Zündende Ideen auf dem Rennrad

Das Ziel fest im Blick hat Daniel Westmattelmann. Den professionellen Radsport verbindet er erfolgreich mit dem Studium.
Foto: Peter Grewer
Ein Student, der im Wintersemester bei rund 30 Grad Celsius mit dem Rad durch die chinesische Inselprovinz Hainan fährt, während seine Kommilitonen Klausuren schreiben, könnte schnell als Faulpelz oder Drückeberger durchgehen. Nicht so Daniel Westmattelmann: Der 23-jährige BWL-Student hat weder am Strand gefaulenzt, noch entspannte Fahrradtouren gemacht. Ganz im Gegenteil, sein Aufenthalt in Südchina war gleichsam kräftezehrend wie nervenraubend: Mit seinem Rennrad-Team "Eddy Merckx-Indeland" hat sich Daniel Westmattelmann, professioneller Rennradfahrer, bei tropischen Temperaturen samt Regenstürmen für den sportlichen Erfolg geschunden.
Obschon der Radsportler alleine auf seiner Rennmaschine sitzt, wöchentlich rund 30 Stunden trainiert und 120 Tage im Jahr durch Europa und die ganze Welt tourt, ist die Universität Münster, die seit 2002 Partnerhochschule des Spitzensports ist, nicht unbeteiligt an der Karriere des 23-Jährigen. „Bei dem hohen zeitlichen Aufwand, den ich für meinen Sport betreibe, bin ich auf Unterstützung der Uni beziehungsweise der Professoren angewiesen“, betont Daniel Westmattelmann. „Das klappt hervorragend.“ In den vergangenen Monaten bestritt er neben seinem Studium unter anderem Rennen in China, Südkorea, Mexiko und Malaysia.
SPITZENSPORT AN DER WWU - 19 Athleten in den Sportarten Bobfahren, Handball, Leichtathletik, Orientierungslauf, Radfahren, Sportschießen, Triathlon, Volleyball und Voltigieren |
Dass Spitzensportlern an der WWU das Studium gelingt, während sie sich intensiv dem Sport widmen, hat sich Prof. Bernd Strauß, seines Zeichens Spitzensportbeauftragter, gemeinsam mit seinem Team und dem Hochschulsport auf die Fahnen geschrieben. 2009 übernahm der Sportpsychologe das Amt und kann mittlerweile rund 20 Studierende in dem Programm vorweisen. Tendenz deutlich steigend. Spitzensportler werden in dem Mentoring-Programm unterstützt und betreut. Denn oft kollidieren Veranstaltungen und Prüfungen mit Wettkämpfen oder Trainingslagern. "Zuerst frage ich die Dozenten. Aber wenn es Probleme gibt, nimmt Professor Strauß den Kontakt auf – dann klappt es eigentlich immer", berichtet Daniel Westmattelmann. In den meisten Fällen gibt es aber keine Probleme. "Die Kollegen kommen den Sportlern in aller Regel sehr entgegen", lobt Bernd Strauß. Daniel Westmattelmann stieß zufällig auf das Spitzensportkonzept der Uni. "Bei den Hochschulmeisterschaften 2009 habe ich Tim Seulen aus dem Hochschulsport-Team kennengelernt, er hat den Kontakt zu Professor Strauß vermittelt", erinnert er sich.
Studierende Spitzensportler erfahren meist von Kommilitonen von dem Programm oder werden durch Berichte in Zeitungen oder auf der Spitzensport-Homepage der WWU aufmerksam. "Es wäre noch besser, wenn schon bei der Einschreibung der Spitzensportstatus vermerkt würde“, betont Dr. Barbara Halberschmidt, Mitarbeiterin des Spitzensportbeauftragten. Das sei allerdings aus Datenschutz-Gründen nicht einfach zu bewerkstelligen. „Wir kooperieren mittlerweile mit Schulen und Vereinen, so dass junge Talente frühzeitig erfahren, dass sie ihren Sport mit einem Studium an der WWU sehr gut verbinden können.“
Dabei geht es auch um eine enge Vernetzung der Spitzensportstrukturen in der Stadt und der Region, wie den Olympiastützpunkten oder dem Sportgymnasium. Zuletzt haben der Spitzensportbeauftragte und sein Team ihre Arbeit im münsterschen Sportinternat vorgestellt. Dort lebte einst auch Ines Bathen. Die 21-Jährige spielt mit dem USC in der ersten Volleyball-Bundesliga und studiert mittlerweile an der Universität Münster Sport und Biologie. „Sie ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es sehr wichtig ist, Sportler frühzeitig über ihre Möglichkeiten und unsere Unterstützung zu informieren“, sagt Bernd Strauß. Gerade vor dem Studium kommt es darauf an, das richtige Studienfach zu finden. Hier bietet die WWU einen erleichterten Zugang für die Spitzensportler in zahlreiche Studienfächer. Außerdem hat das Studierendensekretariat sich auf die besondere Situation von Spitzensportlern eingerichtet und bietet eine spezielle Beratung für ihre Einschreibung an.
"Mit Jetlag und müden Beinen habe ich mich zur Klausur gequält"
Auch im mentalen Bereich sollen die Spitzensportler in Zukunft Unterstützung bekommen. Ein Sportpsychologe, der mit den Spitzensportlern an der Stressregulation und Aufmerksamkeit arbeitet, soll langfristig das Team ergänzen. Ohnehin legt der Spitzensportbeauftragte Bernd Strauß viel Wert auf die Verzahnung von Theorie und Praxis: Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Psychologie, Trainingslehre oder Medizin sollen für die tägliche Arbeit der Sportler nutzbar werden. Ein weiteres Ziel ist es, die Spitzensportler untereinander und mit den Betreuern stärker zu vernetzen. Bobfahrer und Medizinstudent Maximilian Timme trainiert zum Beispiel gemeinsam mit den Leichtathleten. Die Uni-Halle steht den Spitzensportlern genauso wie die dazugehörigen Krafträume stets offen. In der „Hall of Sports“, einem Fitnessstudio, gibt es ebenfalls freien Eintritt. Außerdem erstattet der Hochschulsport den Uni-Sportlern die Reisekosten für Hochschulwettkämpfe und versorgt sie mit Trikots.
So gut die Zusammenarbeit zwischen Sportlern, Betreuern und Lehrkräften auch funktioniert, ein gewisses Maß an Stress müssen die Sportler aushalten. "Einmal kam ich um zehn Uhr abends von einer Tour aus Mexiko. Am nächsten Morgen stand um zehn eine Klausur auf dem Programm. Mit Jetlag und müden Beinen hab ich mich hin gequält", erinnert sich Daniel Westmattelmann, der seine BA-Arbeit mit Bestnote bestanden hat. "Die Doppelbelastung war zwar anstrengend, aber manchmal kamen mir die zündenden Ideen auf dem Rad." Mit einem Vorurteil will der Zeitfahrspezialist aufräumen: "Nur weil ich Prüfungen verschieben darf, heißt das nicht, dass ich etwas geschenkt bekomme." Für den Master in Sportmanagement möchte er in Münster bleiben. Seine berufliche Karriere ist ihm immens wichtig. "Ich habe erlebt, wie sich manche im Profisport verlieren und irgendwann nicht wissen, wie es weitergehen soll. Zurzeit opfere ich viel für das Rennradfahren und tue das gerne, aber mir ist bewusst, dass es ein Leben nach dem Sport gibt." Wenn es nach Daniel Westmattelmann geht, liegt dieses Leben jedoch mindestens zehn Jahre und mehrere Tour-de-France-Teilnahmen entfernt.
Hanna Dieckmann