Ein Gruß aus dem All
Ein Schlüsselbund klimpert in der Hand von Addi Bischoff, während er den langen Flur in einem Gebäude der Universität entlanggeht. Vor einer Tür bleibt er plötzlich stehen. Ein kurzer Blick nach links und rechts – niemand ist zu sehen. Er zückt einen Schlüssel, öffnet die Tür und schaltet das Licht ein. Auf den ersten Blick dominieren mehrere weiße Hochschränke mit verglasten Doppeltüren den kleinen fensterlosen Raum. Der Wissenschaftler macht einen Schritt nach vorn und schließt die Tür von innen schnell wieder ab. „Nur wenige Personen wissen, was sich hier befindet“, erklärt er. Erst ein Blick in das Innere der Schränke offenbart ihr kostbares Geheimnis: Auf zahlreichen herausziehbaren Einlegeböden, die in einem Abstand von wenigen Zentimetern in den Schränken angeordnet sind, lagern hunderte Meteoritenbruchstücke.
Addi Bischoff ist Professor am Institut für Planetologie und betreut die Meteoritensammlung. Ihre Anfänge gehen auf die frühen 1980er-Jahre zurück, als Addi Bischoff als Doktorand des Mond- und Kraterforschers Prof. Dr. Dieter Stöffler seine ersten Forschungsarbeiten an Meteoriten begann. Als Grundlage seiner planetologischen Forschungen startete er den Aufbau einer kleinen Meteoritensammlung. Nach Gründung des Instituts für Planetologie 1986 kaufte Dieter Stöffler eine mehrere hundert Stücke umfassende Sammlung ein. Insbesondere durch private Ankäufe, Schenkungen und Gegenleistungen für Klassifizierungsarbeiten erweiterte Addi Bischoff den Bestand im Laufe der Jahre kontinuierlich. Mit etwa 4100 unterschiedlichen Exemplaren ist sie heute zahlenmäßig eine der größten Meteoritensammlungen der Welt.
Der Raum, in dem die kosmischen Festkörper gelagert werden, ist nach fachwissenschaftlichen Kriterien klimatisiert und für die Öffentlichkeit unzugänglich. Da Meteorite häufig Metall enthalten, rosten sie schnell. Ein Raumlufttrockner unter der Decke sorgt daher für eine konstante Temperatur und geringe Luftfeuchtigkeit. Die Meteoriten sind fein säuberlich verpackt in verschließbaren Plastiktütchen, die in kleinen durchsichtigen Kästchen lagern. Ein Zettel in jeder Tüte gibt Auskunft über die Art und den Fundort des Meteoriten. Viele Meteorite der Sammlung stammen aus Wüstenregionen wie der Arabischen Wüste, der Sahara oder der Atacama. „Meteorite fallen zwar überall gleich häufig auf die Erde“, erklärt Addi Bischoff. „In der Wüste und im Eis sind die schwarzen Gesteinsbrocken allerdings besser zu sehen. Zudem verlangsamt das kalte und trockene Klima die Verwitterung.“ Die schwarze Oberfläche entstehe durch den Eintritt in die Erdatmosphäre. Dabei werden die extraterrestrischen Körper stark abgebremst und erhitzt, wodurch die obere Schicht schmilzt oder verdampft.
Auffällig ist, dass die meisten Steine nur wenige Zentimeter groß sind. „20 Gramm eines jeden gefundenen Meteoriten beziehungsweise 20 Prozent bei sehr kleinen Bruchstücken müssen an Forschungseinrichtungen abgegeben werden, wenn der gefundene Meteorit einen offiziellen Namen erhalten soll“, erklärt Addi Bischoff. „Für unsere Forschungszwecke ist das ausreichend.“ Für seine Untersuchungen schneidet er die Meteoriten beispielsweise in Scheiben und begutachtet diese Dünnschliffe unter einem Polarisationsmikroskop. Anhand der Farben und Strukturen bestimmt er, aus welchem Material der Stein besteht. Komplette Meteoriten oder größere Bruchstücke sind Ausnahmen in der Sammlung. Neben einer kleinen Ausstellung im Eingangsbereich des Instituts für Planetologie soll eine Auswahl von Schaustücken demnächst wieder im Geomuseum der WWU zu sehen sein.
Zu den Höhepunkten der münsterschen Forschungssammlung zählen Mond- und Marsmeteorite. Auch wenn der Preis für diese seltenen Meteoritenarten in den vergangenen Jahren gesunken ist, haben die Gesteine nach wie vor einen hohen Sammlerwert. „Wir bewahren die größeren Steine aus Sicherheitsgründen in einem Schließfach in der Bank auf“, erklärt Addi Bischoff. „Auf einige kleinere Proben können wir hier allerdings auch zurückgreifen.“ Er wendet sich zu einem Tresor, der sich neben den Schränken ebenfalls in dem Aufbewahrungsraum der Meteoritensammlung befindet. Behutsam nimmt er einen der darin befindlichen Steine – ebenfalls in Plastiktüte und -box verpackt – in seine Hand. Optisch ist der Mondmeteorit nicht von den anderen Meteoriten der Sammlung zu unterscheiden. Seine Herkunft verleiht ihm jedoch eine unverkennbare Aura: Für einen kurzen Moment ist der ansonsten rund 380.000 Kilometer entfernte Himmelskörper zum Greifen nahe.
Autorin: Jana Schiller
Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 6, Oktober/November 2018.