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Münster (upm/kn)
Austausch mit anderen studierenden Eltern: Anna Gerding besucht regelmäßig mit ihrem Sohn Jan das Studi-Kidz-Café.<address>© WWU - Kathrin Nolte</address>
Austausch mit anderen studierenden Eltern: Anna Gerding besucht regelmäßig mit ihrem Sohn Jan das Studi-Kidz-Café.
© WWU - Kathrin Nolte

Lernen zwischen Hörsaal und Wickeltisch

"Es war eine bewusste Entscheidung von uns, bereits im Studium eine Familie zu gründen"

Ausgelassen rennt Jan durch den mit Spielsachen gefüllten Raum im Haus der Familie. Während der Eineinhalbjährige tobt, tauscht sich seine Mutter Anna Gerding beim Studi-Kidz-Café mit Gleichgesinnten aus. Die Gleichstellungsbeauftragte aus der Gruppe der Studierenden, die Sozialberatung und der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) organisieren zweimal pro Semester die Treffen für Studierende mit Nachwuchs.

Für Anna Gerding und ihrem Ehemann sind Kind und Studium kein Widerspruch. "Es war eine bewusste Entscheidung von uns, bereits im Studium eine Familie zu gründen. Wir können uns die Zeit mit unserem Sohn besser und freier einteilen", sagt die 29-Jährige, die Englisch und Französisch auf Lehramt studiert und gerade ihre Masterarbeit schreibt. "In Prüfungsphasen ist es ziemlich anstrengend, alles unter einen Hut zu bekommen", schildert Anna Gerding. "Für Dozenten ist es eher ungewöhnlich, wenn man um eine Fristverlängerung bittet, weil man ein Kind hat."

Fünf Prozent der Studierenden in Deutschland haben ein Kind

Wirft man einen Blick in die Statistik, haben in Deutschland fünf Prozent der Studierenden ein Kind beziehungsweise mehrere Kinder, wie aus der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks aus dem Jahr 2012 hervorgeht. Die Hälfte davon ist verheiratet. Gegenüber ihren kinderlosen Kommilitonen sind Studierende mit Nachwuchs im Erststudium durchschnittlich 31 Jahre alt und damit 7,6 Jahre älter. Verlässliche Zahlen für die Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU) gibt es nicht, da diese Daten bei der Einschreibung nicht erhoben werden.

Zu den größten Herausforderungen im Universitätsalltag zählen für Eltern zum einen die Studienorganisation und zum anderen die Finanzierung des Lebensunterhalts. "Studierende mit Kind haben andere Zeitressourcen als Studierende ohne Familienverantwortung", sagt Astrid Schäfer, Referatsleiterin Beratungsangebote und der Servicestelle Familienfreundliches Studium des Deutschen Studentenwerks. "Das hat Auswirkungen darauf, wann Lehrveranstaltungen besucht werden können und wie viel Zeit für das Lernen zur Verfügung stehen." Um den Lebensunterhalt zu sichern und das Studium zu finanzieren, arbeiten zahlreiche Eltern zusätzlich. Laut der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks liegt die Erwerbstätigenquote bei 59 Prozent. Neben Beratungs- und Kinderbetreuungsangeboten sind Vergünstigungen, Zuschüsse und spezieller Wohnraum für studentische Familien eine wichtige Unterstützung. "Studierende müssen oft ohne familiäres Netzwerk am Studienort auskommen – dadurch fällt die Hilfe von Oma und Opa weg oder ist nur stark eingeschränkt möglich", erläutert Astrid Schäfer. Auch an der WWU gibt es deshalb vielfältige Angebote: Diese reichen unter anderem von der Beratung des Servicebüros Familie über Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Finanzierungshilfen und das Studi-Kidz-Café bis hin zu Still- und Wickelräumen in zahlreichen Hochschuleinrichtungen.

"Eine wichtige Baustelle bleibt die Entwicklung einer Kultur der Familienfreundlichkeit an Hochschulen"

Nachbesserungsbedarf sieht Astrid Schäfer beim Ausbau flexibler Kinderbetreuungsangebote, bei der qualifizierten Beratung von Studierenden mit Nachwuchs und bei der Einrichtung eines Teilzeitstudiums. "Eine weitere wichtige Baustelle bleibt die Entwicklung einer Kultur der Familienfreundlichkeit an Hochschulen. Es darf zum Beispiel nicht darum gehen, Kinder Studierender 'weg zu organisieren'. Besser wäre, Familiengründung im Studium als eine echte Option der Lebensplanung zu sehen", sagt Astrid Schäfer. Die WWU hat bereits drei Mal das Qualitätssiegel für eine "familiengerechte hochschule" erhalten und wurde damit von der "berufundfamilie Service GmbH", einer Initiative der gemeinnützigen Hertie-Stiftung, für ihre von Familienbewusstsein geprägte Politik ausgezeichnet.

Anna Gerding möchte im November mit ihrem Referendariat beginnen. Bis dahin müssen ihr Ehemann und sie einen Kitaplatz für Jan gefunden haben, um auch die weitere Ausbildungsetappe mit Kind meistern zu können. Angst vor der Veränderung hat  Anna Gerding jedoch nicht: "Bis jetzt ging es immer irgendwie …"

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