Veränderter Stoffwechselweg erhöht Stresstoleranz bei Tabakpflanzen
Ob Trockenheit, Krankheitserreger oder zu viel Salz im Boden: Pflanzen sind einer Reihe von Stressfaktoren ausgesetzt. Wie sie damit umgehen, also welche molekularen Mechanismen für Stresstoleranz sorgen, und wie sich pflanzliche Abwehrmechanismen verbessern lassen, ist Forschungsgegenstand von Pflanzenbiotechnologen. Ein Team um Prof. Dr. Antje von Schaewen von der Universität Münster untersuchte gentechnisch veränderte Tabakpflanzen, die unter Stress mehr Biomasse produzieren als ihre nicht modifizierten Verwandten. Die Forscher gingen der Frage nach, welche molekularen Mechanismen dabei eine Rolle spielen. So sorgt eine subtile Veränderung im Kohlenhydratstoffwechsel durch die sogenannte Enzym-Ersatz-Methode dafür, dass die Pflanzen verstärkt Fettsäuren aus den Blättern in die Blütenstände und Samen transportieren, dafür aber zehn Prozent weniger Zucker. Die Studie, an der auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Göttingen und der Universität Ferrara in Italien beteiligt waren, wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „The Plant Journal“ veröffentlicht.
Die untersuchten Tabakpflanzen (Nicotiana tabacum) stammen von einer in der Forschung genutzten Variante der Sorte „Xanthi“ ab, die Antje von Schaewen mit ihrem Team bereits in den 2000er Jahren mittels gentechnischer Methoden erzeugte. Jetzt gelang es nachzuweisen, wie die Pflanzen einen Kompromiss umgehen, der normalerweise genetisch festgelegt ist: Aufteilen des Energieaufwands zum Wachstum einerseits und für den Widerstand gegenüber Krankheitserregern und weiteren Stressfaktoren andererseits. Bei den gentechnisch veränderten Tabakpflanzen staut ein Zwischenprodukt des Kohlenhydratstoffwechsels an: 6-Phosphogluconat, welches dann zu einer Erhöhung des Signalmoleküls Fruktose-2,6-Bisphosphat führt. Als Resultat wird mehr Zucker in den Blättern zurückgehalten, woraus durch Enzym-Ersatz mehr NADPH produziert werden kann. NADPH ist wichtig für den Energiestoffwechsel, aber auch für die Entwicklung und verschiedene Stress-Abwehrmechanismen essenziell. Zudem fanden die Wissenschaftler fünf Prozent mehr Fette in den Blättern und bis zu 20 Prozent mehr in den Samen.
Das Team wies nach, dass neben dem Transport-Zucker Saccharose mehr Fettsäuren über die nährstoffleitenden Gefäße der Pflanze transportiert werden, das heißt von den Blättern, also den Orten der Photosynthese, über mehrere Meter zu den wachsenden Blütenständen. „Fettsäuren können bis zu einer Kettenlänge von 18 Kohlenstoffatomen noch in freier Form transportiert werden. Längere Kohlenstoffketten sind beim Transport wahrscheinlich an spezielle Trägerproteine gebunden“, erläutert Antje von Schaewen. „Das ähnelt der Situation im Blut von Tieren und Menschen, wo Fettsäuren und Cholesterol an Serum-Albumin gebunden transportiert werden.“ Andere Forscher hatten Hinweise auf diesen Mechanismus des Lipid-Transports über das Phloem bereits 2002 in einer Studie mit kanadischem Raps vorgestellt. „Wir konnten diese Befunde mit unseren Tabak-Pflanzen nun bestätigen“, betont Antje von Schaewen.
Dem Forscherteam ging es darum, die molekularen Ursachen der erhöhten Stresstoleranz ihrer „Enzym-Ersatz-Methode“ aufzuklären, die sie bereits in 2009 publiziert hatten. Durch die Pilotstudien in Tabak motiviert, könnte man nun das Prinzip auf weitere Nachtschattengewächse wie Kartoffel, Tomate und Paprika mittels der neueren CRISPR/Cas9-Technik (als Genschere bekannt) übertragen oder in anderen Pflanzenarten mit wenig fettreichen Samen ausprobieren, um die generelle Stresstoleranz sowie den Samenertrag und die Energiedichte der Samen zu erhöhen.
Zu den Methoden: Die Forscher nutzten Pflanzen einer gegen Krankheitserreger besonders empfindlichen Tabaklinie (Nicotiana tabacum var. Xanthi), bei der sie das Enzym G6PDH im Zellinneren durch ein ähnliches Enzym (P2-Isoenzym G6PD3) aus nicht-grünen Plastiden der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) ersetzt hatten. G6PDH und seine Isoenzyme verarbeiten aktivierte Zucker (Glucose-6-Phosphat) und liefern NADPH als Energieäquivalent, vor allem für Aufbau-Reaktionen. Zusätzlich schalteten die Forscher die tabakeigenen Isoenzyme im Zellinneren durch sogenannte RNA-Interferenz (RNAi) nahezu aus, um sicherzugehen, dass die beobachteten Effekte auf das neue cytosolische P2-Isoenzym (cP2) zurückgehen. Die so erzeugten „cP2::cytRNAi“-Tabaklinien zeigten verstärkte Abwehrreaktionen gegen einen Krankheitserreger (Phytophthora nicotianae) und waren im Vergleich zu einer anderen weniger empfindlicheren Tabak-Sorte (Samsun NN (SNN)) besonders widerstandsfähig gegen Austrocknung und Keimung in Gegenwart von Salz. Die Forscherinnen und Forscher vermaßen verschiedene Pflanzenteile und bestimmten den Gehalt an Zuckern, Aminosäuren und Fettsäuren (zumeist von Blättern) unter verschiedenen Bedingungen im Labor.
Finanzierung
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützte die Arbeiten (DFG SCHA 541/12).
Originalveröffentlichung
Scharte J, Hassa S, Herrfurth C, Feussner I, Forlani G, Weis E, von Schaewen A (2023):
Metabolic priming in G6PDH isoenzyme-replaced tobacco lines improves stress tolerance and seed yields via altering assimilate partitioning. The Plant Journal 116(6):1696-1716. DOI: 10.1111/tpj.16460
Weiterführende Literatur
Scharte J, Schön H, Tjaden Z, Weis E, von Schaewen A (2009): Isoenzyme replacement of G6PDH in the cytosol improves stress tolerance in plants. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 106: 8061-8066. DOI: 10.1073/pnas.081290210
Madey E, Nowack LM, Thompson JE (2002): Isolation and characterization of lipid in phloem sap of canola. Planta 214(4): 625-634. DOI: 10.1007/s004250100649