"Religionen mit allen Sinnen wahrnehmen"
Der schwarze Buddha aus dem 18. Jahrhundert ist filigran gearbeitet. Die Figur besteht aus Holz und war ursprünglich vergoldet. Die Zeit hat mittlerweile sichtbar ihre Spuren hinterlassen – große Teile der Goldverzierung sind abgeblättert. Auf einem verzierten Lotussockel stehend, hält der Buddha die rechte Hand geöffnet und weist mit den Fingern nach unten. Mit dieser Geste gewährt er dem Betrachter einen Wunsch. Ein Schmuckstück, im besten Sinne des Wortes. Ein kleines Juwel, das der damalige religionswissenschaftliche Lehrstuhlinhaber der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, Prof. Dr. Anton Antweiler, 1957 erwarb und womit er den Grundstein für die religionskundliche Sammlung legte.
"Anton Antweiler wollte Religionen auch über materielle Dinge vermitteln. Deswegen gibt es zahlreiche Stücke, die im Alltag benutzt werden und damit die Alltagsreligiosität widerspiegeln. Religion kann auf diese Weise mit allen Sinnen wahrgenommen werden", erklärt Melanie Möller, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Allgemeine Religionswissenschaft der WWU. Heute wird die Sammlung gemeinsam vom Seminar für Allgemeine Religionswissenschaft und vom Institut für Missionswissenschaft und außereuropäische Theologien unter der Leitung von Prof. Dr. Annette Wilke und Prof. Dr. Norbert Hintersteiner betreut.
Bis Anfang vergangenen Jahres stand die schwarze Buddha-Figur aus dem 18. Jahrhundert im Büro von Melanie Möller. Denn bevor die Sammlung in einem eigenen Raum an der Robert-Koch-Straße 40 untergebracht wurde, waren die Einzelteile in der gesamten Katholisch-Theologischen Fakultät verteilt. Die Stücke standen in Mitarbeiterbüros, Seminarräumen oder in der Bibliothek. Seit 2016 gibt es nun erstmals ein Schaumagazin, das die religionskundliche Sammlung geschlossen zeigt. Neben Figuren sind dort Bilder, Fahnen, Stoffe, Urkunden und Briefmarken ausgestellt. Eines der bedeutendsten Exponate ist ein buddhistischer Reiseschrein aus dem 19. Jahrhundert. Auch ein japanisches Service für Teezeremonien und heiliges Wasser aus dem Ganges in einer kleinen Plastikflasche zählen zu den zum Teil kunterbunten Ausstellungsstücken. Zahlreiche Kunst- und Kultgegenstände stammen aus den ost- und südasiatischen Religionen.
Wissenschaftliche Aufarbeitung fehlt bisher
"Die Sammlung ist eher unsystematisch zusammengestellt. Vieles wurde und wird beispielsweise von Reisen mitgebracht", sagt Melanie Möller. Von der ursprünglichen Sammlung sind zahlreiche Stücke verloren gegangen. Heute ist nur noch ein Drittel – circa 150 Gegenstände – vorhanden. Eigentlich wollte Anton Antweiler die Sammlung in einer musealen Präsentation für jedermann sichtbar machen. Dieser Plan ließ sich jedoch nicht verwirklichen, weshalb sie lange Zeit ein Schattendasein führte. Erst ein Jubiläum brachte sein Vorhaben wieder auf das Tapet: 2012 feierte die Religionswissenschaft in Münster als wissenschaftliche Disziplin ihr 100-jähriges Bestehen. Gleichzeitig gab es die religionswissenschaftlichen Studiengänge seit zehn Jahren. Aus diesem Anlass wurden im Rahmen der Feierlichkeiten einige Stücke ausgestellt. Und so kam der Wunsch auf, die Sammlung dauerhaft an einem Ort zu präsentieren. Bisher fehlt jedoch eine zusammenhängende wissenschaftliche Aufarbeitung der Gegenstände. Es sind nur die Hintergründe einzelner Stücke bekannt. "Die Sichtung und Einordnung der Exponate bedeutet einen großen Arbeitsaufwand, den wir nicht nebenher leisten können. Auch müssten für die meisten Stücke Fachgutachten eingeholt werden", betont Melanie Möller. Trotz dieser schwierigen Umstände wächst die Sammlung weiter.
Seit die Sammlung in einem einzigen Raum untergebracht ist, setzen die Mitarbeiter der Religionswissenschaft sie auch für die Lehre ein. "Wir versuchen die Sammlung aktiv zu nutzen", erläutert Melanie Möller. "Die Studierenden lernen auf diese Weise, wie religionswissenschaftliche Themen für eine breite Öffentlichkeit aufbereitet werden können. So erhalten sie einen Einblick in die Vermittlungs- und Museumsarbeit." Bereits drei Seminare fanden seit dem Sommersemester 2016 in dem neu gestalteten Raum statt. Studierende haben in einer Lehrveranstaltung beispielsweise eine Wechselvitrine in Form einer themenbezogenen Ausstellung über die Frage nach den Vorstellungen von Sterben, Tod und Jenseits in verschiedenen Religionen mit verschiedenen Gegenständen, Fotos und Begleittexten erarbeitet. In einem weiteren Seminar recherchierten Studierende die Hintergründe zu einzelnen Stücken und bereiteten die Informationen für künftige Besucher auf.
Noch ist die religionskundliche Sammlung nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Aber auch das soll sich ändern. Wenn der Campus der Religionen hinter dem Hüfferstift und entlang der Robert-Koch-Straße in einigen Jahren eröffnet werden wird, soll sie in einem Raum in der Bibliothek ihren Platz finden. Aus der Lehr- und Forschungssammlung wird dann auch eine öffentlich zugängliche Museumssammlung. Damit würde sich rund 70 Jahre nach Sammlungsbeginn der Wunsch von Anton Antweiler erfüllen.
Serie
So vielfältig wie die Welt der Wissenschaft, so vielfältig sind auch die Sammlungen der Universität Münster. Ausgestopfte Tiere, antike Skulpturen, Gewebeproben, lebende Pflanzen – all diese Dinge sind für Forschung und Lehre unverzichtbar. Bereits in den Gründungsjahren der Hochschule Ende des 18. Jahrhunderts wurden die ersten anatomischen Modelle angeschafft. Heute stehen Forschern und Studierenden 26 Sammlungen aus allen Wissensgebieten zur Verfügung. Mehrere davon stellen wir Ihnen in der Serie "Sammlungen an der WWU" vor.
Wer sich die religionskundliche Sammlung anschauen möchte, kann sich an Melanie Möller (Telefon: 0251 83-30045, per E-Mail: melanie.moeller@uni-muenster.de) wenden, die eine Führung durch die aktuellen Räume ermöglicht.
Autorin: Kathrin Nolte
Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 8, Dezember 2017.