Biotechnologen entschlüsseln Struktur eines zentralen Fotosynthese-Molekülkomplexes
Die Fotosynthese ist die Grundlage eines Großteils des Lebens auf der Erde: Über diesen komplexen Mechanismus fangen Pflanzen und einzellige Algen die Energie des Sonnenlichts ein und wandeln sie in Zucker und Biomasse um. Dabei setzen sie Sauerstoff frei. Pflanzen-Biotechnologen der Universitäten Münster und Queensland (Brisbane, Australien) haben nun gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam die Struktur einer Molekülverbindung visualisiert, die ein zentraler Bestandteil dieser „Energieumwandlungs-Maschinerie“ ist. Die Verbindung wird „Zyklischer Elektronentransport-Superkomplex“ genannt. Die Ergebnisse, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” veröffentlicht sind, ermöglichen nicht nur neue Einblicke in den Fotosynthese-Prozess auf molekularer Ebene, sondern sie könnten auch dazu beitragen, mithilfe von einzelligen Algen in Zukunft fossile Brennstoffe zu ersetzen.
Zum Hintergrund: Es gibt zwei Fotosynthese-Komplexe, Fotosysteme I und II genannt, die bei Licht unterschiedlicher Wellenlänge optimal arbeiten. Der Elektronentransport innerhalb der molekularen „fotosynthetischen Maschine“ kann linear ablaufen, aber auch zyklisch. Am linearen Elektronentransport sind beide Fotosysteme beteiligt. Dabei werden die „Energiespeicher-Moleküle“ NADPH und ATP gebildet. Beim zyklischen Elektronentransport, an dem nur das Fotosystem I beteiligt ist, wird ausschließlich ATP erzeugt. Abhängig von den Lichtbedingungen müssen Fotosynthese betreibende Organismen die richtige Balance finden zwischen der Menge des absorbierten Lichts und ihrem eigenen Energiebedarf. Um diese Balance zu halten, regulieren sie permanent die Intensität, mit der die beiden Elektronentransportwege genutzt werden.
Bereits zuvor hatte es Hinweise darauf gegeben, dass der „Zyklische Elektronentransport-Superkomplex“, bestehend aus einem Protein-Verbund von Fotosystem I zusammen mit seinem assoziierten Lichtsammel-Komplex I und Cytochrom b6f, eine zentrale Rolle in diesem Regulierungsprozess spielt. Die Struktur und damit auch die genaue Funktionsweise des Superkomplexes waren jedoch unbekannt – bis jetzt. Dem internationalen Forscherteam gelang es, den Komplex mit einem aufwendigen Verfahren aus einzelligen Grünalgen der Art Chlamydomonas reinhardtii zu extrahieren und per Elektronenmikroskopie seine Struktur zu bestimmen.
Die beobachtete Konstellation ist dynamisch – die Molekülkomplexe verändern ihre Position zueinander und erlauben damit ein Umschalten zwischen den Elektronentransportwegen. „Dieser Mechanismus ermöglicht es den Organismen, sich auf wechselnde Lichtbedingungen und einen schwankenden Energiebedarf einzustellen“, sagt Prof. Dr. Michael Hippler vom Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. „Der Superkomplex hat sich vermutlich im Laufe von Millionen von Jahren der Evolution nicht verändert und kommt daher bei vielen Pflanzen und auch bei einzelligen Algen vor.“
Prof. Dr. Ben Hankamer, dessen Arbeitsgruppe an der Universität Queensland Solar-Technologien auf der Basis der Fotosyntheseleistung einzelliger Grünalgen einsetzt, weist auf die Relevanz der Entdeckung für mögliche künftige Anwendungen hin – beispielsweise, um fossile Brennstoffe zu ersetzen. Er unterstreicht: „Die biologischen Solar-Technologien könnten helfen, weltweiten Herausforderungen wie dem steigenden Energiebedarf zu begegnen. Um diese Technologien gezielt weiterzuentwickeln, benötigen wir ein genaues Verständnis der molekularen Prozesse, die während der Fotosynthese ablaufen.“
Originalveröffentlichung:
Steinbeck J. et al. (2018): Structure of a PSI–LHCI–cyt b6f supercomplex in Chlamydomonas reinhardtii promoting cyclic electron flow under anaerobic conditions. PNAS, www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1809973115