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Münster (upm/ap).
Gesprächssituation zwischen Ärtzin und Patient.<address>© Gina Sanders - Fotolia.com</address>
Eine gelungene Kommunikation zwischen Ärztin und Patient ist kein reiner Wohlfühlfaktor, sondern ein entscheidender Baustein der medizinischen Behandlung.
© Gina Sanders - Fotolia.com

„Wir wollen mit KI die Kommunikation in der medizinischen Behandlung verbessern“

1,5 Millionen Euro für für neues Forschungsprojekt in der Psychologie

In der medizinischen Behandlung finden individuelle Persönlichkeitsunterschiede zwischen Patientinnen und Patienten bislang wenig Beachtung, obwohl sie für den Behandlungserfolg entscheidend sein können. An diesem Defizit setzt das neue Forschungsprojekt „Personalization TrAIning in Medicine (PerTRAIN) – Integrating State-of-the-Art Personalized Knowledge and Technologies into Medical Education“ des Psychologen Prof. Dr. Mitja Back von der Universität Münster an. Im Interview mit Anke Poppen spricht er über Hintergründe und Ziele der auf fünf Jahre angelegten Studie, die die „Volkswagen-Stiftung“ mit knapp 1,5 Millionen Euro fördert.

Was ist der Ausgangspunkt Ihres Forschungsvorhabens?

Die Kommunikation zwischen einem Arzt und einem Patienten ist entscheidend für den Behandlungserfolg. Je genauer ich meine Beschwerden schildere, desto zielführender kann ich therapiert werden. Je besser ich mich verstanden fühle, desto eher werde ich den Behandlungsempfehlungen folgen. Es gibt einen Trend zu personalisierten Maßnahmen in der Behandlung, der bezieht sich bisher aber vor allem auf die Vergabe spezifischer Medikamente oder die Zuweisung zu bestimmten Behandlungen. Wir setzen bei der Kommunikation an und machen Erkenntnisse aus der Psychologie über die Effekte unterschiedlicher Persönlichkeitsmerkmale für die Arzt-Patient-Kommunikation nutzbar.

Portraitfoto Prof. Dr. Mitja Back<address>© Thomas Mohn</address>
Prof. Dr. Mitja Back
© Thomas Mohn

Aber Medikamente wirken doch unabhängig von meinen Persönlichkeitsmerkmalen. Warum sollten diese eine Rolle spielen?

Deren Berücksichtigung ist kein reiner Wohlfühlfaktor. Schambesetzte Symptome anzusprechen, fällt selbstsicheren Personen leichter als zurückhaltenden Menschen. Schmerzmittel können viel effektiver eingesetzt werden, wenn Patienten ihre Beschwerden präzise benennen könnten. Die Art, darüber zu sprechen, variiert je nach Persönlichkeitsmerkmal, zum Beispiel ob jemand eher dominant oder schüchtern auftritt. Diese Unterschiede zwischen Patientinnen und Patienten zu erkennen, zu berücksichtigen und passend zu reagieren, macht einen wesentlichen Teil der Kommunikationskompetenz von Ärztinnen und Ärzten aus. Eine passgenaue Therapie ist entscheidend für den Behandlungserfolg und damit auch ein ökonomischer Faktor: Durch falsche Behandlung entstehen unnötige Kosten.

Wie kann künstliche Intelligenz dabei helfen, die Kommunikation zwischen Ärztin und Patient zu verbessern?

Wir werden im Projekt sogenannte LLMs (Large Language Models), also KI-gestützte Sprachmodelle, die Texte erkennen und produzieren können, so trainieren, dass wir damit die Kommunikation mit unterschiedlichen Persönlichkeiten ermöglichen. Ängstliche Personen sprechen eher zögerlich und sagen zum Beispiel häufig ‚ich weiß nicht, ich bin unsicher…‘, während Menschen mit dominanten Zügen offensiver sind und Dinge infrage stellen. Am Ende wird ein Trainingsprogramm entstehen, mit dem angehende Ärztinnen und Ärzte die Kommunikation mit vielen unterschiedlichen virtuellen Interaktionspartnern üben können, bevor sie auf reale Patienten und Patientinnen stoßen.

Automatisierte Kommunikation kann also die zwischenmenschliche Kommunikation bereichern?

Genau. Das ist ein wichtiger Punkt: KI ist in unserem Projekt kein Ersatz für persönliche Kommunikation, sondern soll diese verbessern. Sehr verletzliche, ängstliche Personen können beispielsweise davon profitieren, wenn Ärzte Gesprächssituationen mit entsprechend programmierten Chat-Bots und Avataren proben und dabei lernen, wie sie belastende Themen ansprechen können, ohne ihr Gegenüber zu überfordern.

Wie sieht die Arbeit an diesen personalisierten Kommunikationslösungen konkret aus?

In der Entwicklung arbeiten wir mit dem Institut für Ausbildung und Studienangelegenheiten der medizinischen Fakultät zusammen, wo das Modell in der Praxis fortlaufend getestet wird. Außerdem kooperieren wir mit dem münsterschen IT-Unternehmen Tapdo und Informatikern der Universität Münster. Wir werden existierende und neue Sprachmodelle nutzen und weiterentwickeln und diese sukzessive in immer komplexere Interaktionssysteme integrieren – von Chats bis hin zu Virtual Reality. So gewinnen wir skalierbare, wissenschaftsbasierte und von großen Tech-Unternehmen unabhängige Werkzeuge, mit denen wir das Training einer individuellen Kommunikation zwischen Ärztin und Patient in der medizinischen Ausbildung und Praxis verankern.

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