WWU-Forscher machen Fliegen-Herzschlag sichtbar
Winzigen Fliegen ins Herz geblickt: Wissenschaftler aus dem Exzellenzcluster „Cells in Motion“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) haben eine neue Methode entwickelt, um den Herzschlag lebender Taufliegen-Puppen sichtbar zu machen und die Pulsfrequenz automatisiert aufzuzeichnen. Das System hat verschiedene Vorteile: Die Aufnahmen werden mit einer Kamera ohne aufwendige Mikroskopie-Technik gemacht. Des Weiteren ist das Verfahren nicht-invasiv, das heißt, es kann am lebenden Tier ohne Eingriff vorgenommen werden. Es ist möglich, mehrere etwa drei Millimeter lange Fliegenpuppen gleichzeitig zu beobachten.
Die Apparatur, die den Blick auf das Fliegenherz möglich macht, ist der sogenannte FIM-Tisch. Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Xiaoyi Jiang vom Institut für Informatik der WWU haben ihn gemeinsam mit Forschern um Prof. Dr. Christian Klämbt vom Institut für Neuro- und Verhaltensbiologie entwickelt. Eigentlich hat der Tisch mit der Plexiglasplatte einen speziellen Zweck, nämlich die Bewegungen von Fliegenlarven automatisiert aufzuzeichnen und auszuwerten. Für die Biologen sind diese Verhaltensinformationen wichtig, um beispielsweise Rückschlüsse auf die Funktionen von Genen ziehen zu können.
Bei der Verhaltensbeobachtung allein ist es jedoch nicht geblieben: Da die Fliegenlarven durchscheinend sind, lassen sich die inneren Organe auf dem FIM-Tisch zumindest teilweise erkennen. Auf dieser Eigenschaft beruht die aktuelle Studie zum Herzschlag – und auf einem Zufall: „Irgendwann hatten wir Larven auf dem Tisch, die sich auf den Rücken drehten. So haben wir gesehen, dass man in dieser Position mit unserer FIM-Technik das Herz erkennt“, erinnert sich Informatiker Dr. Benjamin Risse, inzwischen Professor und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Informatik. Er hatte den mittlerweile patentierten Beobachtungstisch bereits während seiner Doktorarbeit konzipiert.
Die Visualisierung des Herzschlags verfolgten die Wissenschaftler systematisch weiter – und zwar mit Fliegenpuppen, die regungslos sind und sich daher besser eignen, um den Puls zu studieren. Sie entwickelten Algorithmen, die die pulsierende Bewegung der Fliegenherzen in den Videobildern automatisch erkennen und quantifizieren. Zur Beobachtung legen die Forscher die Tiere in einem frühen Entwicklungsstadium, als sogenannte Prä-Puppen, mit der Bauchseite nach oben auf den FIM-Tisch.
Zum Hintergrund:
Die Taufliege Drosophila melanogaster ist in der Biologie ein wichtiges Forschungsobjekt. Das Herz der Fliege ist zwar deutlich anders aufgebaut als das von Wirbeltieren. Dennoch sind grundlegende Aspekte in der Entwicklung der Funktionen ähnlich wie beim Menschen. Untersuchungen an den Fliegen können daher helfen, das Verständnis menschlicher Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern.
Die Entwicklung der Fliege vom Ei bis zum ausgewachsenen Insekt dauert etwa zehn Tage. Bereits einen Tag nach der Eiablage schlüpft die Larve. In den Folgetagen wächst sie und häutet sich dabei mehrfach. Nach ungefähr fünf Tagen entsteht aus der beweglichen Larve eine unbewegliche Puppe. Innerhalb von weiteren vier Tagen durchläuft die Puppe die Metamorphose – am Ende schlüpft die voll entwickelte Fliege aus der Puppenhülle.
Für den FIM-Tisch wird die „frustrierte totale interne Reflexion“ („frustrated total internal reflection“, FTIR) von Licht genutzt. Daraus ergibt sich der Projektname „FTIR-based imaging method, kurz FIM. Die Methode beruht auf der Lichtreflexion innerhalb der Plexiglasplatte beziehungsweise auf der Beeinflussung der Reflexion durch die zu beobachtenden Organismen.
Originalveröffentlichung:
Berh D. et al.: Automatic non-invasive heartbeat quantification of Drosophila pupae. Computers in Biology and Medicine Volume 93, 1 February 2018, Pages 189-199; https://doi.org/10.1016/j.compbiomed.2017.12.017