Universität Münster gibt Marmorkopf ungeklärter Provenienz zurück
Einen antiken Marmorkopf ungeklärter Herkunft hat die Universität Münster nun dem griechischen Staat zurückgegeben. Das Archäologische Museum der Universität hatte den Kopf 1989 aus Essener Privatbesitz übereignet bekommen, aber es bleibt ein Rätsel, wie die Stifter an das antike Stück kamen und wer es wann vom ursprünglichen Aufstellungsort entfernte. „Deshalb haben wir uns entschieden, den Kopf nach Thessaloniki zurückzugeben“, erläutert Prof. Dr. Achim Lichtenberger, Direktor des Museums, der mit Rektor Prof. Dr. Johannes Wessels nach Thessaloniki reiste, um der griechischen Kulturministerin Lina Mendoni und der Direktorin des dortigen Archäologischen Museums, Dr. Anastasia Gadolou, das Objekt zu übergeben.
„Die Restitution dieses wichtigen kulturellen Artefakts ist unsere ethische Pflicht“, betonte Johannes Wessels bei der Übergabe des römischen Porträtkopfes an das Archäologische Museum in Thessaloniki am 19. November (Dienstag). Die Provenienzforschung sei zudem beispielhaft für das gute Zusammenwirken von Geistes- und Naturwissenschaften. Achim Lichtenberger sieht die Übergabe mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Für mich als Leiter einer Universitätssammlung ist es ein wenig schmerzlich, dass ein so spannendes Objekt unsere Sammlung verlässt. Aber als Archäologe freue ich mich, dass dieses Marmorporträt an seinen Ursprungsort zurückkehrt und zusammen mit anderen Stücken aus denselben Werkstätten wieder in seinem ursprünglichen historischen Kontext betrachtet und untersucht werden kann.“
Bereits 2019 hatte das Archäologische Museum nach selbst initiierten Recherchen einen antiken Marmorkopf aus Fondi, 117 Kilometer südöstlich von Rom, an den italienischen Staat zurückgegeben, weil eine unrechtmäßige Ausfuhr nachgewiesen werden konnte. Im Fall des griechischen Kopfes, der zweifelsfrei aus einem Grabrelief herausgelöst wurde, ist nicht klar, wie er auf den Kunstmarkt gelangte. Bislang wurde er in der Fachliteratur nicht erwähnt. Nun haben Achim Lichtenberger und Dr. Helge Nieswandt vom Archäologischen Museum sowie Prof. Dr. Laura Stutenbecker und Prof. Dr. David De Vleeschouwer vom Institut für Geologie und Paläontologie seine Herkunft genau bestimmt. Die beiden Archäologen konnten anhand der Haartracht mit Sichellocken, der Ausarbeitung der Augen sowie des Mundes und der Rekonstruktion der heute fehlenden Nase eine charakteristische Übereinstimmung mit kaiserzeitlichen Grabreliefs in Thessaloniki festmachen. Sie gehen davon aus, dass der Kopf vor 150 n. Chr. geschaffen wurde.
Wir wollen Länder wie Griechenland moralisch unterstützen, die in der Vergangenheit geplündert wurden und sich um die Rückgabe ihrer Altertümer bemühen.Laura Stutenbecker und David De Vleeschouwer untersuchten die Zusammensetzung des Marmors und verglichen sie mit Analysen, die im vergangenen Jahr an ausgewählten Marmorobjekten im Archäologischen Museum in Thessaloniki vorgenommen worden waren. Die Ergebnisse belegen, dass es sich um einen dolomitischen Stein handelt, dessen Isotopenverbindungen auf eine Herkunft aus Steinbrüchen auf der Insel Thasos im Nordosten Griechenlands schließen lassen. Von dort stammen auch die Porträtköpfe, die bereits im Archäologischen Museum in Thessaloniki aufbewahrt werden.
„Wir können den Schaden, der durch illegalen Kunsthandel und illegale Ausgrabungen entstanden ist, nicht ungeschehen machen“, räumt Achim Lichtenberger ein. „Aber wir können zumindest tun, was in unserer Macht steht, um ihn zu begrenzen und das Bewusstsein für das Problem zu schärfen. Wir wollen auch Länder wie Griechenland moralisch unterstützen, die in der Vergangenheit geplündert wurden und sich um die Rückgabe ihrer Altertümer bemühen.“
Hintergrund
Museen, Bibliotheken und andere Institutionen geben Kunstgegenstände, die unrechtmäßig erworben wurden, seit einigen Jahren verstärkt zurück. Während dabei seit 1998 zunächst Raubkunst aus der Zeit des Nationalsozialismus im Fokus stand, wird jetzt auch die Herkunft von Stücken beispielsweise aus kolonialen Kontexten erforscht. In den Anfangsjahren der Archäologie im 19. Jahrhundert gab es in den Ursprungsländern zwar bereits Gesetze, die den Antikenhandel verboten. Doch diese wurden oft nicht beachtet. Illegale Raubgrabungen zerstörten bei der Suche nach wertvollen Objekten unwiederbringlich Kulturgut. Immer wieder gelangten und gelangen antike Artefakte in den Kunsthandel. Das Archäologische Museum der Universität Münster bemüht sich, die Provenienz von Artefakten in seinen Beständen aktiv zu ermitteln und problematische Objekte zu restituieren.