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Münster (upm/kk).
Prof. Dr. Philipp Backhaus analysiert Patientenaufnahmen von nuklearmedizinischen Tomographieverfahren.<address>© Uni MS - Johannes Wulf</address>
Prof. Dr. Philipp Backhaus analysiert Patientenaufnahmen von nuklearmedizinischen Tomographieverfahren.
© Uni MS - Johannes Wulf

Serie „Außeneinsatz“, Teil 8: Spagat zwischen Wissenschaft und Klinik meistern

Philipp Backhaus arbeitet und forscht als Clinician Scientist am Uniklinikum und am European Institute for Molecular Imaging der Universität Münster

Das Logo der Serie "Außeneinsatz"<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
© Uni MS - Linus Peikenkamp
Auch in den Semesterferien gibt es an der Universität Münster allerhand zu tun. Die Redakteurinnen und Redakteure der Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit nutzen die vorlesungsfreie Zeit, um das eigene Büro zu verlassen und im Außeneinsatz Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität jeweils einen Tag lang zu begleiten, die buchstäblich unterwegs sind.

Etwas aus der Puste trifft Juniorprofessor Dr. Philipp Backhaus in der Klinik für Nuklearmedizin auf Ebene drei im Ost-Turm des Universitätsklinikums Münster (UKM) ein. „Wenn die Tochter auf dem Weg zur Kita plötzlich keine Lust mehr hat, mit dem Fahrrad weiterzufahren, kann es zeitlich schon mal knapp werden“, betont er entschuldigend. Doch zur täglichen Morgenbesprechung um 8 Uhr hat er es geschafft. Philipp Backhaus ist nicht jeden Morgen dabei, denn als sogenannter Clinician Scientist – Arzt und Wissenschaftler – stehen ihm zweieinhalb Tage für die Forschung im European Institute for Molecular Imaging (EIMI) und zweieinhalb Tage für die Klinik zur Verfügung. Ein Spagat, der organisatorisch nicht immer ganz einfach sei, aber für Innovation und medizinischen Fortschritt unerlässlich, wie Philipp Backhaus betont.

Nach der Besprechung sichtet und beantwortet er E-Mails in seinem Büro – begleitet von spontanen Unterbrechungen: In der linken Brusttasche seines Arztkittels steckt ein Handy, das alle paar Minuten surrt. „Ohne geht es nicht. Im August dieses Jahres habe ich die Bereichsleitung für die Diagnostik in der Klinik für Nuklearmedizin übernommen und muss im laufenden Betrieb viele Entscheidungen treffen“, erklärt er. Auch an diesem Vormittag wird er zu einer kurzfristigen Protokollfreigabe eines sogenannten Tracers angerufen. Dabei handelt es sich um eine leicht radioaktive Spürsubstanz, die für die Diagnostik bei einem Patienten eingesetzt werden soll. In der Nuklearmedizin werden verschiedene Tracer genutzt, die Patienten oral oder intravenös verabreicht werden und über die Verteilung im Körper beispielsweise Tumore oder Herzerkrankungen sichtbar machen. „Im Idealfall mache ich mich sofort auf den Weg, damit die Kollegen und die Patienten nicht warten müssen“, erklärt der Mediziner. Dementsprechend läuft er strammen Schrittes durch die Gänge des UKM. Im Kontrollbereich – dem eigentlichen Untersuchungsbereich – angekommen, prüft er die Protokolle gewissenhaft, unterzeichnet sie und hält kurz Rücksprache mit dem Team. Da er in diesem Bereich potentiell mit radioaktiven Substanzen in Berührung kommen könnte, muss er sich entsprechend Strahlenschutzgesetz freimessen, bevor er wieder hinausdarf. Nach zehn Sekunden leuchtet das grüne Lämpchen auf – keine Kontamination.

„PET“-Besprechung mit Kollegen<address>© Uni MS - Johannes Wulf</address>
„PET“-Besprechung mit Kollegen
© Uni MS - Johannes Wulf
Zurück im Büro wartet bereits eine Medizinstudentin, die ein Dissertationsprojekt im Team von Philipp Backhaus starten möchte. Rund 30 Minuten tauschen sich die beiden über die Ziele, Fragestellungen und das methodische Vorgehen aus. Ende September kann sie starten. Im Anschluss bereitet sich der Oberarzt auf den nächsten Termin vor – die PET-Besprechung. Die Abkürzung steht für Positronen-Emissions-Tomographie und bezeichnet eine empfindliche Kamera, mit der die Verteilung radioaktiver Tracer im Körper für die Diagnostik sichtbar gemacht werden kann. Philipp Backhaus analysiert einige Patientenbilder, bevor sie im Team besprochen werden. „Der Technologiefortschritt in der medizinischen Bildgebung ist rasant. Wir können inzwischen viel früher und präziser beispielsweise Tumorzellen erkennen und passgenaue Therapien entwickeln“, erklärt der Nuklearmediziner. Um 11 Uhr trifft er seine Assistenzärzte, um die Bilder genauer einzuordnen, Befunde und das weitere Vorgehen zu besprechen. Ein Fall wird länger diskutiert. Der Patient hat einen Hirntumor. Die aktuellen Bilder sollen nochmals mit älteren Befunden und Messdaten abgeglichen werden, weist Philipp Backhaus seinen Kollegen an.

Beinahe nahtlos folgt um 11.30 Uhr die Oberarztbesprechung. Vor allem interne Prozesse und Angelegenheiten wie Personalplanung, Budget und neue Geräte stehen heute auf der Agenda. Die Mittagspause verbringt der 36-Jährige mit einem Brötchen vorm Computer. „Ich weiß, dass das nicht ideal ist. Leider bleibt im Alltag oftmals keine Zeit für eine richtige Pause“, gesteht er. Im Anschluss geht es mit dem Fahrrad den kurzen Weg zum EIMI, keine 500 Meter Luftlinie entfernt. Immerhin ein bisschen Bewegung an der frischen Luft.

Die Teambesprechung findet jeden Montagnachmittag statt.<address>© Uni MS - Johannes Wulf</address>
Die Teambesprechung findet jeden Montagnachmittag statt.
© Uni MS - Johannes Wulf
Seine Arbeitsgruppe „Imaging Host Responses“ befindet sich im Erdgeschoss des Multiscale Imaging Centres und hat ihre Arbeit im August aufgenommen – gleichzeitig mit der Ernennung von Philipp Backhaus zum Juniorprofessor. Als „Tenure-Track“-Professur ist diese mit der Zusage verbunden, dass sie nach einer sechsjährigen Bewährungsphase in eine Universitätsprofessur auf Lebenszeit umgewandelt wird. „Das ist eine aufregende Zeit und ich freue mich, hier am EIMI, wo ich schon seit 2017 forsche, jetzt meine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen“, betont er. Ein geplantes Experiment musste kurzfristig verlegt werden, weil ein entscheidender Mitarbeiter krank war. Das könne schon mal passieren, nicht alles sei planbar. Das gilt für die Forschung genauso wie für die Klinik.

Genug zu tun gibt es trotzdem. „Im Institut kann ich mich auf die Forschung konzentrieren. Es kommt nur selten vor, dass sich die Kollegen aus der Klinik melden“, schildert Philipp Backhaus. Ausnahmen gebe es zwar ab und an – heute jedoch nicht. Es sei nicht selbstverständlich, dass Ärztinnen und Ärzten die Zeit zur Forschung ohne Wenn und Aber zur Verfügung gestellt werde. Die Medizinische Fakultät der Universität Münster und das UKM fördern und unterstützen in einem Clinician Scientist Programm diese besondere Doppelkonstellation auf allen Karrierestufen.

Austausch im Labor mit Dr. Cristina Barca Romero<address>© Uni MS - Johannes Wulf</address>
Austausch im Labor mit Dr. Cristina Barca Romero
© Uni MS - Johannes Wulf
Bei einer Stippvisite im S2-Labor, einem Bereich, in dem gentechnische Arbeiten stattfinden, kontrolliert Philipp Backhaus einige technische Geräte, die in den kommenden Tagen für Experimente benötigt werden. Zudem hält er einen kurzen Plausch mit seiner Mitarbeiterin Dr. Cristina Barca Romero. Die Wissenschaftlerin bereitet Zellkulturen für einen geplanten Versuch vor. Kurz danach treffen die beiden wie jeden Montagnachmittag den Rest seines Teams. Die interdisziplinäre Gruppe setzt sich aus Medizinern, Biologen, Chemikern und Physikern zusammen. Philipp Backhaus erwähnt, dass der fächerübergreifende Austausch unerlässlich sei, um molekulare Vorgänge in Organismen, Geweben und Zellen zu verstehen und Therapien zu entwickeln.

Am späten Nachmittag schwingt sich der gebürtige Paderborner auf seine Leeze und fährt zu seiner Familie nach Aaseestadt. Zurzeit lebt er mit seiner Frau und den sechs Kindern auf einer halben Baustelle. „Wir renovieren unser Haus – vieles in Eigenregie.“ So bauen sie etwa den Kamin zurück und stemmen die Wände auf. „Das ist mein Sportprogramm für den Tag“, schmunzelt Philipp Backhaus. Die Familie hat schon einiges zusammen erlebt, etwa die Zeit vor zwei Jahren in New York, als Philipp Backhaus als klinischer Fellow am Memorial Sloan Kettering Cancer Center arbeitete. „Mit fünf Kindern haben wir ein Jahr lang auf sehr engem Raum in Manhattan gelebt“, erklärt er. Abends, wenn zu Hause die Kinder schlafen, komme es nicht selten vor, dass er sich nochmal auf den Weg ins Institut mache, denn „manchmal bleibt einfach was liegen.“ Philipp Backhaus mag zwar manchmal aus der Puste kommen, aber Klinik, Forschung und Familie zu jonglieren, scheint ihm gut zu gelingen.

Autorin: Kathrin Kottke

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