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Münster (upm/kk).
Eine Kollage von drei Bildern. Die Bilder zeigen, wie ein Mann auf dem Forschungsschiff steht, wie die Drege (eine Art Baggerschaufel) ins Meer gezogen wird und eine Nahaufnahme der Drege.<address>© Alessio Sanfilippo</address>
Nach Erstellung einer topographischen Karte, wurden mithilfe einer sogenannten „Dredge“ Gesteine des aufsteigenden Island-Plumes (Peridotite) vom Meeresboden gekratzt. Die Dredge funktioniert wie eine Baggerschaufel, die an einem Seilzug vom Schiff aus über den Meeresboden gezogen wird.
© Alessio Sanfilippo

Auftriebskraft des „Island-Plumes“ entschlüsselt

Die chemische Zusammensetzung ist verantwortlich für das Aufsteigen gewaltiger Tiefen-Ströme aus dem Erdinneren / Publikation in Nature Geoscience

Forschungsteams auf der ganzen Welt untersuchen dynamische Prozesse, die sich viele Kilometer unter der Erde abspielen und unseren Planeten bis heute formen – denn es gibt immer noch zahlreiche Geheimnisse im Erdinnern. Wissenschaftler der Universität Münster haben mit internationalen Kolleginnen und Kollegen eine besondere Entdeckung entlang des erdumspannenden Systems des Mittelatlantischen Rückens gemacht – genauer gesagt mehr als Tausend Kilometer südlich von Island. Es ist ihnen erstmals gelungen, Gesteinsmaterial aus dem tiefsten Erdinneren, dem sogenannten Island-Plume, zu untersuchen und dessen chemische Zusammensetzung zu bestimmen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Antriebskraft für das Aufsteigen von gewaltigen Tiefen-Strömen unter Island nicht wie bisher angenommen nur an dessen hoher Temperatur, sondern maßgeblich an der chemischen Zusammensetzung liegt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ veröffentlicht.

Die Dünnschliffe der untersuchten Gesteine (Peridotite) sind lichtdurchlässig und ermöglichen den Wissenschaftlern einzelne Minerale zu bestimmen. Dabei wurden die in den kleinen schematischen Bildern dunkel grün gekennzeichneten Minerale (Klinopyroxene) aus den Gesteinen separiert und die Isotopenverhältnisse der Elemente Hafnium (Hf) und Neodym (Nd) gemessen. Diese geben Aufschluss, wie sich die chemische Zusammensetzung der Peridotite über Hunderte Millionen bis Milliarden Jahre im Erdmantel entwickelt hat, bevor sie als Teil des Island-Plumes aufstiegen und heute an der Meeresoberfläche beprobt werden konnten.<address>© Sanfilippo, et al.</address>
Die Dünnschliffe der untersuchten Gesteine (Peridotite) sind lichtdurchlässig und ermöglichen den Wissenschaftlern einzelne Minerale zu bestimmen. Dabei wurden die in den kleinen schematischen Bildern dunkel grün gekennzeichneten Minerale (Klinopyroxene) aus den Gesteinen separiert und die Isotopenverhältnisse der Elemente Hafnium (Hf) und Neodym (Nd) gemessen. Diese geben Aufschluss, wie sich die chemische Zusammensetzung der Peridotite über Hunderte Millionen bis Milliarden Jahre im Erdmantel entwickelt hat, bevor sie als Teil des Island-Plumes aufstiegen und heute an der Meeresoberfläche beprobt werden konnten.
© Sanfilippo, et al.
Der Island-Plume ist ein Aufstrom sehr heißen Gesteins aus dem Erdmantel. „Das Material steigt bis unterhalb der Erdkruste auf, die unter Island bis zu 15 Kilometer dick ist. Die italienischen und russischen Forscher haben an einer sogenannten Transformstörung, an der die Erdkruste seitwärts versetzt ist, aber auch Teile des aufsteigenden Erdmantels an die Oberfläche treten, Proben des Gesteinsmaterials von einem Forschungsschiff aus entnommen“, erklärt Prof. Dr. Andreas Stracke vom Institut für Mineralogie. Im Anschluss nahmen die Wissenschaftler eine chemische Charakterisierung der Zusammensetzung des Mantelgesteins vor, sogenannte Peridotite, die den Großteil des Island-Plumes bilden. Mithilfe von Isotopenmessungen haben die münsterschen Wissenschaftler zudem die Isotopenverhältnisse der Elemente Hafnium (Hf) und Neodym (Nd) gemessen.

Ihre Analysen zeigen, dass dieses Material bereits vor mehr als einer Milliarde Jahre durch vorheriges Schmelzen so verändert wurde, dass es leichter als das umgebende Gestein im Erdmantel ist. Die geringe Dichte führt dazu, dass das Material heutzutage unter Island aufsteigt. Dabei wird die geringe Dichte zum großen Teil durch die chemische Zusammensetzung und weniger als bisher angenommen durch die hohen Temperaturen hervorgerufen. Beim Transport nach oben schmilzt es unterhalb der Erdkruste erneut zum Teil auf, was auf Island, und entlang des Mittelatlantischen Rückens südlich von Island Vulkanausbrüche mit großen Mengen an Lava auslöst.

Durch diesen Prozess bildete sich die gewaltige topografische Schwelle im gesamten Nordatlantik, an deren Spitze Island aus dem Meer ragt. Im Vergleich dazu liegt der Rest des Mittelatlantischen Rückens mehrere Tausend Meter unter dem Meeresspiegel. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass durch Schwankungen in der Zusammensetzung des aufsteigenden Materials die Auftriebsgeschwindigkeit variiert, was wiederrum zu Schwankungen in der Magmenproduktion in periodischen Zyklen im Abstand von einigen Millionen Jahren führt. Letztere sind für die charakteristische Morphologie des Ozeanbodens über eine Länge von mehreren Hundert Kilometern südlich von Island verantwortlich, und könnten auch die tiefen Meeresströmungen im Nordatlantik beeinflussen“, sagt Andreas Stracke. Die Forscher sind sicher, dass sich durch die neuen Erkenntnisse das bisherige Bild der Antriebskräfte von dynamischen Prozessen im Erdinneren ändert und ein besseres Verständnis der Kräfte schafft, die den inneren Motor der Erde antreiben.

Die Arbeit erhielt finanzielle Unterstützung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), vom Italian Programma di Rilevante Interesse Nazionale und der Russian Foundation for the Basic Research.

Originalpublikation

Sanfilippo A., Stracke A., Genske F., Scarani S., Cuffaro M., Basch V., Borghini G., Brunelli D., Ferrando C., Peyve A. A., Ligi M. (2024). Upwelling of melt-depleted mantle under Iceland. Nature Geoscience. DOI: 10.1038/s41561-024-01532-z

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