Ein Blick hinter die Kulissen des "Center for Soft Nanoscience"
Modern, hell und funktional wirkt das „Center for Soft Nanoscience“ (SoN) an der Busso-Peuss-Straße in Münster. Wenn man das Gebäude betritt, merkt man schnell: Es riecht dort noch ganz neu. Tatsächlich ist die Forschung im SoN gerade erst angelaufen. Während in einigen Chemie-Laboren bereits rege Betriebsamkeit herrscht, steht der Einzug anderer Arbeitsgruppen noch bevor. „Das SoN wird ein Hightech-Standort für die Nanowissenschaften“, prognostiziert Physiker Prof. Dr. Helmut Zacharias, einer der beiden SoN-Sprecher. 14 Gruppen aus der Chemie, Physik, Biologie und Biomedizin werden dort Tür an Tür arbeiten. "Damit haben wir erstmals die vier Disziplinen, die in den Nanowissenschaften forschen, unter einem Dach vereint - ein wahrlich einmaliges Gebäude", ergänzt sein Kollege, der Chemiker Prof. Dr. Bart Jan Ravoo. "Unsere Zusammenarbeit wird dadurch einen neuen Schub bekommen."
Dass die Einrichtung in vielen Laboren noch fehlt, ermöglicht einen unverstellten Blick hinter die Kulissen. Dort, wo künftig die Laborausstattung inklusive diverser Großgeräte untergebracht werden wird, sieht man die spezielle Raumtechnik, die für den Betrieb der Geräte unverzichtbar ist. Beispielsweise im Reinraum. Dort untersuchen die Wissenschaftler demnächst Nanostrukturen, die 1000-fach kleiner sind als Staubteilchen. Zum Beispiel werden sie dort photonische Schaltkreise für optische Computer fertigen. Der Reinraum ist für Besucher nicht zugänglich – zu groß ist die Gefahr, dass auch nur ein einziges Staubkorn die Arbeit verfälschen könnte. Alle Mitarbeiter dürfen den Raum nur mit Schutzkleidung betreten, um keine Verunreinigungen einzuschleppen. Im sogenannten Grauraum, der den Reinraum u-förmig umgibt und der bereits deutlich staubfreier ist als jedes Standardlabor, spürt man einen stetigen, kalten Luftzug. Er entsteht durch die aus dem Reinraum strömende Luft – dort drinnen herrscht permanent ein Überdruck, damit keine ungefilterte Luft hineinströmen kann.
Einige Räume weiter befindet sich der Besucher zwar immer noch im Erdgeschoss, ist dennoch plötzlich unter Tage. Denn einige Labore liegen in einem Anbau unter einem Erdhügel, der eigens aufgeschüttet wurde, um empfindliche Experimente von störender natürlicher Strahlung abzuschirmen. Helmut Zacharias öffnet eine dieser Labortüren, der Besucher tritt hindurch, blickt nach rechts. Dort geht es einige Stufen hinunter – in einen leeren, hell erleuchteten fensterlosen Raum. Auf den ersten Blick deutet nichts auf das spektakuläre Mikroskop hin, das dort einmal stehen soll: Mit einem hochmodernen Verfahren, der Kryoelektronentomographie, werden die Forscher damit zum Beispiel Strukturen in Zellen und organischen Strukturen dreidimensional untersuchen und abbilden können.
Ein genauerer Blick auf den Boden des leeren Raumes verrät dem Besucher, wie passgenau das Labor auf das Gerät zugeschnitten ist. Ein schmaler Spalt, der rings um eine große rechteckige Bodenplatte läuft, gibt einen Hinweis: Die 30 Tonnen schwere Bodenplatte aus Beton ist vom übrigen Boden entkoppelt. Sie kann luftgefedert auf Pfeilern schweben und ist in diesem Zustand nahezu keiner Schwingung mehr ausgesetzt. Ansonsten könnte bereits ein einziges vorbeifahrendes Auto die Messungen zunichtemachen.
Zwei Stockwerke über diesem „Unter-Tage-Labor“ sieht es aus, als stünde Bart Jan Ravoo auf der Brücke eines Ozeandampfers, als er aus dem Fenster schaut. Tatsächlich jedoch steht er mit beiden Beinen auf festem Boden – in Raum 120.018, einem noch nicht bezogenen Büro mit Blick gen Süden, in Richtung Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin. Der Raum ist einer von vielen Orten im SoN, an denen die an den Stirnseiten des Gebäudes schräg nach innen gekippte Fassade ins Auge springt. Der Effekt: Der Panoramablick sorgt für viel Licht im Inneren.
Das SoN ist nicht nur ein Gebäude, sondern auch ein gleichnamiger Forschungsverbund. Nicht alle Angehörigen des Verbunds werden in dem neuen Gebäude untergebracht sein – aber allen wird die hochmoderne Technik dort zur Verfügung stehen. Für den Nanoforschungsstandort Münster bedeutet das SoN eine weitere Aufwertung – beispielsweise in Ergänzung des benachbarten Center for Nanotechnology (CeNTech).
Derzeit bereitet sich das Team von Helmut Zacharias auf den baldigen Einzug in das SoN vor. Der Physiker und seine Mitarbeiter werden demnächst auch von den kurzen Wegen in dem Neubau profitieren. „Die besten Ideen entstehen künftig, wenn sich die Mitarbeiter der verschiedenen Gruppen und Fachdisziplinen an der Kaffeemaschine treffen“, mutmaßt Helmut Zacharias.
Das Center for Soft Nanoscience – ein Steckbrief:
Adresse:
Busso-Peus-Straße 10, 48149 Münster (in Nachbarschaft zum Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, dem Nano-Bioanalytik-Zentrum und dem Centrum für Nanotechnologie (CeNTech)
Bauherr:
Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW)
Gesamtfläche:
Fast 8000 Quadratmeter
Gesamtkosten:
Rund 46 Millionen Euro (finanziert aus Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Höhe von 17 Millionen Euro und aus Mitteln des Landes NRW)
Bauzeit:
Rund 36 Monate:
Beginn der Arbeiten auf der Baustelle: April 2015
Übergabe an die Nutzer: November 2017
Arbeitsgruppen in SoN:
Im SoN werden insgesamt rund 140 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 14 Arbeitsgruppen aus den Bereichen Chemie, Physik, Biologie und Biomedizin untergebracht sein. Etwa ein Viertel von ihnen ist bereits ins SoN umgezogen, die restlichen Gruppen folgen in den nächsten Wochen und Monaten.
Die Forschung:
Im SoN erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beispielsweise, wie in der Natur Nanomaterialien mit komplexen Eigenschaften und Funktionen entstehen, um nach diesem Vorbild Nanomaterialien zu erzeugen oder steuerbare Nanomaterialien wie Nanocontainer zu entwerfen. Im Fokus steht dabei auch die Weiterentwicklung der dafür nötigen hochpräzisen Verfahren.
Weitere Informationen zum Neubau:
Der Entwurf für das rechteckige Forschungsgebäude stammt vom Büro Kresings aus Münster. Das SoN hat drei volle Geschosse und oben ein eingerücktes Technikgeschoss; das Gebäude ist teils unterkellert. Im Erdgeschoss sind hochmoderne Reinräume und Großgerätelabore untergebracht. Neben dem Hauptgebäude gibt es einen eingeschossigen zweiten Baukörper, dessen spezielle Fundamente störende Schwingungen minimieren, die die Ergebnisse der äußerst sensiblen Messinstrumente verfälschen könnten. Abgesetzt von dem Forschungsbau, in unmittelbarer Nähe des Eingangs, befindet sich ein eingeschossiges Ver- und Entsorgungsgebäude. Es dient der Lagerung von Gasen und Lösemitteln.
Der Wissenschaftsrat der Bundesrepublik hatte im Jahre 2013 den vorgestellten interdisziplinären Forschungsansatz des SoN als besonders förderungsfähig befunden und daher die Einrichtung eines eigenen Forschungsbaus empfohlen.