Die Erzählungen der Spiele. Workshop zur Computerspielnarratologie
Antragsteller: Christopher Lukman
Fachbereich, Studienrichtung: Fachbereich 9, Kulturpoetik der Literatur und Medien
Projekttitel: Die Erzählungen der Spiele. Workshop zur Computerspielnarratologie
Fördersumme: 1.442,89 Euro
Kontakt: Christopher Lukman
Projektbeschreibung:
Am 9./10.11.2018 fand im Germanistischen Institut ein Workshop zur Computerspielnarratologie statt. Die deutschen Game Studies haben in den letzten fünf Jahren an Fahrt aufgenommen, sodass sich der Workshop das Ziel machte, den Forschungsfortschritt zu reflektieren. Als ästhetisch komplexes Medium funktioniert das Computerspiel maßgeblich anders als die Literatur, sodass die Narratologie durch einen eklatanten Transformationsprozess gehen muss, um überhaupt anwendbar zu sein. Fünf Texte (Neitzel 2007, Hennig 2017, Froschauer 2017, Ryan 2014 und Thon 2016) wurden deshalb ausgewählt und den Teilnehmer*innen als Grundlage zur Verfügung gestellt. Das Format des Workshops sah vor, nicht nur bei Anwesenheit einiger Autoren die Texte zusammen zu diskutieren und kritisieren, sondern infolgedessen an konkreten Computerspielbeispielen zu applizieren. Am Ende der Tage rundete jeweils eine Keynote von Dr. Martin Hennig/Dr. Jan-Noel Thon die verhandelten Themen ab und führte in offene Fragen der Forschung.
Bereits bei der Anmeldung wurde sichtbar, wie gefragt ein solcher Grundlagenworkshop ist. 51 Anmeldungen haben mich erreicht, von denen jedoch einige zurückgezogen wurden. Auf der endgültigen Teilnehmerliste standen 43 Namen, 38 davon sind tatsächlich gekommen. Ich eröffnete den Workshop mit einer Einleitung in die Narratologie am Beispiel von "Super Mario Bros." (JP 1985, Nintendo), um kurz einige zentrale Begriffe und Unterscheidungen der traditionellen Narratologie nachzuliefern und vereinfacht zu erklären, auf welche die Grundlagentexte ständig aufbauen. Das war nötig, weil nicht jeder Teilnehmer bereits über einen narratologischen Hintergrund verfügte, denn neben Promovierenden und Post-Docs saßen ebenso Bachelor- und Master-Studierende aus disparaten geisteswissenschaftlichen Disziplinen im Publikum.
Trotz dieser sehr großen Gruppe waren die Diskussionen anregend und dynamisch. Die Impulsreferate zu den Diskussionsrunden (angefertigt von Robert Matthias Erdbeer, Christopher Lukman und Sophie Stroux) lösten die unterschiedlichsten Fragen bei den Diskutant*innen aus. Es war äußerst hilfreich, die zwei Keynote-Speaker Dr. Martin Hennig und Dr. Jan-Noel Thon über die gesamte Länges des Workshops im Publikum zu haben. Sie stellten nicht nur den Nachwuchswissenschaftler*innen und Studierenden Rede und Antwort, sondern klärten Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten unter sich aus. Ihre unterschiedlichen Ansätze (Kultursemiotik/Transmediale Narratologie) wurden so in ihren Profilen fassbar und auf ihre Kompatibilität hin diskutiert. Es zeigte sich außerdem, wie anspruchsvoll die zusätzliche Theoriearbeit ist, will man Begriffe der Gennette'schen Narratologie für Computerspiele verwenden. Selbst die Einteilung in Discours/Histoire gerät durch die mediale Hybridität des Gegenstands ins Wanken. Um den Ideologien der Computerspiele näher zu kommen, sieht Martin Hennigs Ansatz vielmehr vor, von Tiefen-/Oberflächenstrukturen zu reden und die Momente festzuhalten, in denen Interaktivität zum Zeichensystem wird und semantisch fassbar. Die Diskutant*innen brachten viele persönliche Schwierigkeiten aus vergangenen Forschungsprojekten mit, sodass die Anwesenheit der Experten sich unmittelbar auszahlte.
Die Spielsegmente samt Diskussionsimpulsen verantworteten Julius Noack und Johannes Ueberfeldt zu "What Remains of Edith Finch" (US 2014, Annapurna Interactive) und Christopher Lukman und Nathalie Thiele zu "80 Days" (GB 2014, Inkle). Wir suchten uns jeweils Episoden aus, an denen die Konzepte der Texte illustriert werden konnten. Dank der Doppelbesetzung spielten und analysierten wir die Beispiele in Echtzeit. Insbesondere "Edith Finch" stieß bei den Diskutant*innen auf sehr großes Interesse. Die knapp 70-minütige Diskussion war derart kritisch, dass selbst die eingeladenen Experten auf neue Fragen und Anregungen stießen. Es wurde klar, dass die Computerspielnarratologie durch weitere Medientheorien angereichert werden muss, um dem hochgradig selbstreferenziellen und intermedial verfahrenden Spiel gerecht zu werden.
Die Keynote-Vorträge (Martin Hennig: Computerspiel als Text? Fragen einer kultursemiotischen Computerspielforschung / Jan-Noel Thon: Playing for the Plot? Narrative Komplexität in Indie-Games) gaben sowohl eine Übersicht über derzeitige Ansätze der Game Studies als auch eine Vertiefung in die aktuellen Forschungsprojekte der beiden Sprechenden. Damit kamen sie meiner expliziten Bitte nach, Forschungsdesiderate offen anzusprechen, die Nachwuchsforscher*innen den Einstieg in die Forschung erleichtern sollen. Die hochmotivierten und sehr gut vorbereiteten Teilnehmer*innen äußerten jede Menge positives Feedback, den Wunsch nach einem Folgeprojekt und die Bitte, Kooperationen zu gründen. Die Games AG der Universität Gießen war mit fünf Teilnehmerinnen vertreten, zudem schlug Dr. Hennig ein Netzwerk für Computerspielforschung vor, als Aussicht auf weitere Zusammenarbeit. Außerdem waren Promovierende von der Uni Zürich, der Uni Köln, der Uni Bielefeld, der Uni Bremen und Studierende aus Leipzig, Aachen, Jena und natürlich zahlreiche der Uni Münster anwesend. Die Teilnehmer*innen äußerten ebenfalls viele neue Impulse für die Lehre gewonnen zu haben und haben sich durch das interaktive Format unmittelbar gefordert gefühlt.