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Münster (upm/kk).
Die Polarstern legte an einer großen Eisscholle an. Über einen Steg konnte die Besatzung auf das Eis gelangen und Erkundungen unternehmen.© Christian R. Rohleder
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Auf der Suche nach Schlangensternen auf dem Gakkelrücken

Felix Genske erkundete auf der „Polarstern“ den Meeresboden arktischer Gewässer

Ausgestattet mit Fitnessraum, Sauna, Pool und Speisesaal – ringsherum die Weiten des Ozeans und eine Kabine mit Meerblick. Was wie eine Beschreibung aus einem Reisekatalog für Kreuzfahrten klingt, befindet sich auf der „Polarstern“, dem größten Schiff der bundesdeutschen Forschungsflotte. Dr. Felix Genske vom Institut für Mineralogie der Universität Münster war für mehrere Wochen mit an Bord, um den Meeresboden in den arktischen Gewässern zu erkunden. Mit rund 40 weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie 50 weiteren Besatzungsmitgliedern ging es Richtung Nordpol.

Am 24. Juni stach die Polarstern vom norwegischen Tromsø aus in See. Sechs Wochen war das Schiff über 3.000 Seemeilen unterwegs. Die letzte Station, bevor es in die Nordpolarregion ging, war Spitzbergen. Danach folgten nur noch Wasser und Eis – kein Problem für den 118 Meter langen und etwa 13.000 Tonnen schweren Eisbrecher –, zumal die Eisdecke im Sommer nicht geschlossen ist. Reiseziel waren die schwarzen Raucher von Aurora am Gakkelrücken. In bis zu 5.000 Meter Tiefe erstreckt sich diese Region über 1.800 Kilometer vom Norden Grönlands bis nach Sibirien. Der Gakkelrücken ist der nördlichste Ausläufer des mittelozeanischen Rückensystems, einer 75.000 Kilometer langen vulkanischen Gebirgskette unter dem Meer, in der durch aufsteigendes Magma neuer Meeresboden entsteht.

Der Gakkelrücken ist für viele Geowissenschaftler besonders interessant, weil er mit einem Zentimeter pro Jahr der sich am langsamsten spreizende Ozeanrücken der Erde ist – 20 Mal langsamer als beispielsweise der ostpazifische Rücken. Im Rahmen der ALOIS-Expedition (Arctic Lithosphere-Ocean Interaction Study) untersuchte das interdisziplinäre Team auf der Polarstern die Entstehung neuer Lithosphäre, also die Erdkruste und der oberste Teil des Erdmantels, und die damit verbundene hydrothermale Zirkulation. „Die Arktis ist in vielen Teilen noch unerforscht. Wir wissen von bisherigen Expeditionen, dass der Gakkelrücken weniger durch Vulkanismus geprägt ist, wie viele andere Tiefseegräben, sondern durch den Erdmantel – das ist der geologische Bereich zwischen Erdkruste und Erdkern“, erklärt Felix Genske.

Um das zu erkunden, packten die Forscher reichlich technisches Equipment, zwei Hubschrauber für wissenschaftliche Erkundungsflüge und einen speziell für das Meereis konzipierten Tiefseetauchroboter. Das ferngesteuerte Fahrzeug ist mit allerhand High-Tech – etwa zahlreichen Sensoren und Kameras – ausgestattet und wird von einem Experten an Bord bedient. Über ein haardünnes Glasfaserkabel schickt er Videobilder zum Kontrollraum. „Wir können live miterleben, was in 5.000 Meter Tiefe passiert: die eigentümliche Fortbewegung der Lebewesen, wie zum Beispiel von Schlangensternen und tausend Jahre alten Kieselschwämmen, aber auch den Aufbau von bis zu 25 Meter hohen Unterwassergeysiren, den sogenannten schwarzen Rauchern. Das ist ein irres Gefühl, denn schließlich war noch nie ein Mensch dort unten“, betont der Geochemiker.

Die Arktis ist in vielen Teilen noch unerforscht. Wir wissen von bisherigen Expeditionen, dass der Gakkelrücken weniger durch Vulkanismus geprägt ist, wie viele andere Tiefseegräben, sondern durch den Erdmantel.

Der Roboter lieferte aber nicht nur tolle Bilder des komplexen Ökosystems. Mithilfe seines Greifarms sammelte er reichlich Material aus der Tiefsee ein, etwa Gesteinsproben. Zudem erfasste eine sogenannte Kettensackdredge größere Gesteinsstücke. Dazu wurde das etwa 500 Kilogramm schwere Gerät einige hundert Meter über den Meeresboden gezogen. Über diese Funde freute sich Felix Genske besonders. „Eine detaillierte Untersuchung der Steine erfolgt in den kommenden Wochen und Monaten im Reinraumlabor in Münster. Dort bestimme ich die Minerale, deren chemische Zusammensetzung sowie die Zusammensetzung der Isotopen“, erklärt er sein Vorgehen. Das gibt Aufschluss über die Entstehung der geologischen Strukturen und verbessert das Verständnis der Entwicklung und Eigenschaften ozeanischer Rücken.

Auch wenn das Augenmerk der Forscher zum Großteil auf dem Meeresboden lag, standen sie gerne an Deck und bewunderten die eisige und weite Landschaft. „Viel Privatsphäre gibt es nicht an Bord. Man genießt zwischendurch die Stille, die das Schiff umgibt – das Eis schluckt die Umgebungsgeräusche komplett“, erinnert sich Felix Genske. Nur die Rufe der Sturmmöwen durchdrangen ab und an die Ruhe.

Und nach der Expedition? „Am meisten habe ich mich auf mein Bett und meine Familie gefreut. Meinen vier Kindern kann ich nun viele Geschichten von der Reise erzählen – von Eisbären, einem alten Bekannten aus Australien, den ich zufällig nach zehn Jahren im arktischen Meer auf einem anderen Forschungsschiff getroffen habe oder wie wir im Eis stecken geblieben sind - und vieles mehr.“ Der 40-Jährige plant bereits seine nächste Expedition: Beim nächsten Mal wird er an Bord des Forschungsschiffs Sonne in die südlichen Gefilde des Indischen Ozeans aufbrechen.

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