Der Sarg
Menschengestaltige Särge wurden im Mittleren Reich, um 1800 vor unserer Zeitrechnung , entwickelt und bis zum Ende der pharaonischen Kultur mit unterschiedlichen Variationen beibehalten. Der Sarg in Münster entstand wahrscheinlich um 980 bis 950 vor unserer Zeitrechung. Typisch für diese Periode sind die gelbe Grundierung und das reiche Dekor an Innen- und Außenwänden sowohl von Sargwanne als auch Deckel. Die Bemalung wurde auf einer Stuckschicht aus Nilschlamm und Häcksel angebracht, über einer Grundierung aus Kreide, Quarz und Leim.
Die Stuckschicht ist gerade am Deckel großflächig abgeplatzt, so dass nur noch einige wenige Szenen der ursprünglichen Dekoration zu erkennen sind. Typisch ist dabei der teilweise sehr dicke Farbauftrag, der einzelne Hieroglyphen oder Symbole reliefartig hervortreten lässt. Das Gesicht ist aus einem gesonderten Stück Holz herausgearbeitet, das auf dem Deckel befestigt ist. Ebenso aus einem gesonderten Stück gearbeitet waren die Hände, die heute verloren sind. Einen Hinweis darauf liefern die Löcher der Verzapfung für die Hände.
Die Motive, die auf dem Deckel aufgemalt und nur noch in Fragmenten erhalten sind, können als verschiedene Symbole, die mit der Regeneration zu tun haben (beispielsweise ein Skarabäus), identifiziert werden. Die Dekoration der Sargwanne ist deutlich besser erhalten, wenn auch die Fußwand vollkommen fehlt. Auf den Außenwänden nennen die Inschriften Opfergaben, die der Verstorbene den Göttern darbringt. Die Szenen zeigen den Toten, wie er vor verschiedenen Göttern im Anbetungsgestus steht, oder aber auch Darstellungen von Gottheiten des Totenreiches. Interessanterweise ist der gezeigte Verstorbene männlich, während die Inschriften für eine Frau, die den Titel "Sängerin des Amun" trägt, gestaltet sind.
Auf den Innenwänden werden Schutzgottheiten gezeigt: Dämonen, in Ägypten als Schützer der Verstorbenen nicht negativ gesehen, tragen unterschiedliche Tierköpfe – Schakal, Schlange oder Pavian. Zwischen den einzelnen Szenen wirken Amulette, die auf der Himmelshieroglyphe stehen. Am Kopfende befindet sich der Ba-Vogel: ein Vogel mit Menschenkopf, der seine Flügel spreizt, um sich mit dem erhaltenen Körper des Verstorbenen zu vereinen.
Besonders farbenprächtig ist das Motiv auf dem Boden der Sargwanne. Zentral ist dabei die Göttin Nephthys, neben Isis die zweite Klagende an der Totenbahre des Jenseitsherrschers Osiris. Sie trägt das emblem "Isisknoten" in ihren Händen. Direkt darunter ist ein Djet-Pfeiler, Emblem des Gottes Osiris, gemalt. So sind die für die Jenseitsvorstellungen wesentlichen Gottheiten – Osiris als Herrscher des Totenreiches, Isis und Nephthys als die Klagenden – auf engstem Raum gezeigt. Die freien Flächen um die Gestalt der Göttin werden von Darstellungen kleiner Gottheiten und symbolträchtiger Tiere (Falke, Geier) und Zeichen eingenommen. Die Verfärbungen auf dem Kleid der Nephthys stammen vom Ausfließen von Balsamierungssubstanzen.