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Münster (upm/anb).
Sebastian Laumann steigt am Leonardo-Campus in den Klein-Lkw, den er an diesem Vormittag über den Campus steuert.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Sebastian Laumann steigt am Leonardo-Campus in den Klein-Lkw, den er an diesem Vormittag über den Campus steuert.
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Serie „Außeneinsatz“, Teil 9: Volle Fahrt voraus

Sebastian Laumann ist Berufskraftfahrer in der Kfz-Abteilung der Universität Münster

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Auch in den Semesterferien gibt es an der Universität Münster allerhand zu tun. Die Redakteurinnen und Redakteure der Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit nutzen die vorlesungsfreie Zeit, um das eigene Büro zu verlassen und im Außeneinsatz Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität jeweils einen Tag lang zu begleiten, die buchstäblich unterwegs sind.

In der Einleitung der „Außeneinsatz“-Serie heißt es, dass wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten, „die buchstäblich unterwegs sind.“ Auf wohl niemanden trifft das so gut zu wie auf Sebastian Laumann (und seine Kollegen), der Berufskraftfahrer an der Universität Münster ist. Wer mit ihm in den Tag starten und neben ihm „auf dem Bock“ sitzen möchte, der muss früh dran sein: Um 7 Uhr geht es los, dann stehen die ersten Touren des Tages an. „Das hat den Vorteil, dass man zunächst weniger Fahrradfahrern und Studierenden im Verkehr und auf dem Universitätsgelände begegnet“, erklärt Sebastian Laumann. Bevor er an diesem Montagmorgen zum Fahrzeug geht, stellt Sebastian Laumann seine Müslischüssel am Leonardo-Campus ab, nimmt Klemmbrett, Handschuhe und Schutzbrille und verabschiedet sich von der abteilungseigenen Spinne der Art Theraphosa blondi, auch als Riesenvogelspinne oder Goliath-Vogelspinne bekannt, die eingegraben in der Erde in einem Terrarium sitzt. Der Spinnenphobiker, zu denen Sebastian Laumann glücklicherweise nicht gehört, ist da direkt wach.

Sebastian Laumann steuert eine der Garagen am Hof an, hinter deren Tür sein Einsatzfahrzeug für den heutigen Vormittag steht: ein Klein-Lkw, dessen hinterer Teil aus einer überdachten Ladefläche besteht, die man bis auf den Boden absenken kann. Das wird im Laufe des Tages noch hilfreich sein. Denn wie üblich steht heute die zweimal pro Woche stattfindende Stickstofffahrt an. Das bedeutet, dass Sebastian Laumann verschiedene Institute des naturwissenschaftlichen Zentrums in Münsters Westen anfährt, die Stickstoff zur Kühlung nutzen, und dort leere Stickstoffbehälter einsammelt, sie zur Befüllstation bringt und anschließend wieder ausliefert.

Obwohl der 42-jährige Berufskraftfahrer erst seit eineinhalb Jahren an der Universität Münster arbeitet, ist er schon routiniert. Das Klemmbrett mit den einzelnen Stationen braucht er nur noch im Notfall als Gedankenstütze. So fährt er mit seinem Klein-Lkw mehrere Stopps an, etwa den Technologiehof, den Pharmacampus, das Institut für Biochemie oder ein Biologiegebäude am Schlossplatz. Jedes Mal bringt Sebastian Laumann sein Gefährt in eine für das Beladen günstige Position, fährt anschließend per Fernbedienung und mittels Hydraulik seine Ladefläche herunter, klappt die Laderampe auf und begibt sich zu den leeren Stickstoffbehältern. Teilweise haben Institutsmitarbeiter sie schon abholbereit platziert, andere Gefäße stehen in außen gelegenen Drahtverschlägen. Dann geht es ans Einladen der verschieden großen Behälter, die von der Größe einer Gasflasche, wie man sie vom heimischen Gasgrill kennt, bis hin zu rollbaren 240 Liter-Fässern reichen. Mit großer Gewissenhaftigkeit sichert Sebastian Laumann nach jeder Station die Ladung mittels Spanngurt oder Ladestange.

Die Hälfte der Stickstofffahrt ist gegen 8.30 Uhr geschafft, als der Fahrer einen Platz neben dem Physikgebäude IG 1 anfährt und dort die Flaschen und Behälter ablädt. Nebenan stehen schon von Weitem zu erkennen zwei weiße, haushohe Tanks, in denen der flüssige Stickstoff lagert. Ein Mitarbeiter aus dem Institut übernimmt die Befüllung. Sebastian Laumann nutzt die Zeit, um weitere Fahrten von seiner Liste zu streichen. So geht es zunächst zurück zum Leonardo-Campus, um dort ein sogenanntes Flurfördergerät, also ein fahrbares Gerät zur Bewegung von Paletten und umgangssprachlich auch als „Ameise“ bekannt, aufzuladen. Sie benötigt Sebastian Laumann am Zentrallager beim Heizkraftwerk, wo er Amtshilfe leistet. Aufgrund des hohen Gewichts der Ladung, zweier Paletten mit Spezialsalz zur Wasserenthärtung für Institute in der Corrensstraße, übernimmt Sebastian Laumann mit seinem dafür ausgelegten Klein-Lkw die Fahrt für die Kollegen des Lagers. Am Lager wird deutlich, was Sebastian Laumann mehrmals betont: das gute Verhältnis zu den anderen Universitätsangestellten. Der gebürtige Münsteraner ist voll des Lobes für die freundliche Art der Universitätsangehörigen, von den Rektoratsmitgliedern über die Lageristen und Hausmeister bis hin zu den Studierenden.

Dass Sebastian Laumann auch die Rektoratsmitglieder oder Studierende persönlich kennt, liegt daran, dass er nicht nur Material, sondern auch Personen von A nach B fährt. „Ich bin eher der sozialfreudige Typ, weshalb mir die Personenfahrten am meisten Spaß machen“, betont er. So holt er Gäste vom Flughafen ab, fährt den Rektor zu Terminen oder begleitet Studierende mehrere Tage auf Exkursionen. „Ich durfte neulich mit Studierenden des Instituts für Jüdische Studien eine dreitägige Tour zu Synagogen in Erfurt, Worms und Speyer machen und auch an den Führungen teilnehmen – das war fast wie Urlaub. Für die Studierenden wiederum hat die Begleitung eines eigenen Fahrers mit Klein-Bus den Vorteil, dass der gesamte Ablauf deutlich flexibler ist“, unterstreicht der Kraftfahrer.

Am Schloss sammelt Sebastian Laumann Stellwände ein.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Am Schloss sammelt Sebastian Laumann Stellwände ein.
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Heute steht für Sebastian Laumann allerdings keine Personenbeförderung an. Dafür geht es nach der Auslieferung der Paletten zum Schloss, wo zuvor gebrauchte Stellwände zur Abholung bereitstehen. Da vor dem Schloss Aufbauarbeiten stattfinden, disponiert Sebastian Laumann kurzerhand um und fährt die Rückseite des Schlosses an. Dabei scheint es egal zu sein, wie schmal die Wege, wie eng eine Kurve. Sebastian Laumann lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Kein Wunder: Er war vor seiner Zeit an der Uni fast 20 Jahre Lkw-Fahrer, hat Tierfutter, Waren für einen Discounter oder Maschinenteile durch ganz Deutschland gefahren – und das mit den ganz großen Fahrzeugen, den 40-Tonnern, die manchmal sogar besonders breit oder lang gewesen seien, wie er mit Stolz erwähnt. Für ihn ist es also ein Leichtes, den Klein-Lkw über den stadtweiten Uni-Campus zu lenken.

Aus den befüllten Stickstoffbehältern dampft es, sie sind bereit für die Auslieferung.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Aus den befüllten Stickstoffbehältern dampft es, sie sind bereit für die Auslieferung.
© Uni MS - Linus Peikenkamp
Mit den Stellwänden geht es erneut zum Leonardo-Campus, wo sie gelagert werden. Das Frühstück lässt Sebastian Laumann trotz der unmittelbaren Nähe zum Büro heute aber ausfallen, es wird nämlich Zeit, die befüllten Stickstoffbehälter abzuholen. Anders als zuvor können aber nicht alle Gefäße aufgeladen werden, obwohl sie auf die Ladefläche passen würden. Das hat Arbeitsschutzgründe, denn die befüllten Flaschen sind Gefahrgut. „Ich darf maximal 1.000 Liter auf einmal transportieren“, erklärt Sebastian Laumann. Also kommt nur ein Teil der Behälter mit, aus denen es jetzt faszinierend dampft. Um sich vor Kälteverbrennungen durch etwaig verspritzenden Stickstoff zu schützen, zieht Sebastian Laumann nun Handschuhe an und setzt die Schutzbrille auf. Ansonsten bleibt alles gleich, das Programm aus Hebebühne, Laderampe und Ladungssicherung spult der Fahrer routiniert ab.

Sebastian Laumann belädt sein Fahrzeug mit den vollen Stickstoffkannen, im Hintergrund sind die riesigen Tanks an der IG 1 zu sehen.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Sebastian Laumann belädt sein Fahrzeug mit den vollen Stickstoffkannen, im Hintergrund sind die riesigen Tanks an der IG 1 zu sehen.
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Wenn man Sebastian Laumann zuhört, dann bekommt man den Eindruck, dass er mit sich und seinem beruflichen Werdegang sehr zufrieden ist. „Als Kind habe ich immer ,Auf Achse‘ mit Manfred Krug geschaut und dabei gedacht: ,Das ist so cool. Ich will auch die ganzen Abenteuer erleben.‘“ Damit stand für ihn früh fest, dass er Lkw-Fahrer wird. Seine Familie wollte aber etwas anderes für ihn, weshalb er zunächst eine Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbauer machte. Die Nähe zu Fahrzeugen war also schon einmal gegeben („Ich hege Emotionen fürs Auto“), nur stand das Fahren noch nicht im Mittelpunkt. Das änderte sich während des anschließenden Zivildienstes, als Sebastian Laumann für den Arbeiter-Samariter-Bund Blutkonserven und Organe transportierte – manchmal sogar unter Einsatz des Blaulichtes. „Meine Zivi-Zeit war die beste Zeit meines Lebens“, betont Sebastian Laumann und lacht. Für ihn reichten aber Pkw nicht aus, es musste schließlich ein Lkw werden, weshalb er eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer absolvierte.

Eine Umstellung sei es für ihn gewesen, von der Privatwirtschaft zur Universität zu wechseln. „Ich vermisse es manchmal, die großen Lkw zu fahren“, erklärt er. Aber die Arbeitsbelastung als Lkw-Fahrer war irgendwann zu groß geworden, bis zu 300 Stunden pro Monat, tagelang weg von zu Hause – Sebastian Laumann kennt die strukturellen Probleme der Branche gut. „Ich könnte ein Buch über das Lkw-Fahren schreiben“, sagt er und lacht erneut. Fahrer der Universität Münster zu sein sei geregelter und ruhiger, er könne mehr Zeit zu Hause verbringen.

Nach der Stickstofffahrt freut sich Sebastian Laumann auch auf die weiteren Termine in dieser Woche: Am Dienstag muss er schon um 5 Uhr nach Hamburg aufbrechen, um dorthin Laborgerät des Center for Soft Nanoscience zu bringen; und am Mittwoch steht eine Personenfahrt nach Düsseldorf an. Sebastian Laumann ist also viel auf Achse – ganz so wie man das von jemandem erwartet, der buchstäblich unterwegs ist und dessen Vorbild der von Manfred Krug gespielte Lkw-Fahrer Franz Meersdonk war.

Autor: André Bednarz

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