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Münster (upm/lp).
Auch in diesem Jahr lockte die „SlushʼD“ vom REACH zahlreiche Teilnehmer an.© Uni MS - Linus Peikenkamp
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Pitchen mit Festival-Flair

Die „SlushʼD“-Start-Up-Messe in Enschede bietet Gründern und Investoren Austauschmöglichkeiten der anderen Art. Eine Reportage.

Passanten staunen nicht schlecht, als sie an diesem sonnigen Tag am Parkhotel im Nordwesten Enschedes vorbeigehen. Ein roter Teppich liegt im Eingang, launige Beats schallen aus dem Außenbereich, passend zu aufflackernden bunten Lichtern. Das Hotel auf dem Gelände der Universität Twente verwandelt sich an diesem Tag in einen Schauplatz mit Festivalcharakter. Doch es handelt sich nicht etwa um die Internationalen Filmfestspiele oder die Nobelpreisverleihung. Nein, der rote Teppich führt zum „SlushʼD“, ein vom REACH – EUREGIO Start-up Center der Universität und Fachhochschule Münster gemeinsam mit „Novel-T“ – dem Pendant des REACH der Universität Twente – organisiertes Event. Mehr als 300 Gründerinnen und Gründer, über 100 Investorinnen und Investoren und viele weitere Gäste sind gekommen, um in lockerer Atmosphäre zu netzwerken. Zahlreiche Banner und Poster plakatieren das Motto des Tages: „Where seeds sprout and grow even bigger“ – Wo Samen sprießen und noch größer werden.

Mein Gefühl, anstelle eines Start-up-Events eine Party zu besuchen, verstärkt sich beim Betreten des Geländes.  Ich bekomme als erstes ein Festivalbändchen ums Handgelenk gebunden, was mich nunmehr als Teilnehmer markiert. Ein paar Schritte weiter bietet mir eine Mitarbeiterin eine kühle Limonade an. „Stay hydrated“ ist aufgrund der knapp 30 Grad Lufttemperatur das zweite Motto des Tages. Ich trinke einen Schluck und lasse meinen Blick über den Veranstaltungsort schweifen: ein hübsch bepflanzter Außenbereich mit Sofaecken, in denen bereits einige Gründer mit Investoren zusammensitzen und möglicherweise auf ihren nächsten Deal hinarbeiten, eine Getränkebar, ein kleines Buffet – und direkt vor mir ein Whirlpool. Ich erinnere mich daran, dass in der Einladungsmail empfohlen wurde, Badesachen mitzunehmen. Jetzt weiß ich, warum.

Um genau 13 Uhr ertönt auf einer Bühne ein kurzer Hip-Hop-Jingle. Diesen sollte ich im Verlauf des Tages noch öfter hören, er läutet einen neuen Programmpunkt ein. In diesem Fall die Begrüßungsveranstaltung. Ich geselle mich zu den vielen weiteren Besuchern unter einen Pavillon vor der Bühne und lausche den Grußworten von Mike Verkouter, Veranstalter der „SlushʼD“, und Prof. Dr. Vinod Subramaniam, Präsident der Universität Twente. Kurz und knapp stellen sie das Programm des Tages vor und klären auf, dass wir uns in diesem Moment auf der „Start-up Stage“ befinden, einer von drei Bühnen, auf denen später Vorträge, Podiumsdiskussionen und Pitches stattfinden. Die anderen zwei Bühnen, die „Founders Stage“ und das „Builder Studio“, befinden sich im Innenraum des Hotels. Nach zehn Minuten sind die Grußworte gesprochen und die Veranstaltung wird mit einer Konfettikanone eröffnet.

Sofort bahnen sich die Besucher ihren Weg durch die Menschenmengen zu den Programmpunkten ihrer Wahl. Vorab konnte jeder Teilnehmer in einer App den Zeitplan einsehen, Programmpunkte vormerken und mit anderen Gründern oder Investoren in Kontakt treten. Ich bleibe auf der „Start-up Stage“, denn hier beginnt in wenigen Minuten der erste Teil des Pitch-Wettbewerbs, an dem vier Start-ups teilnehmen, unter anderem „Nevalu“ und „Qodev“ vom REACH. Eine einzigartige Möglichkeit für die Gründer, ihre Unternehmen vorzustellen und im besten Fall einen Investmentvertrag zu schließen. Doch es wird ihnen nicht leicht gemacht: Für ihren Vortrag haben die Redner jeweils nur drei Minuten Zeit, im Anschluss kann die Investoren-Jury für zweieinhalb Minuten Fragen stellen. Wie funktioniert euer Geschäftsmodell? Habt ihr schon ein Patent angemeldet? Welche Regularien stehen euch im Weg? Ich bin beeindruckt, wie souverän die Redner mit der knappen Zeit und den spontanen Fragen umgehen – das empfinden auch die Jurymitglieder so. Nachdem alle Vorträge gehalten und Fragen beantwortet worden sind, zieht sich die Jury zurück, um über den Gewinner zu beraten. Dieser erhält zwei Tickets für das „Slush“ in der finnischen Hauptstadt Helsinki im November. Das ist das gleiche Event wie in Enschede, nur bedeutend größer. Vergangenes Jahr zählte die „Slush“ über 13.000 Besucher. Daher trägt das „SlushʼD“ in Enschede als regionale Edition einen bescheidenen Zweitnamen: „Little Helsinki“.

Weiter geht es im „Builder Studio“. Dort moderiert Christin Menke vom REACH ein Gespräch über die Frage, wie man das perfekte Team für sein Start-up zusammenstellt. Die Gesprächspartner sind wahre Experten auf dem Gebiet: Rene Roord ist ehemaliger Profifußballer und leitet nun die Frauenfußballabteilung des FC Twente, Giels Brouwer ist CEO einer Softwarefirma in Den Haag. Sie tauschen sich darüber aus, wie sie sich ein Team an Arbeitskräften zusammengestellt haben, worauf sie im Vorstellungsgespräch achten und wie man die undankbare wie unvermeidbare Herausforderung meistert, Mitarbeitenden zu kündigen. Die rund 50 aufstrebenden Unternehmer im Publikum hören genau hin.

„Der Pitch war das Highlight des Tages“

Kaum ist der Vortrag vorbei, höre ich von draußen den altbekannten Jingle – Teil zwei des Pitch-Wettbewerbs beginnt! Das Prinzip ist dasselbe: drei Minuten pitchen, zweieinhalb Minuten die Fragen der Jury beantworten. Zum ersten Mal an diesem ansonsten so lockeren Tag nehme ich einen Hauch Nervosität bei den Teilnehmern wahr. Aber nicht bei Vincent Fischer, CEO des vom REACH geförderten Start-up „Truion“. Er ist als dritter an der Reihe und stellt seiner Jury prägnant vor, welche Methoden sein Start-up zur Erkennung und Behandlung männlicher Unfruchtbarkeit entwirft. „Der Pitch war für mich das Highlight des Tages“, erzählt er später. „Er war eine großartige Gelegenheit, dem Publikum von unserem Vorhaben und Werdegang zu berichten und uns dem niederländischen Markt vorzustellen. Auch dort wollen wir in Zukunft Paaren mit Kinderwunsch helfen.“

Während im Hotelgarten bereits alles für die große Aftershowparty vorbereitet wird, baut sich auf der „Start-up Stage“ ein letztes Mal Spannung auf. Wer bekommt die Tickets für Helsinki? Die Stimme des Moderators wird lauter, Feuerfunken schießen aus dem Boden, die Entscheidung wird verkündet. Gewinner sind ein Start-up aus der Biomedizintechnik und eines aus der Informationstechnologie – leider ist vom REACH keines dabei. „Verdiente Sieger“, gesteht Vincent Fischer. „Es ist zwar etwas schade, aber vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr. Die Slush in Helsinki läuft uns nicht weg.“ Obwohl es nicht für die Tickets gereicht hat, war das Event für den jungen Gründer dennoch nicht umsonst. „Die Expertenvorträge, die Pitches der anderen Start-ups, bilaterale Gespräche mit verschiedenen Persönlichkeiten in einer informellen und gleichzeitig seriösen Atmosphäre – all das macht die SlushʼD jedes Jahr zu einer spannenden Veranstaltung.“

Informell ist ein gutes Stichwort für das, was am Abend passiert. Nun besetzt ein DJ die „Start-up Stage“. Die Musik wird lauter, ein paar Gäste tanzen. Das Salatbuffet ist eröffnet, einige Gründer und Investoren setzen sich mit gefüllten Tellern in den Außenbereich. Von Hierarchien keine Spur. „Die Stimmung wirkt sehr ungezwungen, das nehme ich in der Form bei kaum einem anderen Start-up Event wahr“, unterstreicht Christin Menke, die das erste Mal im Organisations- und Moderationsteam des SlushʼD ist. Nicht nur die Vorträge und die Chance auf Investments seien eine große Chance für die Start-ups, sondern auch „die Gespräche zwischendurch“, etwa das Feedback der Investoren oder der Austausch über verschiedene Unternehmensstrategien. Das Event war aus Sicht des REACH also ein voller Erfolg – und lässt dennoch einen Wunsch offen. „Ich hoffe, dass wir irgendwann in Münster eine ähnliche Veranstaltung auf die Beine stellen können“, betont Christin Menke.

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