Präzisionsvorhersagen für Higgs-Produktion am LHC durch π²-Resummation
Antragsteller: Johannes Michel
Projektbeteiligte: Markus Ebert, Johannes Michel, Dr. Frank Tackmann
Fachbereich, Studienrichtung: Institut für Theoretische Physik, WWU / DESY Hamburg
Projekttitel: Präzisionsvorhersagen für Higgs-Produktion am LHC durch π²-Resummation
Fördersumme: 1.000,00 Euro
Kontakt:
Johannes Michel
Institut für Theoretische Physik
Wilhelm-Klemm-Str. 9
48149 Münster
Projektbeschreibung:
Ziel meines Projektes war, die Präzision theoretischer Vorhersagen für die Produktionsrate des Higgs-Bosons am Large Hadron Collider (LHC) weiter zu steigern. Solche Vorhersagen sind wichtig, weil nach der Erhöhung der Kollisionsenergie und -rate im Jahr 2015 viele experimentelle Observablen am LHC mit immer höherer Präzision gemessen werden können – und der genaue Abgleich von Theorie und Experiment eines Tages Aufschluss geben könnte über „Neue Physik“ jenseits des Standardmodells.
Im Projekt sollte das Verfahren der „π²-Resummation“ oder „Resummation zeitartiger Logarithmen“ auf die derzeit genauesten Vorhersagen für ausgewählte Prozesse am LHC angewendet werden, in enger Zusammenarbeit mit meinen beiden Ansprechpartnern am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY, Gruppe Theorie). Untersucht habe ich – den Zielsetzungen entsprechend – den totalen Wirkungsquerschnitt und das Rapiditätsspektrum für die Verschmelzung von zwei Gluonen zu einem Higgs-Boson, die Produktion eines Higgs-Bosons durch Annihilation von Bottom-Quark-Antiquark-Paaren sowie die Annihilation von Quark-Antiquark-Paaren zu Vektorbosonen (Drell-Yan-Prozess). Für die ersten beiden Observablen erwies sich das Resummationsverfahren als besonders ergiebig; die verbliebene Unsicherheit der derzeit besten Vorhersagen konnte annähernd halbiert werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Rapiditätsspektrum, weil im Experiment aufgrund der Geometrie der Detektoren nicht alle Rapiditäten des Higgs-Bosons erfasst werden können. (Entsprechend steht das Rapiditätsspektrum im Zentrum der vorbereiteten Publikation.) Für die weiteren betrachteten Prozesse (Quark-Antiquark-Annihilation) führte das Resummationsverfahren ebenfalls zu verbesserten Unsicherheiten (wenn auch in geringerem Maße), was die Validität des Verfahrens unterstreicht. Für alle Prozesse konnten wir durch vorsichtige Abschätzungsrechnungen sicherstellen, dass das Resummationsverfahren selbst keine zusätzliche Unsicherheit induziert. Über die ursprüngliche Zielsetzung hinaus konnte eine mögliche Ambiguität im Resummationsverfahren für Gluonen-Verschmelzung ausgeschlossen werden, indem die numerische Äquivalenz zweier Zugänge zu Korrekturtermen bei endlicher Top-Quark-Masse gezeigt wurde.
Aus den gewonnenen Ergebnissen konnten wir sogar eine Publikation vorbereiten (preprint numbers: MS-TP-16-30 und DESY 16-216). Das Einreichen des Manuskripts hat sich allerdings aufgrund aufwendiger numerischer Tests mehrfach verzögert. Wir streben jetzt an, das Manuskript in der zweiten Januarhälfte einzureichen. Die Aktualität des Projekts hat darunter glücklicherweise nicht gelitten, da andere verbesserte störungstheoretische Vorhersagen (etwa für das Rapiditätsspektrum) noch außer Sicht sind und statistische Unsicherheiten im Experiment derzeit noch dominieren. Darüber hinaus wird die Resummation zeitartiger Logarithmen auch dann noch relevant bleiben, wenn weitere störungstheoretische Ordnungen verfügbar werden, da es zuverlässig auch auf diese anwendbar sein wird – dies ist eines der Resultate des Projekts. Den im Antrag formulierten Zielen entsprechend wurden die numerischen „Zutaten“ für das Resummationsverfahren auch als Softwaremodul umgesetzt, das im Rahmen eines umfassenderen Pakets für die Veröffentlichung vorgesehen ist. Auf diesem Weg wird eine breite Öffentlichkeit von Nutzer_innen aus Theorie und Experiment direkten Zugang zu den Resultaten erhalten. Die Sichtbarkeit der Resultate für ein Fachpublikum werde ich weiter befördern durch einen Vortrag in der Sektion Teilchenphysik der 81. Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, die im März 2017 in Münster stattfindet.
Gegenstand der Förderung waren fünf einwöchige Aufenthalte am DESY Hamburg im Zeitraum Juli bis September 2016. Die Aufenthalte waren für mich unerlässlich, um im direkten Kontakt mit meinen Ansprechpartnern Berechnungen vorzubereiten, gegenzuprüfen und die Ergebnisse zu diskutieren. Die im Antrag geäußerte Hoffnung, dass sich aus dem Projekt eine vertiefte Kooperation zwischen dem Institut für Theoretische Physik der WWU und der Gruppe Theorie des DESY ergeben könnte, hat sich ebenfalls erfüllt: Im Rahmen meiner Masterarbeit in einer Arbeitsgruppe am Institut in Münster entwickle ich derzeit neue Resummationsverfahren für weitere experimentelle Observablen am LHC, wieder in enger Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten am DESY. Auf eine besonders fruchtbare Zusammenarbeit lässt hoffen, dass in den beiden Arbeitsgruppen an WWU und DESY unterschiedliche Zugänge zu Resummation verfolgt werden, also auch Anschluss an unterschiedliche Fachdiskurse besteht. In dieser Brückenfunktion bin ich zuversichtlich, dass ich von den Erfahrungen aus dem Projekt stark profitieren kann.
Ich möchte mich herzlich bedanken für die Möglichkeit, dieses spannende und am Ende sehr erfolgreiche Projekt durchzuführen. Mein besonderer Dank gilt – neben meinen Ansprechpartnern am DESY Hamburg für die gute und lehrreiche Zusammenarbeit – der Geschäftsstelle Forschungsprojekte Studierender für die ausführliche Beratung und der RKF für die schnelle Entscheidung über den Antrag, die einen frühen Projektbeginn ermöglicht hat.
Die Publikation wurde Mitte Mai 2017 im Journal of High Energy Physics (JHEP) veröffentlicht:
M. Ebert, J. Michel und F. Tackmann: Resummation improved rapidity spectrum for gluon fusion Higgs production, J. High Energ. Phys. (2017) 2017:88, arXiv:1702.00794