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Münster (upm)
Dr. Franziska Jahnke (l.) und Dr. Mira Schedensack, Juniorprofessorinnen am Fachbereich Mathematik<address>© WWU - Kathrin Kottke</address>
Dr. Franziska Jahnke (l.) und Dr. Mira Schedensack, Juniorprofessorinnen am Fachbereich Mathematik
© WWU - Kathrin Kottke

"Die Augenblicke der Erkenntnis machen alle fruchtlos anmutenden Stunden wett"

Die WWU-Mathematikerinnen Dr. Franziska Jahnke und Dr. Mira Schedensack berichten über ihre Arbeit

Stunden des Sinnierens, die Annäherung an eine Lösung in kleinen Schritten, eine gesunde Skepsis gegenüber computergenerierten Resultaten: Die WWU-Mathematikerinnen Dr. Franziska Jahnke und Dr. Mira Schedensack erklären in Gastbeiträgen, was mathematische Forschung für sie bedeutet und welches Ziel diese Forschung hat. Beide forschen und lehren im Rahmen der MATHRIX-Juniorprofessuren, die seit 2017 zur Gleichstellung von Frauen und Männern in den mathematischen Wissenschaften etabliert wurden, an der WWU.

 

"Die Augenblicke der Erkenntnis machen alle fruchtlos anmutenden Stunden wett"
Von Dr. Franziska Jahnke (Institut für Mathematische Logik und Grundlagenforschung)

Mathematische Forschung bedeutet für mich, gedankenversunken stundenlang ins Leere zu starren oder immer wieder neu auf ein Blatt Papier zu kritzeln. Natürlich lese ich auch Fachartikel, diskutiere mit meinen Ko-Autoren oder bringe meine Überlegungen zu Papier – aber das Kernstück meiner Arbeit sind doch die Stunden des Sinnierens. Das ist häufig sehr frustrierend, immer wieder drehen sich meine Gedanken im Kreis … Umso wertvoller ist der Moment, in dem eine Einsicht zu reifen beginnt. Banges Hoffen, ob sie den nun notwendigerweise folgenden Prüfungen standhält! Diese Augenblicke der Erkenntnis machen alle fruchtlos anmutenden Stunden zuvor wett und machen gleichzeitig Lust auf mehr.

Ich habe Zahlen, Knobeln und Rätsel schon als Kind gern gemocht. Zum Mathematikstudium hat mich das schöne Wetter nach Freiburg im Breisgau gelockt, wo ich mit der abstrakten Welt der reinen Mathematik in Berührung kam, die mich nicht mehr loslässt. Vor allem die Algebra, das Studium der Lösbarkeit von Gleichungen in verschiedenen Zahlsystemen, und die mathematische Logik, eine Grundlagendisziplin der Mathematik, haben es mir angetan.

Nach dem Diplom habe ich mit einem Stipendium eines EU-Netzwerks an der Universität Oxford in Modelltheorie, einem Teilbereich der mathematischen Logik, promoviert. Das Stipendium ermöglichte es mir, zu vielen Konferenzen zu fahren und dabei Modelltheoretiker aus der ganzen Welt sowie ihre Forschungsgebiete kennenzulernen. Doch das Reisen kann das stille Kämmerlein nur ergänzen und nicht ersetzen! Nach der Promotion bin ich an die WWU Münster gekommen, wo ich erst als Assistentin und nun als Juniorprofessorin lerne und lehre. Seit knapp zwei Jahren bin ich auch Mutter einer Tochter. Seitdem weiß ich: Auch auf einer Spielplatzbank lässt sich durchaus Mathematik betreiben!

In meiner Forschung studiere ich bestimmte Zahlensysteme aus der Algebra (bewertete Körper) mit Methoden der Modelltheorie. Insbesondere geht es dabei um Fragen wie „Wann beschreibt die Arithmetik des Körpers bereits die Bewertung, das heißt, welche Bewertungen sind definierbar?“ oder „Gibt es einen Zusammenhang zwischen den kombinatorischen Mustern, die von der Arithmetik des Körpers kodiert werden, und Eigenschaften der definierbaren Bewertungen auf dem Körper?“. Zur zweiten Frage gibt es eine große und offene Vermutung von Shelah, einem berühmten israelischen Logiker. Ein Beweis oder die Widerlegung der Vermutung scheint noch unerreichbar, dennoch inspiriert und motiviert sie meine Forschung. Erste kleine Teilerfolge beim Entschlüsseln wurden in den vergangenen Jahren erzielt, unter anderem dank meiner Arbeit. Dies nährt die Hoffnung, dass wir durch etliche weitere Stunden des Starrens einer Lösung in kleinen Schritten näher kommen.

 

"Es gibt viele Anwendungsfelder, für die unsere Forschung relevant ist"
Von Dr. Mira Schedensack (Institut für Analysis und Numerik)

Wie berechnet ein Taschenrechner die Wurzel aus 2? Schon bei dieser einfachen Aufgabe kommen numerische Verfahren zum Einsatz. Aus kaum einer Anwendung sind diese noch wegzudenken. Inwieweit man dem Ergebnis aber wirklich Vertrauen schenken darf, ist eine der Grundfragen der numerischen Mathematik, die für komplexere Probleme natürlich umso wichtiger ist. Mein Arbeitsgebiet ist die numerische Behandlung partieller Differentialgleichungen, wie sie zum Beispiel bei der Beschreibung von Phänomenen in den Natur- oder Ingenieurwissenschaften auftreten. Ein Beispiel für ein solches Phänomen ist die Wärmeverteilung in einem Raum: Die Temperatur in einem Ort hängt von der Temperatur in der ganzen Nachbarschaft ab. Durch diese Kopplung ist es im Allgemeinen nicht möglich, eine exakte Lösung zu berechnen. Deswegen werden Lösungen von partiellen Differentialgleichungen mit numerischen Verfahren approximiert, also angenähert.

Seit meiner Promotionszeit an der Humboldt-Universität zu Berlin beschäftige ich mich mit der Entwicklung solcher Verfahren und ihrer Analyse. Es ist offensichtlich, dass solche Verfahren gewisse Kriterien erfüllen müssen. Beispielsweise sollte der Aufwand für die Umsetzung in einem Computerprogramm nicht zu groß sein. Da die Rechenkapazität begrenzt ist und mit vorhandenen Ressourcen - zum Beispiel dem Arbeitsspeicher oder dem Stromverbrauch bei Hochleistungsrechnern - sparsam umgegangen werden sollte, liegt auch die Entwicklung effizienter numerischer Methoden im Fokus meiner Forschung.

Seit Oktober 2017 arbeite ich am Institut für Analysis und Numerik der WWU. Dort erforsche ich gemeinsam mit meinen Kollegen diese Methoden, um zum Beispiel folgende Fragen zu beantworten: Wenn eine Approximation gegeben ist, kann man dann den Fehler abschätzen, ohne dass man die exakte Lösung kennt? Kann man, ohne die exakte Lösung zu kennen, bestimmen, wie man eine Auflösung wählen muss, um die Lösung optimal zu approximieren? Das klingt für viele Personen zunächst abstrakt, aber es gibt tatsächlich viele Anwendungsfelder, für die unsere Forschung relevant ist - wenn man beispielsweise die Auslenkung einer Brücke unter einer Last simulieren möchte, um Schranken an kritische Lasten zu berechnen.

Viele Algorithmen, die speziell bei komplizierten Problemen in der Industrie und anderen Anwendungen, zum Beispiel der Wettervorhersage, zum Einsatz kommen, können mit dem heutigen Wissensstand noch nicht gut analysiert werden. Daher ist eine gesunde Skepsis gegenüber Resultaten, die der Computer bereitstellt, auch immer wichtig. Oft wird in solchen komplizierten Problemen in Ermangelung mathematisch beweisbarer Fehlerabschätzungen heuristisch argumentiert. Dies kann dazu führen, dass sich die Numerik zu Beginn des Mathematikstudiums schwer einordnen lässt.

Auch ich habe in meinem Studium die Numerik zunächst nur als Pflichtveranstaltung belegt. Dabei habe ich erfahren, dass mathematische Beweise im Mittelpunkt stehen. Die beweisbaren Resultate der Numerik beschränken sich häufig auf prototypische Gleichungen. Für diese können dafür aber Fehlerabschätzungen mathematisch hergeleitet werden. Mit diesen vor allem theoretischen Aspekten beschäftige ich mich auch in meiner jetzigen Forschung. Der mathematische Beweis, der im Mittelpunkt meiner Arbeitsweise steht, führt nicht nur auf rigorose Aussagen, sondern durch ihn wächst auch das Verständnis der betrachteten und noch zu entwickelnden Verfahren.

Ein Beispiel meiner Forschung ist eine aktuelle Kooperation mit der Ingenieurwissenschaft. Darin versuchen wir, gewisse Modelle aus der Elastizitätstheorie mit mathematisch fundierten Algorithmen anzugehen, wobei wir die mathematischen Grundlagen für die Simulation dieser Probleme erarbeiten.

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