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Münster (upm/jn)
Ursula Nelles und Victor van der Chijs trafen sich in Enschede (Niederlande) an der Universität Twente.<address>© Rikkert Harink</address>
Ursula Nelles und Victor van der Chijs trafen sich in Enschede (Niederlande) an der Universität Twente.
© Rikkert Harink

Abschaffen der virtuellen Grenze

Interview mit WWU-Rektorin Ursula Nelles und Victor van der Chijs, Präsident der Universität Twente in Enschede

Die Universitäten Münster und Twente arbeiten seit 1979 zusammen, aber wenn sie sich um gemeinsame Drittmittel bemühen, beschäftigt sie immer noch die Grenze, die zwischen ihnen liegt. "Es ist nicht ganz einfach für uns, Programme zu finden, die sich für die grenzübergreifende Zusammenarbeit eignen." Rektorin Ursula Nelles und Präsident Victor van der Chijs hoffen, diese 'virtuelle Grenze' abzuschaffen, indem sie das Netzwerk bis nach Groningen und Oldenburg ausweiten.

"Wir lieben einander sehr", lacht Victor van der Chijs, Präsident der Universität Twente (UT), als er gefragt wird, wie eng die Beziehungen zwischen seiner Universität und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) sind. "Das ist die gute Nachricht", lächelt Rektorin Ursula Nelles. Beide Universitäten arbeiten seit 1979 in vielfacher Weise zusammen: von Forschungsprogrammen zu gemeinsamen Studiengängen und Austauschstudierenden. Ihre Beziehung mag zwar eng sein, aber es kommt vor, dass sich beide Partner monatelang nicht sehen. Das macht gar nichts, finden sie. Bei der Zusammenarbeit zwischen UT und WWU komme es nicht auf die Führungsspitze an, sondern auf die (wissenschaftlich) Beschäftigten. Van der Chijs: "Die Zusammenarbeit wurde immer bottom-up angestoßen. Es würde nicht funktionieren, in der Welt der Wissenschaft Zusammenarbeit anzuordnen. Die Wissenschaftler müssen die Freiheit haben, sich zu entscheiden, ob und wie sie zusammenarbeiten möchten. Das ist ein natürlicher Prozess, und er wächst. Manchmal langsam, auch wenn man möchte, dass es schneller ginge, aber auf jeden Fall stetig." "Wissenschaftler tun nicht unbedingt das, was man ihnen sagt. Sie sollten besser Anreize erhalten als zu etwas gedrängt zu werden", erklärt Van der Chijs die Bottom-up-Strategie. Die Leitung sollte nur eine anregende und unterstützende Rolle haben. Nelles veranschaulicht dies mit einer deutschen Redewendung: "Es ist leichter, einen Sack Flöhe zu hüten als einen Sack voller Wissenschaftler."

Vorteile

Ursula Nelles and Victor van der Chijs sprachen über die langjährige Kooperation der Universitäten Münster und Twente.<address>© Rikkert Harink</address>
Ursula Nelles and Victor van der Chijs sprachen über die langjährige Kooperation der Universitäten Münster und Twente.
© Rikkert Harink
Laut Van der Chijs profitieren Twente und Münster beide deutlich von ihrer Nähe zueinander. Und er sieht noch mehr Möglichkeiten: "Münster ist zum Beispiel von Twente aus die nächste Uniklinik. Bisher haben wir dieses Potential nicht genutzt, aber das wäre durchaus denkbar für die Zukunft, vor allem für die Technische Medizin." Nelles erklärt: "Ich versuche, meine Medizinprofessoren und -professorinnen in genau diese Richtung zu bewegen: Arbeiten Sie mehr mit Twente zusammen, denn unsere Universitäten sind sehr komplementär, mit einem starken Schwerpunkt auf der Technologie. Twente bietet, was wir nicht haben – und umgekehrt." "In Münster haben wir viel davon gelernt, wie MESA+ (Institut für Nanotechnologie) aufgebaut wurde", fährt sie fort. "CeNTech, unser Zentrum für Nanotechnologie, arbeitet sehr eng mit MESA+ zusammen. Professoren und Professorinnen aus Twente arbeiten sogar als assoziierte Professoren bei uns in Münster und umgekehrt: Wir haben gesehen, dass Twente dauernd versucht hat, uns Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen abzuwerben, und wir haben immer versucht, Forscher und Forscherinnen aus Twente zu bekommen. Also haben wir uns gefragt: Warum nutzen wir nicht dieselben Forscher und Forscherinnen?"

Internationales Netzwerk

Da beide Universitäten sich in einem fortlaufenden Internationalisierungsprozess befinden, überlegen Nelles und Van der Chijs, dass sie auch von dem Netzwerk des jeweiligen Partners profitieren könnten. Die WWU hat enge Beziehungen zu etlichen brasilianischen Universitäten und könnte die UT gut in Brasilien einführen. Und umgekehrt: Warum sollte die WWU nicht die Verbindungen der UT beispielsweise nach Afrika und Indonesien nutzen? Nelles: "Von außen betrachtet ist Europa ein sehr kleiner Kontinent. Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns – nur als Vision – gemeinsam China anschauen könnten. In China sucht man sich sehr sorgfältig die besten europäischen Universitäten aus, die man als Partner haben möchte. Wenn wir ihnen ein Doppelpaket bieten könnten, wäre das eine gute Strategie."

Grenzen im Kopf

Natürlich sehen beide Universitäten noch viele weitere Vorteile für ihre Zusammenarbeit. "Es gibt noch viel zu tun", sagt Van der Chijs, "zum Beispiel im Bereich der Mitarbeiter in Technik und Verwaltung. Hier haben wir fast noch nichts gemeinsam gemacht. Natürlich kann man sehr viel von den Best Practices des Partners lernen. Es zahlt sich aus, uns gegenseitig zu besuchen, um zu sehen, wie einige Dinge beim Partner gehandhabt werden, und davon zu profitieren."

Laut Nelles ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass Zusammenarbeit keine Grenzen kennt. Aber sie räumt ein, dass es dabei doch eine Herausforderung gibt: "Die Grenze im Kopf." Die politische Grenze macht es kompliziert, Fördermittel für gemeinsame Forschungsanträge zu erhalten, da die nationalen Forschungsförderorganisationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Niederländische Organisation für Wissenschaftliche Forschung (NWO) nicht auf grenzüberschreitende Verbünde ausgerichtet sind. "Es ist nicht ganz einfach für uns, Programme zu finden, die sich für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eignen. Das ist ein Hindernis für die Forscher, da sie versuchen müssen, Mittel sowohl für den deutschen als auch den niederländischen Programmanteil zu erhalten."

Wie immer gibt es auch hier eine Kehrseite der Medaille, ergänzt sie. "Nur dank dieser virtuellen Grenze liegen wir nicht im Wettbewerb mit Twente. Wenn wir als Nachbarn um dieselben nationalen Mittel konkurrieren müssten, wäre dies vielleicht problematischer als Nachbarn zu sein, die ihren jeweils eigenen Weg finden müssen, um Fördergelder zu erhalten."

"Twente bietet, was Münster nicht hat – und umgekehrt."
Rektorin Ursula Nelles

Van der Chijs ergänzt, dass die Zusammenarbeit in Europa auch ein Vorteil ist. "Wenn wir einen EU-Antrag für das Programm Horizont 2020 einreichen, wird uns unser transnationaler Zuschnitt einen Schritt weiterbringen."

Größeres Viereck

Um die Grenze zwischen Münster und Twente leichter zu überwinden, regt Nelles an, in der Region ein Netzwerk der Zusammenarbeit aufzubauen und mit dem Viereck Twente – Groningen – Oldenburg – Münster zu beginnen. "So haben wir zwei 'Euregios' mit zwei möglichen Finanzierungsquellen." Zu einem späteren Zeitpunkt könnten auch Wageningen, Nimwegen und Dortmund Partner im neuen Netzwerk sein, und sogar Maastricht und Aachen, um die Zusammenarbeit beim Einwerben von Drittmitteln weiter zu stärken. Auch wenn das erste Treffen mit Oldenburg und Groningen noch in Planung war, als Nelles den Plan vor dem Sommer angeregt hat, scheint sie einen ehrgeizigen Zeitplan zu haben: "Meine Amtszeit endet im September 2016. Ich möchte, dass das Viereck bis dahin steht", sagt Nelles, die gute Kontakte nach Oldenburg hat. "Das werde ich im Blick behalten", lächelt Van der Chijs, als er bemerkt, dass nur ein Jahr bleibt. Er fährt fort: "Wir haben gute Beziehungen zu Groningen und Nimwegen. Das Viereck wird kommen, es ist nur eine Frage der Zeit."

Autoren: Paul de Kuyper und Peter Wichmann

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