Die Mumifizierung
Wie in vielen anderen Kulturen bedeutet auch im alten Ägypten der Tod nicht das vollkommene Ende, sondern einen notwendigen Übergang in eine andere Existenz. Doch nur durch einen intakten Körper ist es möglich, nach dem Tod weiter existent zu sein. Diese Vorstellung ist wohl durch die Tatsache, dass sich im heißen und trockenen Klima Ägyptens der Körper hervorragend erhält, begünstigt worden. In Sakkara wurden Körper Zeit um 3000 vor unserer Zeitrechung gefunden, die fest in Leinen gewickelt und mit Harz imprägniert sind. bezeichnet. Auch wenn die Praxis der Mumifizierung in mit dem Erstarken des Christentums abnimmt, endet sie erst mit der Arabischen Invasion Ägyptens (641 n. Chr.) und der Einführung des Islam.
In der Werkstatt des Balsamierers wird der Verstorbene auf ein "Löwenbett" gelegt – den Balsamierungstisch mit Löwenfüßen. Der schakalköpfige Gott Anubis gilt als Mumifizierer und ist in dieser Funktion häufig auf Särgen abgebildet. Er entnimmt auch das Gehirn aus dem Schädel des Verstorbenen. Dem Gehirn wird keine weitere Beachtung geschenkt, denn als Sitz des Denkens und der Emotionen gilt das Herz. Das Herz ist wesentlich für die Identität des Menschen, in ihm sind alle Erinnerungen und Taten gespeichert. Dieses wird daher in der Regel im Körper belassen und häufig mit dem so genannten Herzskarabäus ergänzt – dem einzigen Amulett, das im Körperinneren platziert ist.
Als nächster Schritt folgt die Entnahme von Eingeweiden. Dazu wird mit einem scharfen Messer ein Schnitt in der linken unteren Bauchdecke vollzogen. Die Eingeweide werden durch diesen Schnitt entfernt und gesondert mit Natron behandelt. Einige Organe bleiben jedoch im Körper, allen voran das Herz, das als Sitz des Verstandes und Gefühls gilt. Der Schnitt in der Bauchdecke wird nicht vernäht, jedoch ein spezifisches Amulett darauf platziert. Die Organe werden mit Natron behandelt und in Leinentücher gewickelt in vier Gefäße, die so genannten "Kanopen" gelegt.
Der Körper wird nun mit trockenem Natronsalz umgeben, das die Flüssigkeiten entzieht und den Körper austrocknet. Oft wird das Salz inLeinensäckchen gefüllt und um den Leichnam aufgeschichtet – das feucht gewordene Salz kann so leicht ausgetauscht werden. Diese Prozedur, die in der Regel 35 bis 40 Tage dauert, verhindert die Verwesung. Nun wird der von Innereien befreite und trockene Körper mit Salböl eingerieben, das auch oft in die Leibeshöhle gegossen wird. Zuletzt füllen die Balsamierer verschiedene Materialen in den Körper, um ihm etwas Fülle zu verleihen.
Die Umwicklung des Körpers mit Leinenbinden ist ein wesentlicher Abschnitt bei der Mumifizierung: Sie erhält die Unversehrtheit des Körpers und verleiht ihm zusammen mit der Maske und Mumienauflagen das äußere Erscheinungsbild des nun transformierten Menschen. In die Leinenschichten sind Amulette mitgewickelt, die den Verstorbenen schützen sollen. Diese sind an spezifischen Stellen platziert, denn jedes Amulett wirkt für einen bestimmten Teil des Körpers. Die meisten Amulette sind aus blau-grüner Fayence gefertigt, denn dies ist die Farbe der sprießenden Vegetation und damit der Regeneration. Die Form der Amulette zeigt entweder Gottheiten, heilige Symbole oder Tiere sowie Pflanzen.
Die nun fertiggestellte Mumie wird in den Sarg gelegt und mit diesem zum Grab transportiert. Dort findet das Bestattungsritual statt, das wesentlich für die "Belebung" der Mumie ist und die jenseitige Existenz ermöglicht. Dieses Ritual besteht aus mehreren Abschnitten und findet seinen Höhepunkt im "Mundöffnungsritual", bevor der nun transformierte Tote in sein Grab gelegt wird.
Quelle: Angelika Lohwasser/Lena Rauße "Ägyptische Mumien zwischen Rhein und Ems"