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Münster (upm/kk).
Exzellente Forschung gibt es an der Universität Münster nicht nur in den beiden Clustern, sondern zum Beispiel auch in der Chemie oder wie hier im MEET Batterieforschungszentrum.<address>© NRW.Global Business, Jan Tepass</address>
Exzellente Forschung gibt es an der Universität Münster nicht nur in den beiden Clustern, sondern zum Beispiel auch in der Chemie oder wie hier im MEET Batterieforschungszentrum.
© NRW.Global Business, Jan Tepass

„Nicht mitzumachen, ist keine Option“

Monika Stoll, Prorektorin für Forschung, spricht über die Exzellenzstrategie

Die Universität Münster steckt aktuell in der heißen Phase der Exzellenzstrategie. Genauer gesagt, befindet sie sich auf der Zielgeraden zur Einreichung der beiden Exzellenzclusteranträge. Kathrin Kottke und Linus Peikenkamp sprachen mit Prof. Dr. Monika Stoll, Prorektorin für Forschung, über den Wettbewerb und was der Begriff Exzellenz für die Universität Münster bedeutet und bereits bewegt hat.

Welche Bedeutung hat die Exzellenzstrategie für die Universitäten in Deutschland?

Es ist eins der wichtigsten Förderinstrumente für Universitäten, um sich national und international zu profilieren. Vor allem die Exzellenzcluster sind wichtige Aushängeschilder – sie sind das Markenzeichen einer Universität, um für Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland attraktiv zu sein. Bei allem Glanz muss man allerdings aufpassen, dass mittelfristig keine Zweiklassengesellschaft in der universitären Landschaft entsteht.

Was bedeutet das konkret?

Die deutsche Politik versucht mit diesem Format, Elfenbeintürme zu bauen. Ähnlich wie es in den USA mit der ‚Ivy League‘, also der Gruppe der acht Elite-Universitäten, praktiziert und erreicht worden ist. Das ist in Deutschland meines Erachtens bislang gescheitert.

Porträtbild von Prof. Dr. Monika Stoll<address>© Uni MS - Christoph Steinweg</address>
Prof. Dr. Monika Stoll
© Uni MS - Christoph Steinweg
Warum?

Dieser Wettbewerb wirkt wie ein Brennglas, das die Ressourcen und Potenziale der universitären Forschungslandschaft sichtbar macht. Den Exzellenzclustern kommt eine besondere Rolle zu, weil sie dazu beitragen, bestehende Potentiale und Ressourcen sachbezogen zusammenzuführen und zu forcieren. Das heißt, dass die Cluster dort, wo bereits Sonderforschungsbereiche, Graduiertenkollegs oder andere große Verbünde etabliert sind, eine Schärfung bewirken. Man darf aber nicht übersehen: Es gibt Universitäten, die keine Cluster haben, dafür aber durch einzelne herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hervorstechen. Diese Hochschulen bleiben außen vor und fallen im schlimmsten Fall zurück. Wir behalten beides im Blick: die großen Verbünde und einzelne exzellente Personen.

Eines der politischen Ziele ist es, dass die deutschen Hochschulen mit dem Titel Exzellenzuniversität international stärker wahrgenommen werden. Geht dieser Plan auf?

Das Gewicht dieses Titels wird vor allem von den politischen Akteurinnen und Akteuren überschätzt. Egal, ob ich mich mit meinen Partnerinnen und Partnern in Indien oder den USA austausche: Dieses Label ist kaum bekannt. Traditionsreiche Universitäten, die schon immer einen guten Ruf im Ausland hatten, wurden bereits vor diesem Wettbewerb als exzellent eingestuft. Aus diesem Grund besteht unser Anspruch darin, die Rahmenbedingungen für exzellente Einzel- und Verbundforschung – auch unabhängig von beziehungsweise neben dieser Förderlinie – zu schaffen.

Sollte diese zweite Förderlinie daher abgeschafft werden?

So pauschal kann ich das nicht beantworten. Deutschland hat keine ‚Ivy League‘ geschaffen, die die institutionelle Erneuerung dauerhaft ins Rollen bringt. Aus internationaler Perspektive ist ohnehin die Frage nach den besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und qualitativ hochrangiger Forschung wichtiger. Die Frage, welche Förderprogramme dies ermöglichen, ist zweitrangig. Nichtsdestotrotz: Nicht mitzumachen ist für uns keine Option! Wobei wir natürlich für eine Bewerbung zunächst die Bedingung erfüllen müssen, dass unsere beiden Cluster verlängert werden. Denn trotz aller Kritik: Dieser Wettbewerb hilft dabei, Forschungsbereiche zu schärfen, Stärken zu stärken sowie Schwächen aufzudecken. Wir haben jedenfalls mit der Arbeit an einem möglichen Antrag bereits begonnen. Denn eine wichtige Erkenntnis aus der vergangenen Runde ist, dass wir uns früher auf den Weg machen müssen.

Welche weiteren Lehren hat das Rektorat denn aus der letzten Runde gezogen?

Die Internationalisierung muss an der Universität weiter gestärkt werden. Wir sind auf einem guten Weg und setzen aktuell unsere Internationalisierungsstrategie in vielen Bereichen um. Zudem haben wir organisatorische Änderungen vorgenommen: Das Zukunftslabor bietet der Hochschulleitung, den Organisationseinheiten und einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine agile und professionale Antragsunterstützung. Interne Prozesse innerhalb der Verwaltung sind effizienter aufgesetzt, Ansprechpersonen und Zuständigkeiten geklärt. Diese Klarheit und Struktur spielt uns sowohl im Exzellenz-Wettbewerb als auch bei vielen anderen Drittmittelanträgen hoffentlich in die Karten.

Lassen Sie uns einen Schritt zurückgehen: Wie wird Exzellenz grundsätzlich in der Wissenschaft definiert?

Exzellenz ist das, was von außen als exzellent anerkannt wird. Wer sich selbst als exzellent definiert, ist bereits raus aus dem Rennen. Ich halte es lieber mit westfälischer Zurückhaltung. Es sind meist außenstehende Expertinnen und Experten, die uns als Institution oder Einzelpersonen begutachten – typischerweise über peer-reviews.

Mit Blick auf die Universität Münster: Welche Bereiche sind exzellent?

In erster Linie die beiden Exzellenzcluster, die in der nationalen und internationalen Forschungslandschaft als Leuchttürme anerkannt sind. Das zeigt sich in der Attraktivität für Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, nicht zuletzt auch die darum entstehenden Infrastrukturen wie dem ‚Centre of Mathematics Münster‘ und dem ‚Campus der Theologien und Religionswissenschaften‘, die Forschung, Lehre und Transfer in den Bereichen auf ein neues Niveau bringen werden.

Und neben den beiden Clustern?

Die Universität hat beispielsweise exzellente Arbeitsgruppen in der Chemie und der Batterieforschung. Weitere Exzellenz finden wir in der Entzündungsforschung und den Neurowissenschaften sowie im Cells in Motion (CiM) Interfaculty Centre, in dem die Disziplinen Medizin, Biologie, Chemie, Pharmazie, Mathematik, Informatik und Physik zusammenarbeiten. Diese Interdisziplinarität ist ohnehin eine große Stärke unserer Universität. Wobei wir eines nicht vergessen sollten: Unser Kerngeschäft besteht neben der Forschung in der optimalen Ausbildung unserer Studierenden. Wir arbeiten kontinuierlich daran, eine ausgewogene Balance zu finden, um sowohl in der Forschung als auch in der Lehre höchsten Ansprüchen gerecht zu werden.

Einige Stimmen innerhalb und außerhalb der Universität behaupten, es sei eine Verschwendung von Zeit und Personalressourcen, die in den Antragsprozess fließen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Nein. Die Arbeit lohnt sich. Wir hatten fast zwei Jahre am Antrag für den Titel Exzellenzuniversität gearbeitet und waren am Ende unter den letzten 19 Hochschulen. Auch wenn wir schlussendlich den Zuschlag nicht bekommen haben, haben wir den positiven ‚Ruck‘ gespürt, der damit durch die Universität ging.

Inwiefern?

Wir haben eine Identität geschaffen, die viele Beschäftigte angesprochen hat: Wir haben unser Forschungsprofil geschärft, neue Kooperationen und Querverbindungen zwischen den Fächern sind entstanden, zusammen haben wir innovative Formate auf den Weg gebracht.

Haben Sie konkrete Beispiele?

Die ‚Topical Programs‘ waren ein wichtiges Instrument in unserem damaligen Antrag, das wir auch ohne die Förderung als Exzellenzuniversität umgesetzt haben. Aktuell existieren 14 solcher Programme quer durch alle Fächer. Damit wollen wir Themenfelder für künftige Forschungsschwerpunkte erschließen und unsere Chancen für großformatige Verbundforschungsprojekte ausloten. Ein weiteres Beispiel ist das ‚Ideenlabor‘, mit dem wir Projekte unterstützen, die konventionelle Denkmuster in Frage stellen, neue Horizonte eröffnen und den Weg für bahnbrechende Entdeckungen ebnen wollen. Es ist beeindruckend, zu erleben, wie viele derartiger innovativer Projektideen in Forschung, Lehre und Transfer derzeit kursieren. Schließlich freuen wir uns über weitere Sonderforschungsbereiche und über unser Tenure-Track-Programm, mit dem wir verlässliche Arbeitsbedingungen und planbare Karrierewege schaffen.

Gibt es eine Kernbotschaft, die für die Universität besonders wichtig ist?

Wir denken unsere Forschungsexzellenz nicht isoliert, sondern immer im Dreiklang mit Lehre und Transfer. Die Synergien, die dadurch entstehen, stellen sicher, dass die Universität eine Vorreiterrolle bei Innovationen und dem Zuwachs von Wissen einnimmt. Das gilt für die individuelle und für die Verbundforschung.

Haben Sie auch dafür ein konkretes Beispiel?

Der Exzellenzcluster Mathematik bringt unsere Spitzenforscherinnen und -forscher und die Öffentlichkeit über die Vortragsreihe ‚Brücken in der Mathematik‘ zusammen. Die internationale Graduiertenschule BACCARA verbindet Wissenschaft und Bildung auf dem Gebiet der Batterieforschung. In der Medizin bilden wir mit dem Clinician-Scientist-Programm forschungsstarke Ärztinnen und Ärzte aus. Das sind nur wenige Beispiele – diesen Weg werden wir weitergehen.

 

Die Exzellenzstrategie

Mit der Exzellenzstrategie wollen der Bund und die Länder den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig stärken und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter verbessern. Es gibt zwei Förderlinien.

Mit der Förderlinie Exzellenzcluster werden herausragende Forschungsfelder an Universitäten oder Universitätsverbünden gestärkt. Als große und leistungsfähige Zentren sind sie national und international vernetzt und arbeiten mit unterschiedlichen Kooperationspartnern zusammen. Seit Januar 2019 werden aktuell 57 Exzellenzcluster gefördert. Am 22. August endet die Abgabefrist für die Förderanträge für neue und bereits geförderte Exzellenzcluster. Nach einer Begutachtung entscheidet die Exzellenzkommission im Mai 2025, wer eine Förderung bekommt. Die erfolgreichen Exzellenzcluster erhalten ab Januar 2026 für sieben Jahre finanzielle Unterstützung.

Förderlinie zwei: Im Jahr 2026 erfolgt die Ernennung der Exzellenzuniversitäten. Damit Universitäten oder Universitätsverbünde einen Antrag in dieser Förderlinie stellen können, müssen sie mindestens zwei Exzellenzcluster haben. Exzellenzuniversitäten oder -verbünde erhalten Geld, um ihr institutionelles Profil und ihre internationale Position in der Forschung auf der Grundlage ihrer Exzellenzcluster weiter zu stärken. Aktuell werden zehn Universitäten und ein Universitätsverbund dauerhaft gefördert. Sie müssen sich alle sieben Jahre einer Evaluation stellen und nachweisen, dass sie die Fördervoraussetzungen weiterhin erfüllen.

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 5, 17. Juli 2024.

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