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Münster (upm/bhe).
Jan Philipp Thomeczek<address>© WWU - Kathrin Nolte</address>
Jan Philipp Thomeczek
© WWU - Kathrin Nolte

Populistische Parteien nutzen Facebook besonders intensiv

Aktuelle Studie des Politikwissenschaftlers Jan Philipp Thomeczek / Auswertung von rund 627.000 Beiträgen

Mehr Populismus, mehr Klicks: Dieser Zusammenhang ist einer neuen empirischen Studie zufolge durchaus real. Politische Parteien nutzen die Social-Media-Plattform Facebook jedoch höchst unterschiedlich. Zu diesem Ergebnis kommen Politikwissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster. „Populistische Parteien in Europa sind aktiver als andere Parteien“, erläutert Jan Philipp Thomeczek. Dieser Trend sei vor allem in Westeuropa ausgeprägt.

Als populistisch bezeichnen Politologen Parteien, wenn sie sich beispielsweise durch eine Ablehnung sogenannter Eliten, eine vermeintliche Volkshomogenität und einen unterstellten Allgemeinwillen auszeichnen. Für seine Untersuchung wertete Jan Philipp Thomeczek rund 627.000 Postings entsprechender Parteien auf 226 Facebook-Konten aus. Mit seinen Ergebnissen belegt er erstmals, was viele Beobachter schon länger vermuten – dass der Aufstieg populistischer Parteien mit der zunehmenden Bedeutung sozialer Medien in der politischen Kommunikation in Verbindung steht. Die Studie ist im Journal „Party Politics“ erschienen und frei zugänglich.

Jan Philipp Thomeczek entdeckte große Unterschiede zwischen den Ländern. In Deutschland veröffentlichen demnach die aktiveren Parteien im untersuchten Zeitraum durchschnittlich 2,5 Posts pro Tag. Die rechtspopulistische „Lega“ aus Italien brachte es dagegen im Schnitt auf 34 Posts täglich. Der Mittelwert habe in Europa bei 1,7 gelegen. „Somit war sie zwanzigmal aktiver als die übrigen Parteien in Europa.“ Der Politikwissenschaftler sieht in dieser Masse an Äußerungen einen Grund für den Wahlerfolg der „Lega“, die seit einigen Jahren in Italien an der Regierung ist.

„Deutschland ist ein Spezialfall, weil etliche Posts der ,Alternative für Deutschland‘ nicht zugänglich sind – sie könnten gelöscht oder ausgeblendet worden sein“, betont Jan Philipp Thomeczek. Auch in Deutschland scheint es dem Wissenschaftler zufolge eine Strategie zu sein, Facebook als Alternative zu den etablierten Medien zu nutzen. Die AfD falle durch besonders lange Posts auf. Die Populisten träfen auf Widerhall und erreichten so ein größeres Publikum als über die Massenmedien, also Zeitungen und Rundfunk. „Auf diese Weise entsteht eine Art neuer Kanal ohne journalistische Filter“, erläutert der Politikwissenschaftler.

Methode

Die Forschungsergebnisse sind Teil der Dissertation von Jan Philipp Thomeczek am Lehrstuhl „Vergleichende Politikwissenschaft - Kommunal- und Regionalpolitik“ von Prof. Dr. Norbert Kersting. Die Daten hat der Doktorand mit der Software „Facepager“ sowie mit der Plattform „Crowdtangle“ erhoben, einer Software für den wissenschaftlichen Zugang zu Facebook-Daten. Darüber hinaus verwendete er Zahlen aus der Expertenbefragung „POPPA (2018)“ zu den relevantesten Parteien in Europa aus dem Jahr 2018, auch um eine wissenschaftliche Populismus-Messung zugrunde zu legen. Die Skala erstreckt sich von 0 (nicht populistisch) bis 10 (sehr populistisch). Für einen Zeitraum von 2017 bis 2019 verknüpfte Jan Philipp Thomeczek die Facebook-Aktivitäten aller Parteien mit dem POPPA-Datensatz. Der endgültige Datensatz umfasste 627.711 Beiträge von 226 Facebook-Konten der Parteien. Die Liste der Partei-Accounts hat er für weitere wissenschaftliche Analyse frei zur Verfügung gestellt.

Finanzierung

Die Studie „PRECEDE“ (Populism's Roots: Economic and Cultural Explanations in Democracies of Europe) erhielt finanzielle Unterstützung von der Volkswagen-Stiftung.

Originalpublikation:

Thomeczek, J. P. (2023). Political Communication on Facebook: Do Populist Parties Send Out More Posts? Party Politics. Doi: 10.1177%2F13540688231184626

Die Ergebnisse der Studie Political Communication on Facebook: Do Populist Parties Send Out More Posts? “ wurden am 25. Juni in der Fachzeitschrift „Party Politics“ unter dem Link dx.doi.org/10.1177%2F13540688231184626 veröffentlicht.

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