedlicher Jugendämter. Die Diskussionen adressieren eine Thematisierung von Spezifika der Hilfeplanung in Fällen sexualisierter Gewalt. Dabei werden auch die besonderen Herausforderungen im Bereich inklusiver Hilfeplanungen angesprochen. Der Fokus der Auswertung mittels Dokumentarischer Methode ist auf möglicherweise nicht reflektierte handlungsleitende Orientierungen und Überzeugungen gerichtet. Erkenntnisleitend ist die Frage nach den Voraussetzungen und Bedingungen fachlicher Qualifizierung für die adäquate Gestaltung von Hilfeplanung aus Sicht der teilnehmenden Fachkräfte.
  3. Eine bundesweiten Online-Befragung, mit der die Mitarbeitenden der über 550 Jugendämter in Deutschland adressiert werden. Geplant ist ca. 1.000 Teilnehmer*innen zu erreichen. Auf diese Weise sollen das begriffliche Verständnis und die unterschiedlichen konzeptionellen Ansätze zu Schutzkonzepten differenziert erhoben werden. Auf Grundlage der Ergebnisse sowie deren Diskussion mit den Praxispartner*innen des Projektverbundes werden Qualitätsstandards für Schutzkonzepte in Jugendämtern vorgeschlagen. Damit wird an Arbeiten angeschlossen, die entsprechende Standards bereits für den Bereich Pflegefamilien formuliert haben.

Laufzeit: Oktober 2021 - September 2024

Gefördert durch: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)