Gesellschaftliche Diversität und Phänomene rechtlicher Einheit und Vielfalt in der vormodernen Stadt (II): Effekte konfessioneller und religiöser Vielfalt
2. Werkstattgespräch
Dienstag, 6. September 2022 | 10.00 bis 17.00 Uhr
Ort:
JurGrad (Kettelerscher Hof)
Königsstr. 51-53
48143 Münster
Anmeldung:
bei Nadine Zielinski unter info.evir@uni-muenster.de
Organisation:
Käte Hamburger Kolleg "Einheit und Vielfalt im Recht"
in Kooperation mit dem Institut für vergleichende Städtegeschichte, Münster
Konzept:
Die als Miniserie angelegte Reihe von drei Werkstattgesprächen befasst sich mit dem Wechselverhältnis von gesellschaftlicher Diversität in der vormodernen Stadt und Phänomenen von Vielfalt und Einheit im Recht. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass bestimmte Formen rechtlicher Vielfalt Ausdruck gesellschaftlicher Diversität sind, die sich in der rechtlichen Sonderstellung oder Andersbehandlung bestimmter Gruppen (im positiven wie negativen Sinne) immer wieder neu konstituiert. Im Spannungsfeld rechtlicher Einheit und Vielfalt zeigt sich letztlich der Umgang einer Gesellschaft mit ihrer eigenen Heterogenität. Deutlich wird dies etwa in Gestalt von Minderheitenrechten oder in der Exemtion, also der rechtlichen Herausnahme bestimmter Personen oder Gruppen aus einem Jurisdiktionsbereich. Gleichwohl schlägt sich gesellschaftliche Diversität keineswegs immer in rechtlicher Pluralität nieder. Es stellt sich daher erstens die Frage, unter welchen Umständen welche sozialen und kulturellen Unterschiede innerhalb von Stadtgesellschaften zu rechtlicher Pluralisierung führen. Welche rechtlichen Modelle im Umgang mit gesellschaftlicher Diversität oder postulierter Gleichheit lassen sich in verschiedenen Städten oder auch Stadttypen ausmachen?
Zudem ist herauszustellen, dass die rechtliche Sonderstellung bestimmter Personengruppen oder Gemeinschaften keineswegs in allen Teilbereichen des Rechts gleich war, sondern sich je nach Rechtsbereich unterscheiden konnte. Hier ansetzend interessieren wir uns zweitens für die Frage, welche Rechtsgebiete besonders leicht zugänglich für die Einschreibung oder aber Aufhebung sozialer Differenz waren und welche Unterschiede hier etwa mit Blick auf verschiedene Stadttypen (etwa Reichsstädte, Handels-, Land- oder auch Residenzstädte) oder überregional verschieden ausgeprägte Konstellationen von gesellschaftlicher Diversität (etwa mit Blick auf religiöse/ konfessionelle, sprachliche oder ethnische Vielfalt) ausgemacht werden können.
Für den Zusammenhang von gesellschaftlicher Diversität, Vielfalt und Einheit im Recht in der vormodernen Stadt besonders interessant sind schließlich Phasen beschleunigten Wandels, etwa im Zusammenhang mit oder als Folge von Migrationsprozessen, wirtschaftlichen Auf- und Abschwüngen oder innerstädtischen Unruhen und Aufständen. Hiervon ausgehend wollen wir drittens diskutieren, welche Rolle das Recht in diesen Fällen als Mittel für die Verarbeitung, Ausblendung oder aber Verfestigung gesellschaftlicher Diversität spielte. Welche traditionellen rechtlichen Bevorzugungen und Benachteiligungen wurden überschrieben und welche neu eingeführt?
Diesen generellen Fragen soll in den drei Werkstattgesprächen mit einem phänomenologisch fokussierten Zugriff nachgegangen werden. Im ersten Gespräch lag der Schwerpunkt auf dem Handel als Faktor für Formen von Rechtsvielfalt und Rechtsvereinheitlichung. Im zweiten geht es nun um die Auswirkungen konfessioneller oder religiöser Vielfalt in der Stadt auf Formen von Rechtsvielfalt und Rechtsvereinheitlichung.
In vier Beiträgen sollen einerseits Städte Ostmitteleuropas in den Blick genommen werden, in denen religiöse und konfessionelle Vielfalt in der Vormoderne vollkommen selbstverständlich waren. Dem gegenüber stehen Städte im Alten Reich und England, die zwar ihrerseits ebenfalls durch konfessionelle Vielfalt geprägt waren, die jedoch in einem größeren räumlichen Kontext zu verorten sind, in denen konfessionelle Einheit als Ideal und die Vorstellung der Stadtgemeinschaft als einheitlicher Heilsgemeinschaft prägend war. Als Hypothese lässt sich hier damit davon ausgehen, dass sich in den verschiedenen Regionen Europas verschiedene Muster im Umgang mit religiöser und konfessioneller Vielfalt ausbildeten und sich dies auch im Bereich von Recht und gerichtlicher Praxis niederschlug, etwa mit Blick auf Formen des ‚Ausweichens‘ in religiös bzw. konfessionell anders verankerte Gerichte in familienrechtlichen Fragen oder mit Blick auf die größere Bedeutung einer umfassenden rechtlicher Exemption religiös bzw. konfessionell differenter Minderheiten in der Stadt.
Programm
10.00 Uhr
Begrüßung und Vorstellungsrunde
10.15 Uhr
Olga Kozubska (L’viv/Münster) | Urban Religious Communities in Magdeburg Law Privileges
11.15 Uhr
Kaffeepause
11.30 Uhr
Iryna Klymenko (München) | Rechtlicher Umgang mit gesellschaftlicher Diversität in der frühneuzeitlichen Stadt in Zeiten religiöser Umwälzungen. Der Fall von L'viv um 1600
12.30 bis 14.00 Uhr
Pause
14.00 Uhr
Nikolas Funke (Münster) | Militärische Besatzung, Konfessionelles Zusammenleben und rechtliche Pluralität: Wesel 1614-1629
15.00 Uhr
Kaffeepause
15.15 Uhr
Benjamin Seebröker (Münster) | Zur Abwesenheit konfessioneller Marker in den Strafverfolgungsakten zu Gewaltdelikten in den Städten Lancashires (ca. 1730-1830)
16.15 bis 17.00 Uhr
Abschlussdiskussion und Verabschiedung
Kommentator:innen
Hans-Jürgen Bömelburg (Gießen)
Birgit Emich (Frankfurt am Main)
Jürgen Heyde (Halle/Saale)
Ulrike Ludwig (Münster)
Susanne Lepsius (München/Münster)