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Münster (upm).
Für Influencer gelten die gleichen Regeln am Markt wie für traditionelle Unternehmen, fand Philip Wollborn heraus.<address>© Uni MS - Brigitte Heeke</address>
Für Influencer gelten die gleichen Regeln am Markt wie für traditionelle Unternehmen, fand Philip Wollborn heraus.
© Uni MS - Brigitte Heeke

Weniger Glamour als gedacht

Philip Wollborn hat für seine Dissertation das unternehmerische Verhalten von Influencern erforscht

Viele Jugendliche träumen aktuellen Umfragen zufolge von einer Karriere als Influencer oder Content Creator in den sozialen Medien. Obwohl die noch relativ neue Branche insgesamt von Jahr zu Jahr höhere Umsätze macht, bleibt bei den Einzelnen deutlich weniger Gewinn hängen, als manche Außendarstellung vermuten lässt. „Die wenigsten Influencer erreichen den erhofften Grad von Reichtum und Prominenz“, betont der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Philip Wollborn. „Gleichzeitig unterschätzen viele die laufenden Betriebskosten.“ Der Job sei zeitaufwändig und erfordere ein professionelles Equipment sowie viel Vorbereitung. „Die bekanntesten Streamer beschäftigen in der Regel mehrere Leute, beispielsweise eine Assistenz, einen Cutter, oder sie beauftragen eine Agentur.“

Für seine Dissertation am Institut für Strategisches Management hat sich der Wissenschaftler die Zahlen genau angeschaut. „Man kann beim Streamen von Gaming-Inhalten ein sehr hohes Einkommen erzielen“, erläutert Philip Wollborn. „Das Geld kommt aus der Werbung oder über das Vermarkten eigener Produkte – im Moment bringen zum Beispiel viele Streamer eigene Lebensmittel wie Eistees, Kekse oder Tiefkühlpizzen heraus.“ Die Spitze sei jedoch dünn. Wer bereits viele Follower und Werbekunden habe, bekomme immer mehr. Es gebe Stars in der Szene, die Gagen wie Profifußballer erzielten. „So wie sich die großen Vereine die besten Sportler sichern, verpflichten die großen Streaming-Plattformen die Top-Leute teilweise auch exklusiv.“

Der langfristige Effekt von Themen, die gerade im Trend liegen, werde überschätzt, unterstreicht Philip Wollborn, der mittlerweile als Data Scientist für einen Lebensmittelkonzern arbeitet. „Natürlich kann man auf X schnell etwas veröffentlichen, was auch viel gelesen und kommentiert wird. Das bildet jedoch nicht die tatsächliche Stimmung in der Bevölkerung ab und heißt nicht, dass diese Aufmerksamkeit nachhaltig ist. Es gibt immer neue Impulse. Wenn ein neuer Blockbuster erscheint, springen alle auf den Zug auf.“ Da die Konkurrenz groß sei, folge auf solche Hype-Phasen häufig ein Zuschauerverlust. Aus Sicht der jeweiligen Streamer gelte es, diesen wirtschaftlich zu „überleben“, indem sie sich beispielsweise für das Streamen der beliebten Spiele von den Entwicklern bezahlen lassen.

Influencer aus dem Gaming-Bereich äußern sich auf verschiedene Weise: Beliebt sind sogenannte „Let‘s Plays“, zum Beispiel von neuen Spielen – die Zuschauer vor den Bildschirmen lernen diese durch die Brille des Influencers kennen. Es gibt auch Streamer, die sich in Live-Videos besonderen Herausforderungen stellen, etwa einen schweren Level ohne Ausrüstung zu schaffen. „Das gemeinsame Durchleben der Levels schafft Gemeinschaft“, hat Philip Wollborn beobachtet. „Auf Conventions begegnen die Zuschauer dann ihren Idolen.“

Für seine Arbeit „Content Creation in the Digital Economy – Perspectives on User Behavior“, die die Bestnote „summa cum laude“ erhielt, hat Philip Wollborn Daten aus verschiedenen Quellen von 2019 bis 2020 ausgewertet, darunter YouTube, Social Media und die Livestreaming-Plattform „Twitch“. Demzufolge haben beispielsweise semiprofessionelle Influencer und Amateure während der Pandemie ihre Anstrengung ausgeweitet und das, wenn sie erfolgreich waren, beibehalten. „Influencer beziehungsweise Content Creator sind eben Unternehmer, die sich strategisch verhalten.“

Autorin: Brigitte Heeke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 8, 13. Dezember 2023.

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