![Prof. Dr. Sascha Buchholz begutachtet im Garten des Kapuzinerklosters die Obstwiese; die Gartenanlage ist öffentlich zugänglich.<address>© WWU - KK</address>](http://www.uni-muenster.de/news/data/img/2023/05/13287-b9FO0OFv-webL.jpg)
Mut zur Imperfektion
Unsere Tour startet im Klostergarten, gelegen zwischen Steinfurter Straße und Orléans-Ring – ein Ort für alte, regionale Obst- und Gemüsesorten. „Ein so großes Areal mitten in der Stadt bildet einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt. Zusätzlich tragen Gartenanlagen dazu bei, die Luftqualität zu verbessern, in heißen Sommern die Luft zu kühlen und Kohlendioxid zu speichern. Im Umkehrschluss wird die Lebensqualität in Städten verbessert“, erklärt Sascha Buchholz.
Wir beobachten die ersten Insekten, die zu den zarten rosafarbenen und weißen Knospen der zahlreichen Obstbäume auf dem Gelände fliegen – Apfel, Kirsche, Pfirsiche und Quitten sind zu finden. „Schön hier“, sage ich. „Ja, aber ich würde mir mehr ‚Unordnung‘ wünschen“, wendet der Landschaftsökologe ein. „Der saftige Rasen sollte weniger gemäht werden, damit Klee und andere Pflanzen darin zur Blüte kommen können. Davon profitieren Insekten, aber auch viele Arten, die auf und im Boden leben, etwa Käfer, Spinnen, Schnecken und Tausendfüßler.“
In den vergangenen Jahrzehnten hat die rasche Urbanisierung zum Verlust von Grünflächen und zur Flächenversiegelung in Städten geführt. „Inzwischen findet ein Umdenken statt. Gärten und ihre ‚Bewohner‘ stellen zahlreiche Ökosystemdienstleitungen zur Verfügung, die für den Menschen viele Vorteile bieten“, erklärt Sascha Buchholz. Dazu gehören unter anderem Bodenbildungsprozesse, Bestäubung, Bereitstellung von Nahrungsmitteln sowie Klima- und Wasserregulation. Nicht nur ökologisch, auch kulturell und sozial bieten Gärten vielen Menschen einen Rückzugsraum für ihre Erholung und ihr Wohlbefinden. Studien belegen, dass die mentale Zufriedenheit und die Gesundheit von Menschen zunehmen, wenn Gärten möglichst grün und vielfältige Strukturen vorweisen.
Wir radeln vom Kloster stadtauswärts in Richtung Nienberge und passieren zahlreiche Vorgärten und städtische Grünanlagen. Die Frühblüher bieten viele bunte Farbkleckse, die wir an jeder Ecke sehen: Krokusse, Narzissen, Traubenhyazinthen und Co. stellen bereits seit einigen Wochen eine Art tierisches Buffet für hungrige Bestäuber dar.
Bereits ein kleiner Balkon kann einen wichtigen Teil zum städtischen Grün und zur Vernetzung der unterschiedlichen Gärten und Parkanlagen in der Stadt beitragen – auch wenn es nur eine kurze Verschnauf- und Stärkungspause für Schmetterlinge oder Bienen ist. Es müssen allerdings die richtigen Arten angepflanzt werden. „Geranien und Dahlien lieber nicht, da sie so gut wie keinen Nektar produzieren. Ich empfehle zum Beispiel Löwenmäulchen. Sie sind die perfekten Begleiter im Garten oder auf dem Balkon, da sie teilweise noch bis in den späten Herbst blühen. Auch Natternkopf oder viele Kräuter wie zum Beispiel Kamille, Minze oder Lavendel sind biologisch wertvolle Pflanzen“, sagt Sascha Buchholz.
Autorin: Kathrin Kottke
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 3. Mai 2023.