|
Einblicke in die Arbeit von Promovierenden und Postdocs in Münster: Diskussionen mit Gleichgesinnten, Untersuchungen im Labor und Forschung mit Quellen.<address>© Uni MS - Victoria Liesche / Michael C. Möller / Johannes Wulf</address>
Einblicke in die Arbeit von Promovierenden und Postdocs in Münster: Diskussionen mit Gleichgesinnten, Untersuchungen im Labor und Forschung mit Quellen.
© Uni MS - Victoria Liesche / Michael C. Möller / Johannes Wulf

„Begeisterung ist das Allerwichtigste“

Stefanie van Ophuysen über Berufsperspektiven innerhalb und außerhalb der Universität

Das „Münster Centre for Emerging Researchers“ (kurz CERes) feierte im Frühjahr dieses Jahres seinen Auftakt als zentrale wissenschaftliche Einrichtung an der Universität Münster. Es ist eine wichtige Anlaufstelle für aufstrebende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Für Themen rund um die Promotion und den Weg zur Professur bietet das CERes-Team zahlreiche Qualifizierungsangebote sowie unterstützende professionelle Beratung und Coaching. Im Interview spricht Prof. Dr. Stefanie van Ophuysen, wissenschaftliche Leiterin des CERes, über die Zeit während der Promotion und aktuelle Entwicklungen in der Förderung von Promovierenden und Postdocs.

Nach einem Studium öffnen sich viele Karrierewege. Einer davon ist die Promotion. Für wen ist diese Option interessant?

Viele Studierende merken bereits im Studium oder während ihrer Abschlussarbeit, dass sie für ein Thema brennen und Freude daran haben, sich intensiv mit einer wissenschaftlichen Fragestellung zu beschäftigen. Eine Promotion bietet eine gute Gelegenheit, sich spezialisiertes Wissen anzueignen und befähigt gleichzeitig, wissenschaftlich selbstständig zu arbeiten. In manchen Bereichen, etwa in der Biologie, Chemie oder Medizin, ist ein Doktorgrad auch für die Berufspraxis außerhalb des akademischen Systems fast schon ein Standard. Egal mit welcher Zielsetzung man sich für eine Promotion entscheidet: Die intrinsische Motivation – also die Begeisterung für das eigene Forschungsthema und die Freude an den jeweiligen wissenschaftlichen Tätigkeiten – ist das Allerwichtigste, wenn man sich auf diesen mehrjährigen und manchmal steinigen Weg macht.

Werden neben der fachlichen Expertise weitere Kompetenzen erworben?

Definitiv! Vielen ist gar nicht bewusst, wie umfangreich das Kompetenz-Portfolio ist, das sie während der Promotionszeit erwerben und das für Berufe innerhalb und außerhalb des Wissenschaftssystems qualifiziert.

Zum Beispiel?

Stellen Sie sich die Promotion wie ein Projekt vor: Es bedarf einer systematischen und planvollen Vorbereitung und Umsetzung. Dazu gehört ein Zeitplan mit definierten Zielen und Meilensteinen. Analytisches Denken und der kreative Umgang mit Problemen sind ebenso unerlässlich wie der Einsatz von unterschiedlichen Techniken und Tools. Die eigenen Ideen und Ergebnisse müssen publiziert und präsentiert werden – für ein Fachpublikum, aber auch für die Öffentlichkeit. Nicht zuletzt bedeutet wissenschaftliche Arbeit auch immer Kooperation, sodass soziale Fähigkeiten bedeutsam sind. All diese Kompetenzen sind nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Universität gefragt.

Prof. Dr. Stefanie van Ophuysen<address>© Uni MS - Peter Leßmann</address>
Prof. Dr. Stefanie van Ophuysen
© Uni MS - Peter Leßmann
Wie hat sich die Doktorandenausbildung in den vergangenen Jahren geändert?

Man kann von einem Wandel der akademischen Kulturen sprechen. Viele Wissenschaftler verlassen inzwischen frühzeitig den viel zitierten Elfenbeinturm und tauschen sich mit Personen aus anderen Fachdisziplinen und der Öffentlichkeit aus. Die interdisziplinäre Vernetzung und der Blick über den Tellerrand der eigenen Forschung wird immer bedeutender. Zudem ist das Angebot an sogenannten strukturierten Promotionsausbildungen, zum Beispiel Graduiertenkollegs, stetig gewachsen. Im Vergleich zur Individualpromotion bieten strukturierte Programme ein festes Curriculum mit individueller Betreuung, fester Laufzeit und je nach Programm auch geregelter Finanzierung.

Gibt es an der Universität Münster ebenfalls solche Programme?

Wir haben eine Vielzahl an Angeboten. Etwa die Graduiertenprogramme der beiden Exzellenzcluster ‚Mathematik Münster‘ und ‚Religion und Politik‘. Oder die Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungsgemeinschaft, teils auch in Kooperation mit ausländischen Universitäten oder integriert in Sonderforschungsbereiche. Auch EU-Programme aus der Marie-Skłodowska-Curie-Actions-Förderlinie wie Doctoral Networks und Innovative Training Networks sind in verschiedenen Fachbereichen angesiedelt. Daneben bietet die Universität exzellente Programme für die Karriereentwicklung von Postdocs, etwa das COFUND-Projekt ‚Migration, Diaspora, Citizenship‘.

Nach einer aktuellen Umfrage des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung erwägen rund zwei Drittel der befristet angestellten Postdocs und Promovierenden einen Ausstieg aus der Wissenschaft. Alarmieren Sie diese Zahlen?

Die Universität Münster bewegt sich mit über 800 abgeschlossenen Promotionen und 50 Habilitationen pro Jahr auf einem kontinuierlich hohen Niveau. Also nein! Alarmiert sind wir nicht, aber wir beobachten die bundesweiten Entwicklungen genau und leiten daraus Angebote ab.

An wen richten sich diese Angebote?

Wir beraten und unterstützen sowohl Promotionsinteressierte, Promovierende und Postdocs aller Fächer als auch deren Betreuerinnen und Betreuer. Als interne Akademie begleiten wir diese Personenkreise auf unterschiedlichen Qualifizierungswegen. Dabei fokussieren wir uns aktuell auf drei Schwerpunktthemen: gute wissenschaftliche Praxis, Gesundheit und Wohlbefinden sowie Internationalisierung. Wichtig ist uns, dass wir Angebote für unterschiedliche Karrierewege im Repertoire haben – denn wir wissen aus Studien, dass letztlich sogar gut 80 Prozent der promovierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Wege außerhalb der Wissenschaft antreten.

Das heißt, nur 20 Prozent schaffen es, im akademischen System zu verbleiben ...

Ich finde die Betonung auf ‚schaffen‘ falsch. Die Vorstellung, dass man als promovierter Mensch den Weg zur Professur schaffen muss, weil man sonst versagt habe, ist nicht mehr zeitgemäß. Universitäten bilden zwar in erster Linie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus – aber für viele unterschiedliche Ziele.

Welche wären das?

Sie werden befähigt, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, demokratische Werte zu vertreten und kritisch zu denken. Das ist für alle Bereiche wichtig: ob als Kurator in einem Museum, als Mitarbeiterin in einer Behörde oder als Journalist einer Zeitung. Als CERes stärken wir Menschen auf ihren individuellen Wegen und schaffen Räume für die persönliche Entwicklung.

 

Ein Interview von Kathrin Kottke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 4, 12. Juni 2024.

 

Links zu dieser Meldung